Was hat sich seit der Teillegalisierung von Cannabis geändert? "Die Welt ist nicht untergegangen", so fasst Suchtexperte Jakob Manthey vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf die derzeitige Situation zusammen. Er koordiniert die Evaluation des Gesetzes, begleitet die Teillegalisierung wissenschaftlich – jetzt wurde ein erster Zwischenbericht vorgelegt. Bisher sehen die Forscher keinen Handlungsbedarf. Viele Befürchtungen haben sich bislang nicht bestätigt. Erste Trends liefert der Bericht aber.
Erwachsene konsumieren mehr, Jugendliche weniger
Beim Konsum ergeben sich zwei unterschiedliche Entwicklungen: Unter Erwachsenen setzt sich der schon vor der Teillegalisierung erkennbare Trend fort, dass immer mehr Menschen Cannabis konsumieren. Bei Jugendlichen ist es genau umgekehrt: Dort war der Konsum bereits in den Jahren vor der Reform rückläufig. Dieser Trend hat sich auch nach der Teillegalisierung nicht geändert. Eine "Konsumwelle" ist also insgesamt ausgeblieben. Gleichzeitig betonen die Forscher, dass zu den langfristigen gesundheitlichen Folgen wie chronischen Problemen oder Unfällen noch keine gesicherten Aussagen möglich sind.
Auch beim Jugendschutz lassen sich laut Forschern bisher keine negativen Entwicklungen feststellen. Cannabisvergiftungen bei Kindern und Jugendlichen waren und bleiben äußerst selten. Was die Forscher auch sehen: weniger Meldungen an Jugendämter und weniger Jugendliche gehen zu Suchtberatungen, um sich über Cannabis beraten zu lassen. Für Bayerns Gesundheitsministerin Judith Gerlach (CSU) ist das ein Warnsignal für den Kinder- und Jugendschutz: "Eine Verharmlosung von Cannabis als normales Konsummittel dürfen wir nicht hinnehmen, denn für die Gesundheit gilt: Der beste Schutz ist, nicht zu konsumieren."
Mehr medizinischer Import und Eigenanbau
Ob über die Teillegalisierung der Schwarzmarkt zurückgedrängt wurde, lässt sich noch nicht genau sagen. Allerdings wurde mehr medizinisches Cannabis importiert und der Eigenanbau hat verschiedenen Studien zufolge zugenommen. Es lasse sich daher zumindest schlussfolgern, dass der Schwarzmarktbereich zurückgegangen sein müsse, so Jakob Manthey im BR24-Gespräch.
Nur weniger als ein Prozent des gesamten Cannabis-Bedarfs machen Anbauvereinigungen aus – sie sind seit Juli 2024 erlaubt, sogenannte Cannabis-Clubs. Der Suchtexperte fasst zusammen: "Momentan werden Anbauvereinigungen kaum einen Beitrag zur Verdrängung des Schwarzmarktes leisten."
Bayern und die Cannabis-Clubs
Bundesweit gab es zuletzt rund 300 Anbauvereinigungen – in Bayern sind zwar acht genehmigt, allerdings versorgt kein einziger Cannabis-Club seine Mitglieder dauerhaft mit Cannabis – die Abgabe wurde von mehreren Landratsämtern aus baurechtlichen Gründen untersagt. Verhindert Bayern somit über das Baurecht Cannabis-Clubs? Ministerpräsident Markus Söder (CSU) schreibt auf BR-Nachfrage: "Ich finde einen restriktiven Kurs richtig. Jeder muss sich ans Baurecht halten, auch solche Cannabis-Clubs."
Jakob Manthey vom Forschungs-Team spricht von einer generell restriktiven Umsetzung in Deutschland, sodass es kaum zu entsprechenden Genehmigungen bzw. Anträgen komme. Wenn der Gesetzgeber priorisiere, den Schwarzmarkt schnell zu verdrängen, müssten Rahmenbedingungen vereinfacht und bundesweit vereinheitlicht werden. Klar sei auf Basis der Daten: Von einer wirklichen Verdrängung könne bislang keine Rede sein.
Cannabis-Teillegalisierung verändert Alltag der Polizei
Die Teillegalisierung verändert auch den Alltag der Polizei: Erwachsene Konsumenten werden weniger kriminalisiert, gleichzeitig haben die Beamten neue Aufgaben. Sie müssen prüfen, ob etwa in der Nähe von Schulen konsumiert wird oder ob Kinder anwesend sind. Nach Angaben des Berichts ist die Zahl der registrierten Cannabisdelikte deutlich gesunken – von rund 215.000 auf etwas mehr als 100.000 Fälle. Polizisten beklagen jedoch, dass die erlaubte Besitzmenge von 25 Gramm Ermittlungen gegen den illegalen Handel erschwere. Hinzu kämen praktische Probleme bei der Kontrolle der Konsumverbote.
Cannabis-Teillegalisierung: Wackelt das Gesetz?
Gesundheitsministerin Nina Warken (CDU) erklärte, diese Kritik ernst zu nehmen und darüber sowohl mit den Sicherheitsbehörden als auch mit den Koalitionspartnern zu sprechen. Gleichzeitig kündigte sie eine Verschärfung beim medizinischen Cannabis an: Da sich der Verbrauch durch Onlineverordnungen im Jahresvergleich verdreifacht hat, soll die Möglichkeit, Rezepte digital über Online-Apotheken einzulösen, gestrichen werden. Ob das umgesetzt wird, ist noch offen.
Das Fazit des Zwischenberichts: Ein dringender Handlungsbedarf bestehe nicht. Politisch bleibt die Lage damit offen: CDU und CSU hatten im Wahlkampf für eine Rücknahme plädiert, doch im Koalitionsvertrag einigten sich Union und SPD schließlich auf eine ergebnisoffene Überprüfung. Das Gesetz sieht ohnehin weitere wissenschaftliche Bewertungen bis 2028 vor. Von einer schnellen Abschaffung ist derzeit keine Rede – auch wenn Unions-Ministerpräsidenten wie Markus Söder die Teillegalisierung weiterhin als "großen Fehler" der Ampel-Regierung kritisieren.
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