Auf einer Wäscheleine hängt Unterwäsche und ein Schild mit der Aufschrift: "Sex ohne Zustimmung ist eine Vergewaltigung".
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Archivbild: Aktion von Aktivistinnen und Aktivisten für eine Änderung im Sexualstrafrecht
Bildrechte: picture alliance/KEYSTONE | PETER KLAUNZER
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"Ja heißt Ja" im Sexualstrafrecht: Warum nicht in Deutschland?

"Ja heißt Ja" im Sexualstrafrecht: Warum nicht in Deutschland?

Frankreich hat sein Sexualstrafrecht nachgeschärft, Sex ohne Einwilligung steht künftig unter Strafe. Auch in Ländern wie Dänemark, Schweden und Spanien ist das so. Was genau bedeutet "Nur Ja heißt Ja"? Und warum tut sich Deutschland schwer damit?

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Sex ohne Zustimmung ist eine Vergewaltigung. Dieser Satz, der für die meisten Menschen vernünftig klingen dürfte, sorgt in Deutschland juristisch für Diskussionen. Worum es genau geht und welche Änderungen sich Bundesjustizministerin Hubig hierzulande vorstellen kann – ein Überblick.

In Frankreich gilt jetzt "Nur Ja heißt Ja"

Zuletzt hat Frankreich sein Sexualstrafrecht verschärft. "Nur Ja heißt Ja" ist das Prinzip, nach dem französische Gerichte künftig urteilen. Das bedeutet: Wenn ein Mensch dem Geschlechtsverkehr nicht ausdrücklich zustimmt, aber passiv über sich ergehen lässt, ist das eine Vergewaltigung. Ab sofort gelten "Schweigen oder das Fehlen einer Reaktion" nicht als Zustimmung zu einem sexuellen Akt.

In Frankreich hatte besonders der Fall von Gisèle Pelicot die Rufe nach dieser Regelung lauter werden lassen. Ihr Ehemann hatte Pelicot mit Medikamenten betäubt und Dutzenden Männern zur Vergewaltigung angeboten. Mehrere Angeklagte sagten, sie hätten nicht den Eindruck gehabt, die Frau zu vergewaltigen, da diese sich ihrer Ansicht nach schlafend gestellt habe. Der Prozess endete mit Haftstrafen für alle 51 Angeklagten.

Was genau bedeutet "Ja heißt Ja"?

Wichtig bei der Diskussion: Die Zustimmung zu einer sexuellen Handlung kann verbal oder non-verbal erfolgen, durch Worte oder Taten. Es geht also nicht darum, jedes Mal im Vorfeld laut "Ja" zu sagen oder gar einen schriftlichen Vertrag abzuschließen. Die Beratungsstelle "FrauenLeben" zeigt auf ihrer Webseite (externer Link) beispielhaft Fragen und Gesprächsmöglichkeiten, mit denen "sexueller Konsens" abgeklärt werden kann.

Kritiker des Grundsatzes "Nur Ja heißt Ja" sagen, damit werde die Beweislast umgekehrt – und angeklagte Menschen müssten beweisen, dass eine Zustimmung der anderen Person vorlag. Die Regelung sei auch das Aus für die Unschuldsvermutung.

Dem widerspricht Melanie Schmalzl von der Beratungsstelle Frauennotruf München. "Schon jetzt steht vor Gericht bei möglichen Sexualdelikten oft Aussage gegen Aussage", sagt Schmalzl auf BR24-Anfrage. Beim Grundsatz "Ja heißt Ja" gehe es um den Konsens, dass Handlungen einvernehmlich geschehen. "Dagegen kann man als Gesellschaft nicht ernsthaft etwas haben."

Deutschland setzt auf das Prinzip "Nein heißt Nein"

In Deutschland gilt seit 2016 der Grundsatz "Nein heißt Nein". Strafbar sind Vergewaltigung oder sexuelle Nötigung (externer Link), wenn sie erzwungen wurden, wenn das Opfer überrascht wurde oder wenn es seine Ablehnung objektiv erkennbar geäußert hat.

Juristisch besonders kompliziert wird es aktuell, wenn jemand einer sexuellen Handlung nicht aktiv widersprochen hat und sie passiv über sich ergehen lässt. Unstrittig ist, dass eine "Schockstarre" vorkommen kann und Menschen in diesem Zustand nicht aktiv nein sagen können. Melanie Schmalzl vom Frauennotruf München sagt: "Noch immer gehen viele Menschen, oft Männer, von dem falschen Grundsatz aus: 'So lange sie sich nicht wehrt, ist sie einverstanden.'"

Oft kommt es bei solchen Fällen vor deutschen Gerichten bisher zu Freisprüchen. Eine Auswertung des Datenportals Statista zeigt: Im Jahr 2023 wurden deutschlandweit 126.470 Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung zur Anzeige gebracht (externer Link). Gleichzeitig gab es 11.273 Menschen, die in diesem Jahr wegen Taten gegen die sexuelle Selbstbestimmung verurteilt (externer Link) wurden. Auch wenn nicht alle Anzeigen im selben Jahr vor Gericht landeten, falsche Vorwürfe darunter sind oder einige Täter für mehrere Taten verurteilt wurden: Die Lücke ist hoch.

Justizministerin Hubig: "Ja heißt Ja" bei Jugendlichen

Bundesjustizministerin Stefanie Hubig (SPD) ist für die Einführung von "Nur Ja heißt Ja" bei Jugendlichen. Diese seien besonders schutzbedürftig, sagte Hubig im Gespräch mit der Zeitung "taz" (externer Link, möglicherweise Bezahlinhalt). Ob "Nur Ja heißt Ja" auch unter Erwachsenen gelten solle, sei "zu diskutieren". Im Koalitionsvertrag von Union und SPD gibt es keine konkrete Vereinbarung.

2024 scheiterte in der Europäischen Union der Versuch, die "Ja heißt Ja"-Regel zum EU-weiten Standard zu machen. Deutschland stimmte damals aus rechtlichen Bedenken dagegen, wie der damalige Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) betonte. Hauptargument: Die EU sei für das nationale Strafrecht ihrer Mitgliedsländer nicht zuständig.

Im Audio: "Nur Ja heißt Ja" – das sagen Frauen in Frankreich dazu

Eine große Uhr mit der Aufschrift "Nur Ja ist ja" steht in einer Fußgängerzone
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Symbolbild "Nur Ja heißt Ja"

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