Im Gaza-Krieg ist am Vormittag das langwierig ausgehandelte Waffenruhe-Abkommen zwischen Israel und der islamistischen Terrormiliz Hamas in Kraft getreten. Damit schweigen nun erstmals seit mehr als 13 Monaten wieder die Waffen in dem Küstenstreifen – zumindest vorübergehend.
Vorausgegangen sind der neuen Feuerpause aber nochmals massive israelische Angriffe. Dies hing wohl auch mit einer Liste der Namen der entführten israelischen Geiseln zusammen.
Israel hat Geisel-Liste nachträglich erhalten
Eigentlich hätte die Waffenruhe schon in der Früh um 7.30 Uhr deutscher Zeit beginnen sollen. Israels Regierung hatte aber bis zuletzt darauf bestanden, dass die Hamas die Liste mit den Namen der drei noch heute freizulassenden Geiseln übermittle. Da die Hamas dies jedoch bis dahin nicht getan hatte, setzte die Armee ihre Angriffe zunächst fort.
Inzwischen habe die islamistische Terrorgruppe die Namen der Geiseln aber gemäß der Rahmenvereinbarung mitgeteilt, teilte das Büro von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu mit. Die Waffenruhe laufe deshalb seit 10.15 Uhr deutscher Zeit, hieß es weiter. Die Familien der Geiseln seien entsprechend informiert worden. Das Vermittlerland Katar bestätigte derweil die Übermittlung der Geisel-Namen an Israel sowie das Anlaufen der Waffenruhe.
Hamas will im Tagesverlauf drei Geiseln freilassen
Israel und die Hamas hatten sich unter Vermittlung Katars, Ägyptens und den USA auf eine Waffenruhe von zunächst 42 Tagen geeinigt. In der Zeit sollen 33 der 97 im Gazastreifen verbliebenen israelischen Geiseln gegen 1.904 inhaftierte Palästinenser ausgetauscht werden. Die erste Phase des Abkommens sieht auch eine schnelle Verbesserung der Versorgung mit Lebensmitteln für die mehr als zwei Millionen Bewohner in Gaza vor, von denen nach UN-Angaben 90 Prozent unter Hunger leiden. Zudem muss sich die israelische Armee aus Bevölkerungszentren im Gazastreifen zurückziehen.
Unter allen noch festgehaltenen Geiseln befindet sich auch eine niedrige zweistellige Zahl von Israelis, die zusätzlich den deutschen Pass haben, wie es aus dem Auswärtigen Amt hieß. Es wird davon ausgegangen, dass 34 der Entführten vermutlich tot sind. Laut Israels Regierung ist geplant, dass die ersten drei weiblichen Geiseln heute um 15.00 Uhr deutscher Zeit aus der Gewalt der Hamas freikommen. Israelischen Angaben zufolge sind es Zivilistinnen. Wie das katarische Außenministerium bekanntgab, handelt es sich "um drei israelische Staatsbürger", von denen "eine die rumänische und eine weitere die britische Staatsbürgerschaft" besitzt.
Im Gegenzug sollen 90 palästinensische Gefangene überstellt werden
Etwa zur gleichen Zeit sollen in Israel die ersten rund 90 palästinensischen Häftlinge freigelassen und von Sicherheitskräften entweder ins besetzte Westjordanland oder nach Gaza gebracht werden. Vier weitere weibliche israelische Geiseln sollen dann in sieben Tagen freigelassen werden. Ob es wegen des verzögerten Beginns der Waffenruhe bei dem Zeitplan bleibt, blieb unklar.
Teil des Abkommens sind auch neue Hilfslieferungen in den Gazastreifen. Das Welternährungsprogramm WFP hat erste Lastwagen mit Hilfsgütern in das Gebiet geschickt. Sattelschlepper mit Weizenmehl und verzehrfertigen Lebensmittelpaketen seien nach Inkrafttreten der Waffenruhe über zwei Grenzübergänge in das Küstengebiet gefahren, teilte das WFP im Kurznachrichtendienst X mit. Mehr als 90 Prozent der palästinensischen Bevölkerung im Gazastreifen leiden nach UN-Angaben starken Hunger.
Israels Polizeiminister tritt wegen Geisel-Deal zurück
Aus Protest gegen die Waffenruhe-Vereinbarung mit der Hamas hat Israels rechtsextremer Polizeiminister Itamar Ben-Gvir sein Ausscheiden aus der Regierungskoalition angekündigt. Damit verlasse auch seine Partei Otzma Jehudit (Jüdische Stärke), die über sechs von 120 Sitzen in der Knesset verfügt, die Regierungskoalition. In einer Mitteilung erklärte die nationalistisch-religiöse Partei, die "skandalöse Vereinbarung" mit der radikalislamischen Hamas über eine Waffenruhe im Gazastreifen komme einer "Kapitulation" gleich.
Allerdings wolle seine Partei die Regierung Netanjahus nicht stürzen. Die rechtsreligiöse Regierung von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu verliert damit nicht ihre Mehrheit im Parlament. Sie hat weiterhin 62 der 120 Sitze im Jerusalemer Parlament.
Vollständiges Ende der Kämpfe im Gazastreifen noch nicht absehbar
Während Israel auf die Liste mit den Namen der drei Geiseln wartete, setze die Armee ihre Angriffe fort. Artillerie und Luftwaffe hätten eine Reihe von "Terrorzielen" im Norden und Zentrum des abgeriegelten Küstenstreifens attackiert, teilte das Militär mit. Nach Angaben des von der Hamas kontrollierten Zivilschutzes kamen im gesamten Gazastreifen seit Ausbruch des Kriegs im Oktober 2023 rund 47.000 Menschen ums Leben. Die unabhängig nicht prüfbare Zahl unterscheidet nicht zwischen Zivilisten und Kämpfern.
Israels Premier Netanjahu hatte am Vorabend der Waffenruhe bekräftigt, sein Land werde bei einem Scheitern des Abkommens die Kämpfe wiederaufnehmen und alle Kriegsziele durchsetzen, darunter die völlige Zerschlagung der Hamas.
Mit Informationen von dpa, afp und Reuters
Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!