Die israelische Armee nennt es die "nächste Phase des Krieges": Armeesprecher Effie Defrin erklärte, die Truppen hielten jetzt die Außenbezirke der Stadt Gaza im Norden des abgeriegelten Küstenstreifens. Was gerade geschehe, seien "vorbereitende Maßnahmen" zur geplanten Einnahme der ganzen Stadt.
Politikwissenschaftler: "Wir reden hier von einem Häuserkampf"
Aus Sicht des Politikwissenschaftlers Klemens Fischer von der Universität Köln ist das israelische Vorgehen in Gaza-Stadt "unglaublich gefährlich", und zwar sowohl für die Zivilisten in der Stadt als auch für die beteiligten Soldaten.
"Wir reden hier von einem Häuserkampf", betonte Fischer im Interview mit BR24live. Dabei werde es wohl auch nicht gelingen, jeden Hamas-Kämpfer als solchen zu erkennen. Denn die Hamas-Leute könnten sich im Gazastreifen wie "Fische im Wasser" bewegen.
Auf die Frage, wie die Bundesregierung auf die neue israelische Groß-Offensive reagieren sollte, sagte der Politikwissenschaftler, Deutschland habe in der Hinsicht "von allen Staaten weltweit das größte Problem": Da sei zum einen die vielzitierte "Staatsräson", wonach Deutschland für die Sicherheit Israels einsteht. Zum anderen bringe es Berlin aber in ein "massives Dilemma", wenn es zusehe, wie Israel "jeden Tag Völkerrechtsbruch begeht". Das müsse die Bundesregierung kritisieren, denn "ein isoliertes Deutschland im Rahmen der Europäischen Union hilft Israel überhaupt nichts".
Israel zieht Zehntausende Reservisten ein
Am Mittwochabend hatte der israelische Premier Benjamin Netanjahu angeordnet, die Pläne zur Einnahme von Gaza-Stadt "beschleunigt" umzusetzen. Die "Zeitpläne für die Eroberung der letzten Terroristen-Hochburgen" sollten "verkürzt" werden, teilte sein Büro mit.
Vor diesem Hintergrund sollen bis Anfang September Zehntausende von Reservisten eingezogen werden. Sie sollen helfen, Israels erklärtes Ziel zu erreichen, die islamistische Hamas zu zerstören.
Anfang August bereits hatte das Sicherheitskabinett in Tel Aviv grünes Licht für die Einnahme von Gaza-Stadt gegeben – ebenso wie für eine, wie es heißt, "Evakuierung" der dortigen Bevölkerung.
Rund eine Million Menschen leben aktuell in Gaza-Stadt
Bei den Bewohnern von Gaza geht schon länger die Angst um. Sie fürchten sich vor einer erneuten Vertreibung und davor, dass ihre Stadt mehr oder weniger dem Erdboden gleich gemacht wird. Laut dem israelischen Militär sollen die Menschen südlich von Gaza unterkommen - in Zeltunterkünften - und dort versorgt werden.
Internationale Helfer warnen allerdings, die Offensive werde die ohnehin schon katastrophale humanitäre Lage in Gaza noch verschärfen. Die Zahl unterernährter Kinder im Gazastreifen hat sich nach UN-Angaben seit März verdreifacht. In der Stadt Gaza sei nahezu ein Drittel der Kinder unterernährt.
In Medienberichten wird der pensionierte israelische General Israel Ziv mit den Worten zitiert, die Bevölkerung werde womöglich nicht kooperieren, "weil sie keinen Ort hat, wohin sie gehen kann". Und weiter: "Das wird chaotisch werden."
Mit Informationen von dpa
Im Video: Angriffe im Gaza-Streifen dauern an
Die israelische Armee hat wieder zahlreiche Ziele in dem besetzten Gebiet unter Feuer genommen. Dutzende Menschen wurden getötet.
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