Nach nur einem Monat im Amt gibt Frankreichs Premier Sébastien Lecornu überraschend auf.
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Nach nur einem Monat im Amt gibt Frankreichs Premier Sébastien Lecornu überraschend auf.
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Französischer Premier Lecornu tritt überraschend zurück

Französischer Premier Lecornu tritt überraschend zurück

Nach nur einem Monat im Amt gibt Frankreichs Premier Sébastien Lecornu überraschend auf. Sein Rücktritt stürzt Präsident Macron in eine neue Krise – das Land ist politisch gelähmt, die Finanzmärkte reagieren nervös.

Über dieses Thema berichtet: BR24 Radio Infoblock am .

Frankreich steckt immer tiefer in einer politischen Krise. Nur knapp einen Monat nach seinem Amtsantritt und nicht einmal 14 Stunden nach der Vorstellung seines Kabinetts ist Premierminister Sébastien Lecornu am Montag überraschend zurückgetreten. Präsident Emmanuel Macron habe den Rücktritt angenommen, teilte der Élysée-Palast mit. Erst am Sonntagabend war das neue Kabinett Lecornus vorgestellt worden. Sowohl Verbündete als auch Gegner drohten unmittelbar damit, die Regierung zu Fall zu bringen. Die politische Unsicherheit belastet den französischen Aktienmarkt, auch der Euro geriet unter Druck.

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Gegner und Verbündete gleichermaßen verärgert

Der Rücktritt Lecornus kam unerwartet. Der 39-Jährige, den Macron Anfang September ernannt hatte, war der fünfte Regierungschef in weniger als zwei Jahren. Lecornus Vorgänger, François Bayrou, war neun Monate im Amt und stürzte im Parlament über eine Vertrauensfrage. Bayrou trat für einen Sparkurs ein, mit dem er die Staatsverschuldung in den Griff bekommen wollte.

Nach wochenlangen Gesprächen mit allen politischen Parteien hatte Lecornu, ein enger Verbündeter Macrons, am Sonntag seine Minister ernannt. Ihr erstes Treffen sollte am Montagnachmittag stattfinden. Doch das neue Kabinett verärgerte Gegner wie Verbündete gleichermaßen, die es entweder als zu rechts oder als nicht rechts genug empfanden. Dies warf schon vorher die Frage auf, wie lange die Regierung durchhalten könnte. Frankreich steckt bereits in einer tiefen politischen Krise. Keine Fraktion im zersplitterten Parlament verfügt über eine Mehrheit.

Lecornu: Zu viele haben eigene Interessen verfolgt

Lecornu erhob schwere Vorwürfe. "Die Regierungsbildung war nicht einfach und hat bei manchen Appetit mit Blick auf die Präsidentschaftswahl ausgelöst", kritisierte er und spielte damit auf den internen Streit der konservativen Republikaner an, wo sowohl Innenminister Bruno Retailleau als auch Fraktionschef Laurent Wauquiez eine Kandidatur für die Präsidentschaftswahl 2027 anstreben.

"Es hätte nicht viel gefehlt, und wir hätten einen Kompromiss gefunden - wenn manche darauf verzichtet hätten, ihre eigenen Interessen zu verfolgen", sagte Lecornu mit Blick auf seine seit fast vier Wochen dauernden Verhandlungen über einen Haushaltskompromiss. 

Scharfe Kritik und Forderungen aus der Opposition

Aus der Opposition hagelte es derweil Forderungen an Macron. Die Rechtspopulisten etwa wollen eine Entscheidung des Präsidenten: "Macron muss wählen: Auflösung des Parlaments oder Rücktritt", verlangte die Partei Rassemblement National (RN) am Montag in einem Post beim Onlinedienst X. "Es kann keine Stabilität ohne Neuwahlen geben", betonte der RN-Fraktionschef Jordan Bardella.  

"Wir fordern die sofortige Debatte über unseren Antrag auf die Absetzung von Macron", erklärte der linkspopulistische Parteichef Jean-Luc Mélenchon. "Der Countdown läuft. Macron muss gehen", betonte die Fraktionschefin der linkspopulistischen Partei La France Insoumise (LFI), Mathilde Panot.

Die Sozialisten gaben sich zunächst zurückhaltender. "Wir haben nie die Auflösung oder den Rücktritt des Präsidenten gefordert, (...) aber jetzt muss der Präsident sich die Frage stellen, wie er den Erwartungen der Französinnen und Franzosen entspricht", sagte der sozialistische Fraktionschef Boris Vallaud. 

ARD-Reporter Michael Strempel.
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ARD-Reporter Michael Strempel zu der Regierungskrise in Frankreich.

Zunehmende Instabilität seit Macrons Wiederwahl

Seit Macrons Wiederwahl 2022 ist die politische Lage zunehmend instabil. Er selbst verschärfte die Situation im vergangenen Jahr. Nach der von ihm angesetzten vorgezogenen Wahl ist das Parlament noch stärker zersplittert, womit die Bildung einer Regierung noch schwieriger geworden ist.

Eine der wichtigsten Aufgaben von Lecornu war es, eine Mehrheit für den Haushalt 2026 im Parlament zu finden. Das französische Defizit liegt derzeit bei fast dem Doppelten der in der EU erlaubten Obergrenze von drei Prozent der Wirtschaftsleistung.

Bis 2029 wollte Lecornu es auf die EU-Obergrenze drücken. Forderungen nach einer Wiedereinführung der Vermögensteuer erteilte er eine Absage. Die oppositionellen Sozialisten verlangen dies im Gegenzug für ihre Unterstützung beim Haushalt. Landesweit hatten Beschäftigte gegen die geplanten Kürzungen protestiert und waren auch in Streiks getreten.

Mit Informationen von AFP und Reuters.

Im Video: Rücktritt des französischen Premierministers Sébastien Lecornu:

Französische Fahne in Paris.
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Frankreichs Präsident Macron hat den zurückgetretenen Premier Sébastien Lecornu mit Verhandlungen beauftragt.

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