Vier Passagiere und der Pilot starben bei der Implosion eines Tiefsee-Tauchbootes, das im Juni 2023 zur Erkundung des "Titanic"-Wracks aufgebrochen war. Nach zwei Jahren Ermittlungsarbeit hat die US-Küstenwache jetzt ihren Abschlussbericht vorgelegt – mit schweren Vorwürfen gegen die Betreiberfirma des Tauchbootes.
Untersuchungsbericht: Versäumnisse der Tauchboot-Betreiberfirma
Der 335 Seiten lange Untersuchungsbericht der US-Küstenwache sieht schwerwiegende Versäumnisse der Betreiberfirma "Oceangate". Sie habe unter anderen im Konstruktions- und Testverfahren des Tauchbootes namens Titan "grundlegende technische Prinzipien" nicht ausreichend berücksichtigt und Zwischenfälle bei vorherigen Fahrten nicht ausreichend kontrolliert.
Design und Konstruktion hätten zu Mängeln in der strukturellen Integrität geführt. Außerdem habe ein "toxisches Arbeitsumfeld" in der Firma dazu geführt, dass Sicherheitsbedenken nicht geäußert worden seien.
Rush hat laut Küstenwache "fahrlässig gehandelt"
Gegen den bei dem Unglück am Steuer des Tauchbootes sitzenden "Oceangate"-Chef Stockton Rush hätte womöglich eine strafrechtliche Untersuchung eingeleitet werden können, hätte dieser überlebt, schreibt die US-Küstenwache. In seiner Doppelfunktion als CEO und Pilot habe Rush "fahrlässig gehandelt, was zum Tod von vier Personen beigetragen hat".
An Bord der "Titan" waren neben "Oceangate"-Chef Rush (61) der französische Wissenschaftler Paul-Henri Nargeolet (77), der britische Abenteurer Hamish Harding (58), der britisch-pakistanische Unternehmensberater Shahzada Dawood (48) und dessen 19-jähriger Sohn Suleman.
Hinterbliebene: Bericht offenbart falsche Zusicherungen
Auf ihrem Youtube-Kanal kommentiert Christine Dawood die Ergebnisse des Berichts. Die gebürtige Rosenheimerin hat bei dem Unglück ihren Ehemann Shahzada Dawood und ihren gemeinsamen Sohn Suleman verloren. "Im Sommer 2023 stand meine Welt auf dem Kopf. Seitdem war alles verschwommen und taub."
Laut Dawood bestätige der Bericht, wie gefährlich Arroganz, Täuschung und das Verbergen der Wahrheit sein können. Er offenbare falsche Zusicherungen, die den Menschen ein falsches Sicherheitsgefühl vermittelt hätten. Erkenntnisse, die in ihr schon lange präsent waren. "Als ich alle Beweise übersichtlich in einem 335-seitigen Dokument sah, fühlte es sich trotzdem unwirklich an."
Der Unfall werde immer ein Teil ihres Lebens bleiben. Aber der Bericht zeige auch, dass die Tragödie zu Veränderungen führe. "Ich habe mich entschieden, mich nicht von der Wut verzehren zu lassen. Ich entscheide mich, beide zu ehren, indem ich lebe, indem ich unsere Geschichte erzählte, indem ich für Wahrheit und Sicherheit eintrete."
Tauchboot "Titan" galt zunächst als verschollen
Das 6,5 Meter lange Tauchboot war am 18. Juni 2023 zu einer Erkundungstour zum "Titanic"-Wrack aufgebrochen. Nach eindreiviertel Stunden brach der Kontakt zum Tauchboot ab. Das Boot war zunächst verschollen. Die tagelange Suche mit Flugzeugen, Schiffen und Tauchrobotern hielt viele Menschen in Atem und Sorge.
Erst nach vier Tagen stieß ein Tauchroboter in 3.800 Meter Tiefe am Meeresgrund auf die Trümmerteile der "Titan" – knapp 500 Meter vom Wrack der "Titanic" entfernt, die 1912 nach einem Zusammenstoß mit einem Eisberg gesunken war.
Implosion unter enormem Wasserdruck
"Das auslösende Ereignis für diesen Unfall war der Verlust der strukturellen Integrität", schreibt die US-Küstenwache. "Dieser Verlust der strukturellen Integrität führte zur katastrophalen Implosion des Rumpfes." Nach der Implosion seien die fünf an Bord befindlichen Personen einem Wasserdruck von etwa 340 Bar ausgesetzt gewesen, "was zum sofortigen Tod aller fünf Insassen führte".
In ihrem Bericht listet die US-Küstenwache 14 Empfehlungen auf – unter anderem, dass von den Eigentümern von Tauchbooten verlangt werden sollte, vor der Durchführung von Operationen Tauch- und Notfallpläne zu übermitteln.
OceanGate stellte seinen Betrieb zwei Wochen nach der Tragödie ein. Das Unternehmen hatte 250.000 Dollar für einen Sitzplatz in seinem Tauchboot verlangt.
Mit Informationen von dpa und AFP
Video: Bericht von Christine Dawood zum Titan-Unglück
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