Ein "gewalttätiger, aufrührerischer Mob", der in Los Angeles "eingefallen" ist und die Stadt "besetzt" – mit diesen Worten hat US-Präsident sein jüngstes Vorgehen begründet. Ein Vorgehen, das in Teilen des Landes Empörung auslöst.
Was dazu geführt hat: Bei Razzien der Einwanderungsbehörde ICE, teilweise in Wohngebieten und Geschäften, wurden zahlreiche Menschen festgenommen. Dagegen gingen Tausende auf die Straße - Trump erwiderte diesen Protest mit der Entsendung von tausenden Nationalgardisten. Diese Einsatzkräfte kommen normalerweise bei Naturkatastrophen, Unruhen oder Notfällen zum Einsatz. Nun wurden auch 700 Marineinfanteristen der regulären Streitkräfte zusätzlich entsandt.
Ist Trumps Vorgehen rechtens?
Die rechtliche Grundlage für Trumps Vorgehen ist umstritten. Die Nationalgardisten unterstehen im Normalfall dem jeweiligen Gouverneur des Bundesstaats - im Fall von Kalifornien dem Demokraten Gavin Newsom. Unter gewissen Umständen kann der Präsident die Kontrolle über sie übernehmen.
Trump beruft sich auf einen Passus ("Title 10") in einem Bundesgesetz. Demnach kann der Präsident die Nationalgarde aktivieren, wenn es eine Invasion durch ein anderes Land oder eine Rebellion gibt. "Dieses Ausmaß haben die Proteste nicht", sagte Juliette Kayyem von der Universität Harvard dem Fernsehsender PBS. US-Vizepräsident JD Vance erklärte dagegen, dass es darum gehe, die Ordnung wiederherzustellen und der Einwanderungsbehörde bei ihrer Arbeit zur Seite zu stehen.
"Es wird eine Krise fabriziert"
Trumps Vorgehen ist "eine rechtliche Grauzone", erklärt Marcel Hartwig von der Universität Siegen im BR24-Interview. Der USA-Experte verweist auf die Proteste, die zu Beginn größtenteils friedlich waren. Diese als Aufruhr zu werten, nennt Hartwig "verwegen": "Mit diesem starken Einschreiten wird eine Eskalation getestet, eine Krise fabriziert". Erst dadurch sei eine Lage entstanden, in der man über "Title 10" als Grundlage reden könne. Ob das rechtens ist, müssten nun Gerichte entscheiden. Kaliforniens Gouverneur Newsom hat Klage eingereicht, weil sich Trump über die Rechte der Bundesstaaten hinwegsetzte.
Hartwig sieht das Vorgehen auch im Kontext eines Trump-Dekrets Ende April, das den Einsatz des Militärs im Inneren erleichtern soll. Es gehe in die Richtung, dass "Krisenzustände in vor allem demokratisch-geführten Staaten provoziert werden". Diese hatten in der Vergangenheit Trumps Abschiebepolitik behindert, teilweise boykottiert. Trumps Ziel sei es deswegen, mehr Kontrolle zu übernehmen. "Es ist bemerkenswert, dass Kamala Harris noch letztes Jahr im Wahlkampf gewarnt hatte, dass Trump das Militär auf die eigenen Bürger loslassen wird", so Hartwig. "Und jetzt scheint das Wahrheit zu werden."
Was hinter Trumps Vorgehen steckt
Überraschend ist Trumps Vorgehen nicht: Einwanderung war sein Haupt-Wahlkampfthema. Er hatte "die umfangreichsten Deportationen" in der US-amerikanischen Geschichte angekündigt. Mehrfach erklärte er, Truppen auch ohne Einverständnis der Gouverneure einzusetzen, um seine Einwanderungspolitik durchzusetzen. Zudem gibt es bei dem Konflikt eine direkte Auseinandersetzung mit einem seiner Lieblingsfeinde.
Den kalifornischen Gouverneur Newsom nannte Trump in der Vergangenheit ein "Desaster", "schwach" oder machte aus seinem Nachnamen ein "Newscum" ("scum"= englisch für "Abschaum"). Er drohte sogar, ihn verhaften zu lassen. Newsom, dem Ambitionen auf das Weiße Haus nachgesagt werden, nannte Trump wiederum "den gefährlichsten Präsidenten der modernen amerikanischen Geschichte", warf ihm "Machtmissbrauch" vor und sprach von "gestörten" Fantasien eines "diktatorischen Präsidenten". Zuletzt attackierte er Trump wegen dessen Alters.
Kalifornien ist zudem ein tief-demokratischer Staat – für viele Trump-Anhänger das Paradebeispiel gescheiterter, linker Politik. Trump nannte Kalifornien einen "failed state", einen gescheiterten Staat. Bei den drei Präsidentschaftswahlen, bei denen Trump antrat, holte er im Westküsten-Staat teilweise deutlich unter 40 Prozent.
Vorwurf der Demokraten: Trump gehe es um Ablenkung
Für die Opposition gibt es noch einen weiteren Grund: "Das alles dient dazu, von den Misserfolgen der Trump-Regierung in anderen Bereichen abzulenken", sagte Alex Padilla, demokratischer Senator von Kalifornien. Unbequeme Themen – die Auseinandersetzung mit Ex-Berater Elon Musk, der Zoll-Ärger, der Ukraine-Krieg - werden möglichst schnell vom nächsten Aufreger überschattet, so der Vorwurf.
Auch wenn die Gerichte noch nicht entschieden haben – viele Beobachter in den USA werfen Trump schon jetzt einen politischen Tabu-Bruch vor. Ist es ein Schritt in den Autoritarismus? "Es sieht sehr danach aus", sagt Marcel Hartwig von der Uni Siegen. Er verweist auf verhaftete Gewerkschaftsführer, zu denen Politiker anschließend keinen Zugang bekamen, auf die Abschreckung durchs Militär, die Rhetorik gegenüber politischen Gegnern: "So etwas passiert in autoritären Staaten."
Im Video: In Los Angeles stehen sich Nationalgardisten und Demonstranten gegenüber
In Los Angeles stehen sich Nationalgardisten und Demonstranten gegenüber
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