Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) stoppt wegen der unklaren Lage in Syrien vorerst alle Entscheidungen über Asylanträge aus dem arabischen Land. Das sagte ein Behördensprecher auf Anfrage. Die Regelung gelte nicht für das sogenannte Dublin-Verfahren, bei denen ein anderes EU-Land für das Asylverfahren zuständig ist, sondern für alle Anträge, für die die Situation in Syrien ausschlaggebend sei, so der Behördensprecher.
Derzeit sind 47.000 Asylanträge anhängig
Derzeit seien mehr als 47.000 Asylanträge von Syrern anhängig, davon 46.081 Erstanträge, so der Sprecher. Unter den rund 975.000 in Deutschland lebenden Syrern waren Ende Oktober laut Bundesinnenministerium 5.090 Asylberechtigte, 321.444 Menschen, denen die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wurde sowie 329.242 Syrerinnen und Syrer, die subsidiären Schutz genießen. Der greift, wenn weder der Flüchtlingsschutz noch die Asylberechtigung gewährt werden, den Betroffenen aber im Herkunftsland ernsthafter Schaden droht.
Innenministerium: Fälle aus Syrien werden "nach unten sortiert"
"Das BAMF schaut sich sehr genau an, wie der Einzelfall gelagert ist, dazu gehört auch eine Bewertung der Lage vor Ort im Herkunftsland", sagte eine Sprecherin des Bundesinnenministeriums zum jetzt verhängten Entscheidungsstopp im BAMF. Das Bundesamt habe die Möglichkeit, Asylentscheidungen bei einer unklaren Lage zurückzustellen. Und dass die Lage derzeit in Syrien unklar ist, sei ja offensichtlich. Praktisch bedeute das, dass die Anträge von Syrerinnen und Syrern "im Stapel nach unten sortiert und andere Asylentscheidungen vorgezogen" würden.
Faeser warnt vor übereilter Rückkehr-Debatte
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) warnte vor einer vorschnellen Debatte über eine Rückkehr von Syrern in ihre Heimat. Die aktuelle Lage in dem Land sei "sehr unübersichtlich", erklärte sie in Berlin. Das BAMF müsse "seine Entscheidungspraxis an die neue Lage anpassen". Der Entscheidungsstopp gelte, "bis die Lage klarer ist".
Wegen der unübersichtlichen Lage in Syrien seien "konkrete Rückkehrmöglichkeiten im Moment noch nicht vorhersehbar" und es sei "unseriös, in einer so volatilen Lage darüber zu spekulieren", erklärte sie. "Ebenso hängt die weitere Bewertung des Schutzstatus der in Deutschland lebenden anerkannten syrischen Flüchtlinge von der weiteren Entwicklung in Syrien ab", fügte Faeser hinzu.
Baerbock: Situation nicht "für parteipolitische Zwecke missbrauchen"
Aus von den Grünen kamen umgehend Warnungen vor übereilten Rückkehr-Forderungen Außenministerin Annalena Baerbock sagte im Berlin, niemand könne "an diesem Tag vorhersehen und auch in den nächsten Tagen nicht vorhersehen, wie das in Syrien weitergeht, was es sicherheitspolitisch bedeutet".
Es bestehe Unklarheit darüber, "ob weitere Menschen aus der Region fliehen, weil andere Extremisten jetzt ihr Unwesen treiben oder ob Menschen nach Syrien wieder zurückkehren können", erklärte Baerbock. "Jeder, der jetzt versucht diese Situation in Syrien, dessen Zukunft vollkommen unklar ist, für parteipolitische Zwecke zu missbrauchen, der hat den absoluten Bezug zur Realität im Nahen Osten verloren", sagte sie.
Söder: Müssen über stärkere Rückführung von Syrern nachdenken
CSU-Chef Markus Söder rechnet hingegen mit deutlich mehr freiwilligen Rückkehren nach Syrien. "Der Grund, Syrien zu verlassen, war vor allem Assad. Deswegen wird es viele Menschen geben, die jetzt einfach in ihre Heimat zurückwollen", sagte der bayerische Ministerpräsident nach einer Sitzung des CSU-Vorstands in München.
Söder betonte, er finde es "richtig", dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge die Asylanträge von Syrern zunächst zurückstelle. Es müsse aber "überlegt werden, wie eine stärkere Rückführung in die syrische Heimat vieler Menschen möglich ist". Dazu sei es auch wichtig, die Menschen bei der Rückkehr in ihre Heimat zu unterstützen. Den Grünen warf Söder vor, durch ihre skeptischen Äußerungen die Rückreise von Syrern zu behindern.
Auch Österreich setzt Asylverfahren aus
Österreich hat unterdessen nach dem Sturz von Assad genau wie Deutschland alle Asylverfahren von Syrerinnen und Syrern vorerst ausgesetzt. Betroffen sind laut Österreichs Innenministeriums rund 7.300 offene Verfahren in erster Instanz. Zusätzlich sollen alle bereits gewährten Asylbescheide überprüft werden. Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) erklärte: "In diesem Zusammenhang habe ich das Ministerium beauftragt, ein geordnetes Rückführungs- und Abschiebeprogramm nach Syrien vorzubereiten."
Mit Informationen von dpa
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