Antrittsbesuch des Kanzlers in Thüringen: Merz klebt in einer Schulwerkstatt in Jena gemeinsam mit Schülern bunte Mosaiksteinchen zu einem großen Bild zusammen – er lächelt dabei. Wenn er zurück nach Berlin kehrt, dürfte das Lächeln des Kanzlers aber weichen. Dort droht ihm das Gesamtbild der Koalition zu zerfallen: Es sind die jungen Abgeordneten seiner eigenen Union, die gegen das Rentenpaket rebellieren – und die entscheidenden Stimmen ausmachen. Jetzt ist nicht basteln, sondern rechnen angesagt.
Werden sich die Renten-Rebellen doch noch umstimmen lassen? Mit dieser Frage befasste sich BR24 um 16 Uhr. Mit dabei: der BR-Korrespondent im ARD-Hauptstadtstudio, Mario Kubina, und die Wirtschaftsweise Monika Schnitzer. Das Video ist oben im Artikel eingebaut.
Wacklige Mehrheiten bedrohen Koalitionsfrieden
Die schwarz-rote Regierung regiert mit einer sehr knappen Mehrheit von zwölf Stimmen. Die junge Gruppe der Union umfasst 18 Abgeordnete – verweigern sie geschlossen ihre Zustimmung, ist das Rentenpaket gescheitert. SPD-Parteichefin und Arbeitsministerin Bärbel Bas hat bereits klargemacht, dass sie die Verabschiedung des Rentenpakets mit der Zukunft der Koalition verbindet.
Daher gibt es heute eine Probeabstimmung in der Unionsfraktion: Am Nachmittag treffen sich die Abgeordneten. Merz wird die Sitzung eröffnen und seine Position deutlich machen. Die Stimmung dürfte angespannt sein. Angesetzt ist eine einstündige Debatte zum Rentenpaket, bevor die Probeabstimmung gegen 17 Uhr erfolgen soll, bei der potenzielle Abweichler sichtbar werden sollen. CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann deutete bereits an, dass die Sitzung länger dauern könnte. So viel steht fest: Der Gesprächsbedarf ist hoch.
Probeabstimmung bei der Union: Stimmungstest vor dem Ernstfall
Solche Probeabstimmungen sind bei Gesetzen üblich, das Ergebnis ist aber nicht bindend. Wer am Ende wirklich gegen das Paket stimmen will, müsse dies bis Donnerstag, 17 Uhr melden. Die endgültige namentliche Abstimmung ist bislang für Freitag im Bundestag geplant. Der Erste Parlamentarische Geschäftsführer, Steffen Bilger zeigt sich zuversichtlich, "dass wir die Mehrheit hinbekommen".
Die heutige Probeabstimmung ist daher ein Stimmungstest, der mit Vorsicht zu genießen ist: Junge Abgeordnete könnten bei der Probe ein letztes, deutliches Signal setzen wollen und mit "Nein" stimmen – bei der entscheidenden Abstimmung hingegen könnten sie ihre Position für den Koalitionsfrieden zu einem "Ja" oder einer "Enthaltung" ändern. Bei der finalen Abstimmung müssen die Abgeordneten Farbe bekennen: Es wird erwartet, dass namentlich abgestimmt wird – somit wird das Abstimmungsverhalten für alle öffentlich einsehbar.
Junge Gruppe zweifelt an Reformfähigkeit der Regierung
In einem Brief machen die jungen Abgeordneten ihre Haltung klar: "Als Junge Gruppe halten wir das Rentenpaket für nicht zustimmungsfähig. Dabei bleibt es." Sie kritisieren, dass das Paket ein Rentenniveau von 48 Prozent über 2031 hinaus vorsieht, was nicht im Koalitionsvertrag vereinbart sei und ihrer Meinung nach Milliardenkosten verursachen würde – und damit zusätzliche Belastungen für jüngere Generationen.
Zudem zweifeln sie an der Reformfähigkeit der SPD, wie es im Brief heißt. SPD-Fraktionsgeschäftsführer Dirk Wiese hingegen kontert: "Wir wollen Reformen", und weiter: "Da kann ich die Sorgen der Jungen Gruppe ein wenig nehmen."
Im Brief der Jungen Abgeordneten ist auch von der "staatspolitischen Verantwortung" die Rede: Der Begriff kann als gesichtswahrender Notausgang gelesen werden, wenn es weiter heißt: "Allen frei gewählten Abgeordneten kommt eine eigene staatspolitische Verantwortung zu". Bedeutet: Jeder von den jungen Abgeordneten soll selbst entscheiden, was überwiegt: Der Koalitionsfrieden oder inhaltliche Prinzipien.
Änderungen am Rentenpaket haben die Koalitionsspitzen aber ausgeschlossen. Dafür solle bis nächstes Jahr eine Rentenkommission Vorschläge für eine grundlegende Reform erarbeiten. Ob und welche davon überhaupt umgesetzt werden von Union und SPD: offen.
Rentenpaket: Zitterpartie bis zur finalen Abstimmung
Klar hingegen ist das "Nein" zum Rentenpaket von Johannes Winkel, Chef der Jungen Union. Ein anderer junger Abgeordneter, Daniel Kölbl aus Schleswig-Holstein, hat seine Position schon jetzt geändert und sich öffentlich zu seinem "Ja" bekannt: Inhaltlich hält er das Paket zwar weiterhin für falsch und "generationenungerecht", er möchte aber nicht riskieren, die Regierung in eine Krise zu stürzen.
Wie die Probeabstimmung auch ausgehen mag: Das Rententhema bleibt für Merz und die Koalition eine Zitterpartie bis zu einer richtigen Abstimmung im Bundestag. Der Renten-Streit ist ein weiteres Beispiel, der das Grundproblem der schwarz-roten Regierung sichtbar macht: Knappe Mehrheiten werden auch künftige Gesetzesvorhaben erschweren.
Rente: Analyse nach Probeabstimmung
Mit Informationen von dpa
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