Die Zahl der Opfer von häuslicher Gewalt ist in den vergangenen Jahren deutlich angestiegen. 2024 wurde ein neuer Höchststand erreicht, bestätigte das Bundeskriminalamt (BKA) auf Anfrage des ARD-Hauptstadtstudios. Einer BKA-Sprecherin zufolge waren nach vorläufigen Zahlen fast 266.000 Menschen offiziell betroffen – das wäre ein Anstieg um rund vier Prozent im Vergleich zum Vorjahr.
Häusliche Gewalt bleibt oft im Verborgenen
Laut Experten gibt es noch mehr Opfer. Sie gehen von einer hohen Dunkelziffer aus, weil nicht alle Fälle gemeldet werden. Meist geht es um Übergriffe auf Ehepartner, Lebensgefährten und Ex-Partner. Fast 95.000 Opfer zählt der Bereich "Gewalt in der Familie", zum Beispiel wenn Kinder betroffen sind. Zwei Drittel der Opfer waren in den vergangenen Jahren Frauen. Die Täter sind oft Männer. Knapp 70 Prozent haben die deutsche Staatsangehörigkeit.
Von häuslicher Gewalt ist immer dann die Rede, wenn es sich um Personen handelt, die in einer partnerschaftlichen Beziehung zueinander sind oder waren oder wenn sich die Gewalt in der Familie abspielt, beziehungsweise eine familiäre Beziehung besteht. Nach Recherchen der "Welt am Sonntag" (externer Link, möglicherweise Bezahlinhalt) wurde rein statistisch betrachtet etwa alle zwei Minuten ein Mensch Opfer.
Mehrheit der Fälle sind Körperverletzungen
Laut der Zeitung waren mehr als die Hälfte der erfassten Straftaten einfache oder gefährliche Körperverletzung. In rund einem Viertel der Fälle lagen demnach Bedrohungen, Nötigungen oder Stalking vor. Etwas über vier Prozent der Betroffenen seien Opfer von Sexualstraftaten geworden.
Der Sozialverband Deutschland (SoVD) zeigte sich besorgt über die neuen Zahlen. Die Vorstandsvorsitzende Michaela Engelmeier betonte: "Häusliche Gewalt bedeutet zumeist Gewalt an Frauen". Umso wichtiger seien Einrichtungen wie das "Hilfetelefon Gewalt gegen Frauen", so Engelmeier.
Bund stärkt Opferschutz mit Milliardenprogramm
Besonders im Fokus steht dabei die Gewalt, die von Partnern oder Ex-Partnern verübt wird. Diese betrifft die meisten Fälle. Hierbei gab es der "Welt" zufolge 2024 knapp 171.100 Fälle – 1,9 Prozent mehr als 2023. In den vergangenen Jahren waren überwiegend Frauen betroffen.
Das Familienministerium teilte der Zeitung mit, der Anstieg häuslicher Gewalt könne auf eine Zunahme der Gewaltbereitschaft "im Lichte gesellschaftlicher Krisen und persönlicher Herausforderungen" zurückzuführen sein. Möglich sei aber auch eine gewachsene Anzeigebereitschaft.
Im Februar hatte der Bundesrat - nach dem Bundestag - einem Gesetz für einen besseren Schutz von Opfern zugestimmt. Damit werden die Länder dazu verpflichtet, ausreichend Schutz- und Beratungsangebote zu schaffen. Sie erhalten dafür vom Bund zwischen 2027 und 2036 insgesamt 2,6 Milliarden Euro.
Fußfessel nach spanischem Modell geplant
Der Rechtsanspruch auf kostenlosen Schutz und Beratung soll ab 1. Januar 2032 greifen. Bislang konnten Betroffene von häuslicher oder geschlechtsspezifischer Gewalt nur darauf hoffen, dass ihnen geholfen wird und genügend Kapazitäten, etwa in Frauenhäusern, vorhanden sind. Dabei kämpfen Bayerns Frauenhäuser mit Engpässen, wie BR24 im März berichtete.
Um etwa Frauen besser vor gewalttätigen Partnern zu schützen, plant Bundesjustizministerin Stefanie Hubig eine elektronische Fußfessel für Gewalttäter. Sie wolle eine Regelung nach dem sogenannten spanischen Modell, sagte die SPD-Politikerin der "Süddeutschen Zeitung". In Spanien werden keine festen Verbotszonen, etwa der Wohnort oder der Arbeitsplatz der Betroffenen, überwacht.
Stattdessen ist der Abstand zwischen Täter und Opfer maßgeblich: Das Opfer trägt eine GPS-Einheit - befindet sich der Täter mit der Fußfessel absichtlich oder unabsichtlich in der Nähe, wird bei der Polizei Alarm ausgelöst und das Opfer erhält einen Warnhinweis. Nach dem Sommer werde sie einen Gesetzentwurf vorlegen, kündigte Hubig an.
Schutzlücken besonders bei Frauen mit Behinderungen
Die Grünen erklärten, bei Gewalt gegen Frauen handele es sich nicht um "Familiendramen", sondern um "patriarchale Gewalt". "Es braucht mehr Präventions- und Täterarbeit, schnelle Verfahren, verpflichtende Schulungen von Polizei und Justiz", sagte die frauenpolitische Sprecherin der Grünen, Ulle Schauws, der "Welt am Sonntag". Die Linke forderte der Zeitung zufolge Reformen beim Sorge- und Umgangsrecht.
Die SoVD-Vorstandsvorsitzende Engelmeier betonte zudem: "Frauen mit Behinderungen erleiden fast doppelt so häufig wie nichtbehinderte Frauen körperliche Gewalt." Trotz dieser erschreckenden Zahl mangele es an Plätzen in Frauenhäusern - besonders für Frauen mit Behinderungen.
Mit Informationen von dpa und epd.
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