Die Europäische Union unterhält seit fast einem Vierteljahrhundert besondere Beziehungen zu Israel. Grundlage dafür ist das Assoziierungsabkommen, das im Juni 2000 in Kraft trat. Wenige Tage vor dem Jubiläum steht das Abkommen auf dem Prüfstand - es ist so umstritten, wie selten zuvor.
Grund ist die humanitäre Lage im Gazastreifen. Die Blockadepolitik der Regierung von Benjamin Netanjahu hat die Zahl der israelfreundlichen Regierungen in der EU zusammenschrumpfen lassen. Die Länder, die nicht mehr tatenlos zusehen wollen und Konsequenzen fordern, machen inzwischen fast zwei Drittel der 27 Mitgliedsländer aus.
Niederländischer Vorstoß
Diese Bilanz zog die EU-Chefdiplomatin Kaja Kallas nach einer, wie sie am Ende resümierte, "sehr, sehr intensiven Diskussion" mit den Außenministern der Union. Kallas würdigte zwar die jüngste Freigabe von humanitären Hilfen durch Netanjahu, sprach aber von einem "Tropfen auf den heißen Stein". Die Lage in Gaza sei nach wie vor katastrophal.
Vorher hatte der niederländische Außenminister Caspar Feldkamp den Vorstoß gemacht, das Assoziierungsabkommen mit Israel auf den Prüfstand zu stellen. Kern des Abkommens ist der gegenseitige Handel mit möglichst wenigen Einschränkungen für den Warenverkehr, also auch Israels Zugang zum Binnenmarkt und zu EU-Programmen. Ein wesentlicher Bestandteil der Vereinbarung ist aber auch die Wahrung der Menschenrechte – die würden von Israel in Gaza verletzt, so die EU-Argumentation.
Deutschland beteiligt sich nicht
Insgesamt 17 Außenminister sprachen sich nach Angaben aus Diplomatenkreisen für die Überprüfung des Abkommens aus, Deutschland war nicht dabei. Bundesaußenminister Johann Wadephul hatte vorher die humanitäre Lage in Gaza zwar ähnlich scharf kritisiert wie seine europäischen Kollegen. Schon nach seinem Besuch in Israel und in den palästinensischen Gebieten habe er die Situation als unerträglich beschrieben, erinnerte er in Brüssel. "Und sie ist nicht besser geworden, sondern schlechter", fügte er jetzt hinzu.
Dass die Bundesregierung sich trotzdem nicht hinter den niederländischen Vorschlag stellte, wurde damit begründet, dass man alle Gesprächskanäle offen halten wolle. Allein steht Deutschland mit dieser Haltung nicht, rund ein Drittel der 27 teilt sie, darunter Italien, Griechenland und Tschechien. Aber die Mehrheitsverhältnisse waren klar, die Gruppe der israelkritischen EU-Länder mit Spanien, Belgien und Irland an der Spitze ist deutlich stärker geworden.
Schwerwiegende Folgen für Israel?
"Wir werden also eine Prüfung des Assoziierungsabkommens einleiten", versprach Kallas. Mit Blick auf die Regierung Netanjahu fügte sie hinzu, Israel solle die Zeit nutzen, um die Blockade der humanitären Hilfen für Gaza komplett aufzuheben. Eine Aufhebung des Abkommens wäre zwar nicht mit einem Mehrheitsbeschluss möglich, dafür ist Einstimmigkeit erforderlich.
Aus den Niederlanden kommt aber ein Vorschlag, der trotzdem weitreichende Folgen für Israel hätte. Denn die Regierung in Den Haag will ohne Überprüfung des Assoziierungsabkommens nicht der derzeit geplanten Verlängerung eines EU-Israel-Aktionsplans um zwei Jahre zustimmen. Der fördert nach EU-Angaben Israels Integration in europäische Programme und ist eine Grundlage für die Fortsetzung der Zusammenarbeit.
Deren Infragestellung könnte für Israel gravierende Folgen haben. Im vergangenen Jahren machte der Warenhandel 42,6 Milliarden Euro aus. Für Israel ist die EU der wichtigste Handelspartner noch vor den USA.
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