Ein Meter Novemberschnee auf der Zugspitze, und die Räumdienste im Oberland gestern im Dauereinsatz: ist das jetzt ein Anzeichen für den von einigen Medien prophezeiten "Jahrhundertwinter"?
Eher Nein. Und ob der viel beschworene Polarwirbel mit unserem Novemberschnee zu tun hat, ist auch fraglich. Dennoch lohnt es sich, das Phänomen genauer ins Auge zu fassen – dürfte es uns in den kommenden Wintern doch noch öfter beschäftigen.
Wetter: Was zwischen den Polen und den Tropen passiert
Fangen wir vorne an: Die Erdkugel wird von der Sonne beleuchtet. Aber nicht überall gleich. Über den Tropen (den niederen Breiten) kommen die Sonnenstrahlen fast senkrecht von oben an und haben damit sehr viel Kraft. Die Folge: Es wird dort warm. Über den Polargebieten (den hohen Breiten) kommen die Sonnenstrahlen jedoch schräg an, verteilen sich quasi über eine größere Fläche und verlieren ihre Kraft. Die Folge: Es bleibt dort kalt. Dieser Temperaturkontrast sorgt für unser Wetter.
Wie der Polarwirbel entsteht
Über dem Polargebiet hängt die kalte Luft herum. Kalte Luft ist schwerer als warme Luft. Damit sammelt sie sich eher bodennah an. Das wiederum hat zur Folge, dass über dieser Masse an kalter Luft der Luftdruck mit der Höhe schnell weniger wird, weil ja die meiste Luft am Boden hängt.
Im Vergleich zur wärmeren Luft drumherum entsteht so auf der Nordhalbkugel in der Arktis über der Kaltluft am Boden ein Tiefdruckgebiet in der Höhe; entsprechendes gilt auch für die Antarktis auf der Südhalbkugel. Das ist der Polarwirbel. Der ist in einigen Kilometern Höhe mehr oder weniger das ganze Jahr über vorhanden.
Warum der Wind oft aus dem Westen kommt
Um den Polarwirbel herum – der sein Zentrum nicht zwingend über dem Nordpol hat und manchmal auch zwei Kerne bildet – strömen die Winde. Wegen der Erddrehung sind das bei uns die Westwinde. Grob zusammengefasst ist es so: Je kälter die Arktis ist, umso stärker wird der Polarwirbel, umso stärker wehen die Westwinde – und umgekehrt. Im Winter ist es kälter als im Sommer, daher wehen die Winde im Winter bei uns stärker als im Sommer.
Entscheidend: die Temperatur in der Stratosphäre
Unter normalen Verhältnissen ist der Polarwirbel eine stabile Angelegenheit. Aber es gibt Störungen, die dann unser Wetter beeinflussen. So wird immer wieder im Winter eine plötzliche Erwärmung in der Stratosphäre beobachtet. Dabei steigt in Höhen von über 15 Kilometern innerhalb weniger Tage die Temperatur um etwa 50 Grad an und lässt den Polarwirbel zusammenbrechen. Dadurch kann letztendlich kalte Luft ungestört zu uns strömen, was früher oft die Ursache starker Frostperioden in Mitteleuropa war – gerne, wie anno 1963, als "Jahrhundertwinter" deklariert.
Video: BR24 Retro – Jahrhundertwinter 1962/63
Eiskälte 1963
Der Einfluss des Klimawandels
Ein weiterer Störungsgrund ist die voranschreitende Klimaerwärmung. In früheren Jahrzehnten war es in der Arktis im Winter sehr kalt, meist unter -30 Grad Celsius. Dadurch war der Polarwirbel stark, die heftigen Westwinde strömten häufig mit Karacho vom Atlantik nach Europa – und brachten uns milde und stürmische Winter. Heutzutage jedoch liegen die Winterwerte im Polargebiet oft nur noch so bei -5 bis -20 Grad, der Polarwirbel ist entsprechend schwächer geworden, der milde Westwind vom Atlantik ebenfalls. So paradox es klingt: Trotz der Klimaerwärmung steigt somit – zumindest theoretisch – die Möglichkeit für kältere Winter in Mitteleuropa.
Aber das muss nicht sein. Ein schwacher Polarwirbel bedeutet nicht zwangsläufig einen kalten Winter in Deutschland. Schließlich haben wir noch die warme Luft weiter südlich von uns, die kann mittlerweile ziemlich schnell nach Mitteleuropa reinschwappen. Und wir müssen bedenken, dass bei einer mittlerweile nur noch mäßig kalten winterlichen Arktis die Polarluft auch nur noch mäßig kalt zu uns käme. Ob es also weiße Weihnachten gibt und wie dieser Winter sonst so wird: Lassen wir uns überraschen!
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