Knapp fünf Wochen nach der Bundestagswahl gehen die Koalitionsverhandlungen zwischen Union und SPD in die entscheidende Phase. Die Arbeitsgruppen auf Fachebene haben ihre Ergebnisse zusammengetragen, nun kümmert sich die Steuerungsgruppe mit 19 Unterhändlern um die vier Parteichefs Friedrich Merz (CDU), Markus Söder (CSU), Lars Klingbeil (SPD) und Saskia Esken (SPD) um die schwierigen Streitfragen.
Parteispitzen äußern sich zum Verhandlungsauftakt
CDU-Chef Merz will so schnell wie möglich ins Kanzleramt und die Verhandlungen spätestens bis Ostern abschließen. Zum Auftakt der neuen Gesprächsrunde gab sich der Verhandlungsführer bei einem gemeinsamen Pressestatement vor der SPD-Zentrale in Berlin optimistisch - auch wenn nun noch einige "dicke Brocken" anstünden.
Die SPD-Vorsitzende Esken äußerte ihr Bedauern, dass bereits vorab Details der bisherigen Verhandlungen an die Öffentlichkeit gedrungen sind. Die Mittel seien begrenzt, deshalb müsse man sehen, was sich überhaupt verwirklichen lasse. Der SPD-Co-Vorsitzende Klingbeil räumte ein, man werde sich nicht nur Freunde machen, wenn es daran gehe, die Ergebnisse der Arbeitsgruppen zu bewerten. Die geplante schwarz-rote Koalition dürfe den "Fehler" der Ampel-Regierung nicht wiederholen, "dass wir gute Dinge aufschreiben, die am Ende aber nicht finanziert sind".
CSU-Chef Söder betonte die Verantwortung aller Beteiligten: "Wir müssen Erfolg haben." Union und SPD hätten bereits in den vergangenen Wochen gezeigt, was man gemeinsam leisten könne. Darum sei er zuversichtlich, dass man es trotz der Streitpunkte "gemeinsam dann schon wuppen" werde.
Hauptstreitpunkt Migration
Bei der Migration beispielsweise konnte in den Sondierungsgesprächen bisher nur ein Kompromiss formuliert werden, der Zurückweisung "in Abstimmung mit unseren europäischen Nachbarn" möglich machen soll. Ob das bedeutet, dass Nachbarstaaten nur über dieses Vorgehen informiert werden sollen oder zustimmen müssen, darüber gehen die Meinungen zwischen Union und SPD aber auseinander. Auch, ob die nächste Bundesregierung der Forderung der Union nachkommen wird, Asylverfahren außerhalb der EU zu ermöglichen, ist unklar. Die Union will außerdem Sozialleistungen für Ausreisepflichtige "auf das verfassungsrechtliche Erforderliche" kürzen.
Haushalt und Steuern
Die Arbeitsgruppe für Haushalt und Steuern hat besonders viele strittige Punkte zur Entscheidung in die Spitzengruppe gegeben. Wann zum Beispiel soll die in der Sondierung verabredete Unternehmenssteuerreform kommen, die Deutschland als Wirtschaftsstandort wettbewerbsfähiger machen soll?
Bei der Einkommensteuer deutet sich an, dass der Spitzensteuersatz erst bei höheren Einkommen greifen soll. Die SPD will ihn aber gleichzeitig von 42 auf 47 Prozent anheben. Zudem will sie Kapitaleinkünfte höher besteuern sowie - und das ist wohl der größte Knackpunkt - wieder eine Vermögensteuer einführen. Da stellt sich die Union quer. Auch bei der Erbschaftsteuer haben die Parteien völlig unterschiedliche Ansätze: Die Union will Freibeträge für Familienangehörige erhöhen. Die SPD dagegen will Ausnahmen beim Vererben von Betrieben auf den Prüfstand stellen.
Rentenniveau
Union und SPD haben sich zwar in den Sondierungsgesprächen geeinigt, das Rentenniveau zu sichern - aber nicht auf welcher Höhe. Die SPD will das jetzige Niveau von 48 Prozent halten. Das würde absehbar auf höhere Beitragssätze hinauslaufen. Die Union kontert mit einem Sparvorschlag: Für dieses Rentenniveau sollen nicht mehr 45 Beitragsjahre angesetzt werden, sondern 47 Jahre, wie es in einem Arbeitspapier heißt. Weiterer Knackpunkt ist die auf Wunsch der CSU vereinbarte Ausweitung der Mütterrente. Die SPD will, dass die Kosten von etwa fünf Milliarden Euro im Jahr aus Steuermitteln gedeckt werden und nicht aus der Beitragskasse. Da geht die Union bisher nicht mit.
Verbrennungsmotor und Tempolimit
Die Union lehnt die Entscheidung der EU-Staaten und des Europaparlaments, 2035 keine Neuwagen mit Diesel- und Benzinmotoren mehr zuzulassen, bereits seit längerem ab. Im Papier der Arbeitsgruppe fordern CDU und CSU, das Verbot des Verbrennungsmotors ab 2035 müsse rückgängig gemacht werden. Die SPD dagegen steht zum Ziel, EU-weit ab 2035 nur noch Nullemissions-Fahrzeuge zuzulassen. Uneinigkeit gibt es auch in der Frage, die die Elektromobilität durch einen Kaufanreiz zu fördern und über die Einführung eines generellen Tempolimits auf Autobahnen.
Mit Material von AFP und dpa
Im Audio: Koalition in Sicht? So verhandeln die Chefs
Friedrich Merz (CDU), Lars Klingbeil (SPD), Markus Söder, (CSU) und Saskia Esken (SPD)
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