"Kein Durchbruch" hieß es in ersten Meldungen nach den jüngsten russisch-amerikanischen Gesprächen in Moskau. Bei genauem Hinsehen ist selbst das eine Beschönigung. Nach allem, was nach den fünfstündigen Beratungen bekannt wurde, fehlte nicht nur der Durchbruch - es gab überhaupt kein greifbares Ergebnis. Ein ernsthafter Friedensplan für die Ukraine bleibt in weiter Ferne.
Bezeichnend war ein Satz des Kreml-Beraters Juri Uschakow: "Wir haben uns nicht weiter voneinander entfernt", sagte er unmittelbar nach den Gesprächen. Das heißt: Auch das sechste Treffen zwischen Präsident Wladimir Putin und US-Unterhändler Steve Witkoff war nüchtern betrachtet eine Nullnummer.
Trump ist nicht zu wirklichem Druck bereit
In US-Medien dominiert ebenfalls Ernüchterung. "Von militärischem Erfolg überzeugt, verweigert Putin Kompromisse" lautet die Schlagzeile der Washington Post (externer Link, möglicherweise Bezahlinhalt). Die New York Times (externer Link, möglicherweise Bezahlinhalt) stellt die Frage: "Was könnte Russland dazu bringen, Frieden zu wollen?" Die Antwort der Zeitung lautet: "Wirtschaftlicher und militärischer Druck." Doch zu beidem - so das Fazit - ist Präsident Donald Trump nicht ernsthaft bereit.
Zitiert wird in der New York Times etwa Fiona Hill von der US-Denkfabrik Brookings, die in Trumps erster Amtszeit im Nationalen Sicherheitsrat für Russland und Europa zuständig war. Hill hatte ihre Sichtweise schon vor einigen Tagen im BBC-Interview so zusammengefasst: "Der gesamte Druck wird derzeit auf die Ukraine ausgeübt. Und all der Druck, der auf Putin ausgeübt werden könnte, wurde niemals ernsthaft umgesetzt."
Putin beschönigt laut US-Institut seine Lage
Ähnlich argumentiert das renommierte US-Institut für Kriegsstudien in seiner aktuellen Analyse zur Lage in der Ukraine. Die Experten bilanzieren nicht nur, dass Putin mit seiner Aussage zur Einnahme der Stadt Pokrowsk als strategisch wichtigem Durchbruch "übertrieben" hat. Das Institut konstatiert auch, dass es der russischen Wirtschaft inzwischen "deutlich schlechter" geht als von Putin dargestellt. Demnach wären Ansatzpunkte für Druck auf Russland also durchaus vorhanden. Doch unter dem Strich bestimmt Putin weiter das Tempo und kann seine Hinhaltetaktik fortsetzen.
Schon vor den jüngsten russisch-amerikanischen Gesprächen haben deutsche Experten ein zentrales Motiv der Trump-Regierung betont: eigene Wirtschaftsinteressen.
Die USA verfolgen eigene Geschäftsinteressen
"Es geht anscheinend überhaupt nicht um Sicherheit für die Ukraine, sondern vor allem um diese kurzfristigen Geschäftsinteressen für die USA, mit denen man versucht, die Trump-Administration auf Putins Seite zu locken", sagte Florian Böller vom Heidelberger Zentrum für Amerika-Studien (externer Link) dem SWR. Nach den Worten des Politikwissenschaftlers geht es der Trump-Regierung "um Rohstoffe und es geht um vermeintliche Investitionen, die man tätigen könnte, zum Wiederaufbau der Ukraine."
Auch die Osteuropa-Expertin Gwendolyn Sasse von der Berliner Humboldt-Universität (externer Link) betonte im Deutschlandfunk, bei den Gesprächen von US-Unterhändler Steve Witkoff und Trump-Schwiegersohn Jared Kushner gehe es zunehmend um wirtschaftliche Interessen, die Verhandlungen über ein Kriegsende seien "ein Geschäftsmodell" geworden. Sasse kritisierte allerdings auch, die Europäer hätten viele Möglichkeiten zum Einwirken auf den Verhandlungsprozess verpasst.
Auch Europa fehlt die Entschlossenheit
Zwar klingen die jüngsten Meldungen aus Brüssel auf den ersten Blick nach europäischer Entschlossenheit. So haben mehrere europäische Nato-Länder, darunter Deutschland, den Kauf weiterer Waffenpakete aus US-Beständen für die Ukraine angekündigt. Die Europäische Union hat den schrittweisen Ausstieg aus russischen Erdgas-Importen bis Ende 2027 verkündet. Doch auch hier lässt sich kritisch fragen: Reicht die Stärkung der ukrainischen Luftabwehr – das ist der Kern der neu angekündigten Waffenkäufe – für militärischen Druck auf Russland aus? Warum hat die EU die Energieabhängigkeit von Moskau nicht schon viel früher endgültig beendet?
Am Ende bestätigt sich die Skepsis, die viele Experten vor Beginn der Gespräche in Moskau geäußert hatten. Nicht nur der Chef der Münchner Sicherheitskonferenz, Wolfgang Ischinger, hatte im BR24-Interview vor der Hoffnung auf schnellen Frieden gewarnt. Auch Gwendolyn Sasse von der Berliner Humboldt-Universität rechnet nicht mit baldigen Verhandlungserfolgen. Nach ihren Worten bleiben alle Beteiligten "weit weg von einem Plan, den man Friedensplan nennen könnte".
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