Jugend- und Schülerorganisationen hatten für heute einen bundesweiten Schulstreik gegen das neue Wehrdienst-Gesetz der Bundesregierung initiiert, über das fast zeitgleich im Bundestag abgestimmt wurde. Unter dem Motto "Schulstreiks gegen die Wehrpflicht" war explizit zu Kundgebungen während der Unterrichtszeit aufgerufen worden, auch in Bayern fanden vielerorts Demonstrationen statt.
Oft nur ein oder zwei Schulstunden betroffen
In München beteiligten sich Schüler mehrerer Lehranstalten an dem Schulstreik, der häufig nur die letzten ein oder zwei Schulstunden betraf. Bereits am Donnerstag waren in der Landeshauptstadt rund 1.500 vorwiegend junge Leute zu einer Demonstration zusammengekommen. In Augsburg zählte die Polizei am Vormittag rund 350 Demonstranten in der Innenstadt. In Nürnberg demonstrierten etwa 400 Schüler mit Parolen wie "Ich will leben, nicht dienen müssen".
Streikaufruf gegen "Drill und Gehorsam"
Union und SPD hatten sich angesichts der veränderten Sicherheitslage auf einen neuen Wehrdienst mit flächendeckender Musterung verständigt, das entsprechende Gesetz wurde heute verabschiedet. Es sieht vor, dass das Parlament bei zu niedrigen Freiwilligenzahlen über eine Bedarfswehrpflicht entscheiden kann, bei der auch ein Zufallsverfahren genutzt werden könnte. Junge Männer ab Jahrgang 2008 sollen von Anfang 2026 an gemustert werden. Junge Männer wie Frauen erhalten einen Fragebogen vom Bund.
Gegen das neue Gesetz richteten sich die Aufrufe zu den heutigen Schulstreiks. "Wir wollen nicht ein halbes Jahr unseres Lebens in Kasernen eingesperrt sein, zu Drill und Gehorsam erzogen werden und töten lernen", heißt es auf der Homepage der Initiative "Schulstreik gegen Wehrpflicht" (externer Link), Krieg sei "keine Zukunftsperspektive", die Jugend habe "ein Recht, in Frieden zu leben und selbst zu entscheiden, wie wir unser Leben führen wollen". Deshalb werde man am 5. Dezember "nicht zur Schule" gehen, um "gegen Wehrpflicht und alle Zwangsdienste" zu protestieren.
Schülerkonferenz forderte Freistellung vom Unterricht
Die Bundesschülerkonferenz rief Schulen dazu auf, den angekündigten Schulstreik zu unterstützen und Schülerinnen und Schüler "für die geplanten Proteste gegen die Wehrpflicht vom Unterricht freizustellen". Sie dürften nicht dafür bestraft werden, für ihre Meinung auf die Straße zu gehen, erklärte Generalsekretärin Amy Kirchhoff in Berlin. Das Recht, die eigene Meinung öffentlich zu vertreten, sei ein Kernbestandteil der Demokratie.
Politische Bildung finde nicht nur im Klassenraum statt, so die Bundesschülerkonferenz, demokratische Selbstwirksamkeit entstehe oft erst dann, wenn junge Menschen aktiv am Diskurs teilnähmen. Ob jemand den Schulstreik unterstütze oder ablehne, spiele für die Freistellung keine Rolle. "Uns geht es darum, dass junge Menschen ihr verfassungsmäßiges Recht auf Versammlungsfreiheit ausüben können", betonte Kirchhoff. Eine unkomplizierte Freistellung solle daher erfolgen.
Kultusministerium: Schulpflicht gilt ohne Ausnahme
Zu Schulstreik-Aktionen war auch in Bayern aufgerufen worden, unter anderem in München, Nürnberg und Augsburg, aber auch in Landshut, Rosenheim, Eichstätt oder Kempten. Schützenhilfe erhielten die Jugendlichen von der Bildungsgewerkschaft GEW. Wenn sich Schüler aktiv für ihre Interessen einsetzten, sei das ermutigend für die Demokratie, so die GEW-Landesvorsitzende Martina Borgendale. Sie hoffe, dass Lehrkräfte und Schulleitungen die Aktionen unterstützen.
Das Kultusministerium in München betonte hingegen, dass ohne Ausnahme die Schulpflicht gelte. "Zudem gilt: Politische Kundgebungen sind im schulischen Bereich unabhängig vom verfolgten politischen Ziel nicht erlaubt. Deshalb ist eine Teilnahme an einer politischen Kundgebung im Rahmen eines Schulgangs oder auch eine Befreiung vom Unterricht dafür nicht möglich", betonte eine Sprecherin. Das gelte auch für den 5. Dezember "als regulären Schultag".
Der Unions-Verteidigungspolitiker Thomas Erndl (CSU) warnte Schulen davor, Freistellungen für Demonstrationen gegen die Wehrdienst-Pläne zu erteilen. Wenn "dem Schulschwänzen ein Eventcharakter umgehangen" werden solle, habe er dafür kein Verständnis, sagte er der Funke-Mediengruppe.
Lehrerverband: Schüler sind keine Arbeitnehmer
Auch der Deutsche Lehrerverband wies die Schüler auf die Folgen eines unentschuldigten Fehlens im Unterricht hin. "Wer gegen die Reaktivierung der Wehrpflicht demonstrieren möchte, kann dies jederzeit außerhalb der Unterrichtszeit tun", sagte Verbandspräsident Stefan Düll dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Wer unentschuldigt fernbleibe, müsse "mit erzieherischen Maßnahmen bis hin zu einem Verweis" rechnen.
Die Aufrufe der Schülerkonferenz erweckten einen falschen Eindruck, so Düll. "Schulstreiks während der Unterrichtszeit sind rechtlich keine Streiks, da Schülerinnen und Schüler keine Arbeitnehmer sind". Ohnehin werde niemand zum Wehrdienst gezwungen: "Im Grundgesetz ist das Recht auf Verweigerung des Kriegsdienstes mit der Waffe garantiert."
Mit Informationen von DPA und EPD
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