CDU-Chef Friedrich Merz (Archivbild)
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Umfragetief: Unionsanhänger "in ihren Grundfesten erschüttert"

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Umfragetief: Unionsanhänger "in ihren Grundfesten erschüttert"

Umfragetief: Unionsanhänger "in ihren Grundfesten erschüttert"

Die Union gibt beim jüngsten DeutschlandTrend nach, die AfD legt auf einen Rekordwert zu. Beide trennen nur noch zwei Prozentpunkte. Stefan Merz von Infratest dimap sieht die Enttäuschung ehemaliger Unionsanhänger als Grund. Ein BR24-Interview.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Union und AfD nähern sich in den Umfragen an, der Abstand schrumpft. Was sind die Gründe für diese Entwicklung? Wir haben Wahlforscher Stefan Merz vom Wahlforschungsinstitut Infratest dimap gefragt. Er sagt, viele Unionswähler seien in ihren zentralen Überzeugungen erschüttert und würden sich mangels anderer Optionen der AfD zuwenden.

BR24: Wird die AfD in absehbarer Zeit die Union überholen und zur stärksten Kraft in den Umfragen werden?

Stefan Merz: Im letzten DeutschlandTrend lag die Union nur noch zwei Prozentpunkte vor der AfD. So nah beieinander hatten wir die beiden bundesweit noch nie. Es ist durchaus im Bereich des Möglichen, dass die AfD sich in einer der nächsten Umfragen vor die Union schiebt. Genauso ist es aber auch möglich, dass der Abstand wieder größer wird.

BR24: Was sind die Gründe für den Einbruch der Union? Uneingelöste Wahlversprechen, die in den Augen vieler Wähler nur die AfD einlösen kann? Das Schuldenpaket? Oder gibt es andere Gründe?

Stefan Merz: Hauptgrund ist sicherlich die 180-Grad-Wende der Union und das gigantische Schuldenpaket, das Union und SPD – man muss fast sagen, in einer Art Nacht- und Nebelaktion – noch durch den alten Bundestag durchgepeitscht haben. Jahrelang hat sich die Union kategorisch weiterer Schulden und einer Reform der Schuldenbremse strikt verweigert.

Es war ja eines ihrer zentralen Wahlversprechen, über eine Reform erst dann überhaupt nachzudenken, wenn an vielen anderen Stellen grundlegende Reformen und Einsparungen verabschiedet sind. Und jetzt kommt als allererstes ein riesiges Schuldenpaket, bevor es eine Einigung über Reformen in anderen Bereichen gibt oder sich auch nur andeutet. Das erschüttert natürlich viele Unionsanhänger in ihren Grundfesten, in ihren zentralen Überzeugungen, warum sie die CDU gewählt haben.

AfD "einzige Option" für enttäuschte Unionsanhänger

BR24: Warum legt die AfD zu?

Stefan Merz: Unionsanhänger, die dieses Vorgehen missbilligen, glauben, keine andere Wahl zu haben als zur AfD zu gehen. SPD, Grüne und Linke kommen nicht infrage, weil sie schon lange für mehr Schulden oder gar eine Abschaffung der Schuldenbremse kämpfen. Aus dieser Sicht scheint nur die einzige Option AfD zu bleiben.

BR24: Im DeutschlandTrend fanden es 82 Prozent der Befragten gut, wenn Politiker und Parteien Kompromisse eingehen. Gleichzeitig hält eine große Mehrheit den Kurswechsel in der Union in der Verschuldungsfrage – der ja auch etwas mit Kompromissfähigkeit zu tun hat – für nicht glaubwürdig. Wie passt das zusammen?

Eindruck einer "einseitigen Kapitulation" der Union

Stefan Merz: Einerseits sind die Einstellungen der Menschen nie widerspruchsfrei, alle sind für Subventionsabbau, aber wehe, es geht um die Subventionen, von denen man selbst profitiert. Dann sieht die Welt gleich anders aus. Andererseits ist derzeit noch kein Kompromiss, der beiden Seiten etwas abverlangt, erkennbar.

Bei den umgesetzten Themen – Schuldenbremse und Grundgesetzänderung – hat sich die Union sehr weit auf die SPD zubewegt. Dass es nun im Gegenzug ein ähnlich großes Entgegenkommen der SPD geben wird, ist derzeit für die Menschen noch nicht erkennbar. Insofern haben viele ehemalige Unionsanhänger den Eindruck, dass es gar keinen echten Kompromiss gibt, sondern dass es eher eine Art einseitige Kapitulation der Union ist.

BR24: Der DeutschlandTrend setzt die Union bei den Koalitionsverhandlungen mit der SPD unter Druck. Die Stimmen mehren sich, weniger nachgiebig gegenüber der SPD zu sein. Werden die Verhandlungen diesen Druck aushalten?

Stefan Merz: Meine Erwartung ist das schon. Natürlich ist die SPD in einer guten Verhandlungsposition, denn Friedrich Merz hat nicht wirklich eine ernsthafte Alternative. Aber auch die SPD hätte durchaus viel zu verlieren, wenn es nicht zu einer Einigung mit der Union kommt.

Die SPD hat ihr historisch schlechtestes Wahlergebnis bei einer Bundestagswahl eingefahren, und trotzdem hat sie die Aussicht, wieder Teil der Bundesregierung zu werden und vermutlich ja auch wieder wichtige Schlüsselressorts zu besetzen.

ARD-Deutschland-Trend: Ergebnisse der Sonntagsfrage

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