"Wir sind Kirche" fordert nun seit 30 Jahren Reformen in der katholischen Kirche.
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Bildrechte: picture alliance / epd-bild | Thomas Lohnes
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Weniger Engagierte, mehr Reformstau: 30 Jahre "Wir sind Kirche"

Weniger Engagierte, mehr Reformstau: 30 Jahre "Wir sind Kirche"

Seit 30 Jahren kämpfen Katholiken in der Kirchenvolksbewegung "Wir sind Kirche" für Reformen. Ihre Forderungen nach mehr Mitsprache, Frauenweihe und Zölibats-Lockerung sind ungebrochen aktuell. Doch immer Weniger engagieren sich in der Initiative.

Über dieses Thema berichtet: BR24 TV am .

Am Anfang stand die "Affäre Groër" – in Österreich: 1995 wandten sich ehemalige Schüler des damaligen Wiener Erzbischofs und Kardinal Hans Groër an die Öffentlichkeit. Ihr Vorwurf: Groër habe sie in seiner Zeit als Studienpräfekt am Knabenseminar Hollabrunn sexuell belästigt oder missbraucht. Später wurden weitere Vorwürfe öffentlich, die Groër ebenso vehement bestritt. Rückendeckung erhielt er zunächst vom Vatikan – bis sein späterer Nachfolger, Kardinal Christoph Schönborn, eingestehen musste, dass die "Vorwürfe im Wesentlichen zutreffen".

2,3 Millionen Unterschriften für Reformen

Die "Affäre Groër" führte nicht nur zu einem schweren Imageverlust der katholischen Kirche in Österreich und einer Rekordzahl an Austritten. Sie rief auch von Anfang an eine empörte Kirchenbasis auf den Plan – weit über Wien und Österreich hinaus. Engagierte Laien wollten eine grundlegende Erneuerung der katholischen Kirche. Auch bei Christian Weisner aus Dachau brachen die Dämme: "Ich habe gesagt: Das kann doch nicht der Wille Gottes sein, dass wir alle nach strengen Formen, nach strengen Dogmen ein zwangsweises Glaubensleben führen."

Engagierte aus Deutschland, Österreich und Südtirol sammelten im Rahmen eines Kirchenvolksbegehrens mehr als 2,3 Millionen Unterschriften für eine Reform der katholischen Kirche. Die Forderungen gingen weit über eine Aufklärung des konkreten Missbrauchsfalls hinaus: mehr Mitbestimmung von Laien, gleiche Rechte und gleiche Ämter für Frauen in der Kirche, Abschaffung des Pflichtzölibats, eine positive Sexualmoral und eine "Frohbotschaft statt Drohbotschaft".

"Wir sind Kirche"-Vorsitzende mit Ehemann exkommuniziert

Im Nachgang des Kirchenvolksbegehrens gründete sich die Gruppe "Wir sind Kirche". In Düsseldorf gab sie sich ihr Statut: Ziel war und ist der Aufbau einer geschwisterlichen Kirche. Die Reaktionen von Bischöfen fielen hart aus: Kardinal Joseph Ratzinger, damals Vorsitzender der Glaubenskongregation in Rom und später Papst Benedikt XVI., sagte 1997, die Forderungen stünden im offenen Gegensatz zur kirchlichen Ordnung. 2014 wurden die Vorsitzende von "Wir sind Kirche" in Österreich, Martha Heizer, und ihr Ehemann sogar exkommuniziert: Die beiden hätten privat Eucharistie-Feiern ohne Priester abgehalten.

30 Jahre nach der Gründung von "Wir sind Kirche" ringen die Katholiken in Deutschland immer noch um dieselben Themen: Aufarbeitung des Missbrauchs, Gleichberechtigung von Frauen und das Pflichtzölibat. In all diesen Punkten wollte auch der Synodale Weg weiterkommen, den das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) und die deutschen Bischöfe nach Bekanntwerden des Missbrauchsskandals hierzulande bestritten haben.

Weniger Engagierte, mehr Reformthemen

Weitergekommen ist man in den Punkten nicht, zumal sie auch an Rom hängen, wo im Pontifikat von Papst Franziskus Signale in verschiedene Richtungen ausgingen. Wohin Leo XIV. seine Kirche steuert, ist noch ungewiss. Laut "Wir sind Kirche"-Mitstreiter Konstantin Bischoff vom Seelsorgeteam an der Herz Jesu-Kirche in München hätten sich inzwischen viele damit abgefunden, dass sich sowieso nichts ändert, "leider", sagt der Pastoralreferent.

Hinzu kommt: Der Reformbewegung fehlt es an Nachwuchs. Die meisten Aktiven sind mittlerweile in die Jahre gekommen, dabei werden die Reformthemen nicht weniger: Hinzugekommen ist beispielsweise das Thema Homosexualität, bei dem sich Reformkräfte in der katholischen Kirche auch eine dogmatische, statt nur eine vorsichtig seelsorgliche Öffnung erhoffen. Christian Weisner jedenfalls zehrt noch heute von der Euphorie des Anfangs: "Das ist eine Aufbruchstimmung damals gewesen, das hören wir immer wieder, die jüngere Menschen nicht nachvollziehen können. Umso mehr ist es unsere Aufgabe, dieses Feuer weiterzugeben."

Mehr Mitsprache für Laien, volle Gleichberechtigung von Frauen und eine Abschaffung des Pflichtzölibats: Viele Forderungen von damals sind heute noch aktuell. Was hat sie also erreicht, die katholische Reformbewegung – und wie wird es weitergehen?
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Mehr Mitsprache für Laien, Gleichberechtigung von Frauen und eine Abschaffung des Pflichtzölibats: Die Forderungen von damals sind noch aktuell.

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