Seit 2022 hatte die scheinbar stetige Erfolgskurve der Kunstmarktpreise eine deutliche Delle: In der Folge von Corona, aber auch unter dem Eindruck weltweiter Kriege und Krisen, sanken die Umsätze der internationalen Kunstauktionen bis zum vergangenen Frühjahr um ein Viertel. Von Rekorden keine Spur! Doch in diesem Herbst änderte sich das plötzlich: Gustav Klimts "Bildnis der Elisabeth Lederer" wurde in New York mit 236 Millionen Dollar zum zweitteuersten Gemälde aller Zeiten. Frida Kahlo ist jetzt die "teuerste" Künstlerin mit 55 Millionen. Und heute Abend stehen bei Karl und Faber und morgen bei Ketterer in München Auktionen an, bei denen auch hohe Preise erzielt werden könnten.
Ein doppelseitig bemalter Max Pechstein
Angeboten wird etwa ein doppelseitig bemalter Max Pechstein - für den zwei bis drei Millionen Euro geboten werden könnten. Auf der einen Seite ein hübsches Stillleben mit Früchten, auf der anderen aber ein erotisch aufgeladenes Hauptwerk des Künstlers aus dem gleichen Jahr 1910: Inder mit Frauenakt.
Das Gemälde stamme aus einer Privatsammlung, sagt Agnes Thum, die Provenienzforscherin des Auktionshauses Ketterer. Als es 1986 aus dem Nachlass von Alfred Eisenlohr angekauft wurde, habe man entdeckt, dass es eigentlich zwei Gemälde sind. Eisenlohr war einer der Teilhaber des Piper-Verlags in München. "Und er hatte dieses Werk schon sehr früh, wahrscheinlich bald nach der Entstehung und direkt vom Künstler gekauft. Wir haben, um herauszufinden, wann genau er das gekauft hat und wie die Umstände waren, im Nachlass des Piper-Verlags recherchiert, im Literaturarchiv in Marbach und haben einen sehr interessanten Schriftwechsel gefunden."
Künstler wollten Material sparen
Künstler wie Max Pechstein mussten 1910 Material sparen. Er hatte deshalb den nackten Inder weiß überstrichen und auf die andere Seite das besser verkäufliche Früchtestilleben aufgebracht, das Eisenlohr dann gekauft hatte. Indes: Fünf Jahre später wurde es ihm wohl unheimlich. Denn es habe den Verdacht gegeben, dass es 1915 in der Wohnung von Eisenlohr gespukt habe, erzählt Thum. Die Haushälterin habe Schritte gehört. Eine Badewanne sei eingelassen gewesen. "Und Alfred Eisenlohr hat Angst um sein wertvolles Pechstein-Gemälde bekommen. Und wir haben dann intern in der Provenienzabteilung schon immer den Witz gemacht, dass sich wahrscheinlich der übermalte Inder auf diesem Gemälde eine Badewanne eingelassen hatte, um sich von seiner Bemalung zu befreien."
Wer also morgen im Auktionshaus Ketterer in München den doppelseitigen Pechstein erwirbt, der bekommt gleich noch ein wenig Geisterwelt dazu. Heute Abend versteigert Rupert Keim bei Karl & Faber ein weiteres Doppelbild aus der Künstlergruppe "Die Brücke". Hier wollte Ernst Ludwig Kirchner Leinwand sparen und malte auf die eine Seite bereits 1909 eine Landschaft sowie auf der anderen Seite 1931 in der Schweiz eine akrobatische Tänzerin. "Das hing jetzt 60 Jahre in Oberbayern in einem Haus. Und keiner hat das wirklich wahrgenommen über die Jahrzehnte", sagt der Auktionator Rupert Keim.
2024 war verhalten, seit Sommer 2025 geht es aufwärts
Der Schätzpreis liegt hier übrigens zwischen 800.000 und einer Million Euro. Wenn man beide Seiten gleichzeitig sehen will, müsste man sie allerdings in eine Art Scharnier hängen. Oder man wechselt je nach Tageslaune und Jahreszeit die Seiten. Rupert Keim ist auch Präsident des Bundesverbandes Deutscher Kunstversteigerer. Seine abschließende Beurteilung für das Jahr 2024 fällt eher zurückhaltend aus. Der Auktionsmarkt sei um 25 Prozent runtergegangen. "Aber in erster Linie wurden die sehr teuren Bilder – zehn Millionen Dollar aufwärts – weniger verkauft. Was sich ganz gut gehalten hat, war der sogenannte Mittelmarkt, wie immer man ihn auch definiert, wir sagen Werke zwischen 10.000 und 50.000 Euro. Der hat sich solide gehalten."
Seit dem Sommer 2025 spüre Keim aber generell "bei den Auktionen eine absolute Trendwende, die sich auch noch mal manifestiert hat in diesem Herbst. Die Auktionen gehen besser wieder." Es werde mehr nachgefragt.
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