Zwei Meinungen, zwei Weltanschauungen, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten: "Wenn man bedenkt, dass sie alles aufs Spiel gesetzt haben, geht es ihnen sehr mies. Ihre Wirtschaft geht den Bach runter. Ich denke, das ist sehr schlecht für den Ruf Russlands", so US-Präsident Donald Trump [externer Link] über den Zustand von Putins Kriegswirtschaft.
- Zum Artikel: Bad Bromance: "Putin braucht Trump für den Sieg"
Gleichzeitig heißt es von Kreml-Sprecher Dmitri Peskow [externer Link]: "Die Wirtschaft weist eine relativ hohe Wachstumsrate auf. Natürlich gibt es auch hier Herausforderungen. Tatsächlich hat in der heutigen Welt jede Volkswirtschaft mit gewissen Schwierigkeiten zu kämpfen. Aber insgesamt ist Stabilität sichtbar."
Experte: Wachstum nur bei Drohnen-Produktion
Der auch im Westen veröffentlichende russische Politologe Wladislaw Inosemtsew warnte unterdessen davor [externer Link], den "Bezug zur Realität zu verlieren". Von einer Wirtschaftskrise könne in Russland (noch) keine Rede sein, auch die Erhöhung der Mehrwertsteuer zum 1. Januar 2026 werde sie "nicht zum Einsturz bringen".
Inosemtsew erinnerte an den Zweiten Weltkrieg, als die Alliierten mit "mittelmäßigem Erfolg" versucht hätten, Deutschlands Industrie zu zerstören: "Heute ist der Westen praktisch nicht in der Lage, Sanktionen gegen Russland zu verhängen, ohne seiner eigenen Wirtschaft zu schaden, was den Sanktionsprozess unweigerlich ins Stocken bringt." Kriege würden nie "an der Heimatfront" gewonnen oder verloren.
Dagegen warnt der russische Wirtschaftsfachmann Igor Lipsitz [externer Link]: "Von 24 Branchen schreiben nur noch sechs schwarze Zahlen, und davon sind nur vier von grundlegender Bedeutung. Die Dynamik verschlechtert sich weiter. Den Hauptbeitrag zum Wachstum leistet die Drohnen-Produktion. Sie ist das einzige Industriesegment, das ohne Unterbrechung exponentiell wächst."
"Wirtschaft ertrinkt in Schulden"
Andere russische Kommentatoren gehen davon aus [externer Link], dass jedes dritte Unternehmen vor der Insolvenz stehe: "Die Wirtschaft ertrinkt in Schulden. Die gegenseitigen Zahlungsausfälle nehmen zu und die Zahlungskette bricht zusammen. Was heißt das? Anstatt in ihre Entwicklung zu investieren, sind russische Unternehmen gezwungen, Geld für die Bedienung teurer Kredite auszugeben."
Russland nähere sich dem Moment, "in dem der Kaiser wieder mal nackt dastehen" werde, spottete einer der Polit-Blogger, während Putin selbst immer häufiger von "offenkundig schwierigen Zeiten" spricht [externer Link] und Gouverneur der russisch besetzten Krim offen einräumte, der Grund für den derzeitigen Treibstoffmangel seien kriegsbedingte Lieferengpässe.
Peter Jungblut beobachtet für BR24 Kultur die Debatten hinter den Meldungen rund um den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine.
Die Mehrwertsteuererhöhung werde Putin keineswegs mehr Einnahmen bringen, heißt es bei einem der tonangebenden Wirtschaftsblogger [externer Link]: "Die Verbrauchernachfrage sinkt, das ist eine Tatsache. Der Konsum von Milch, Butter und Joghurt ist bereits zurückgegangen. Der Konsum der Mittelschicht ist ebenfalls rückläufig." Autos und Wohnungen würden ebenfalls kaum noch verkauft.
"Söldnerverträge verbessern finanzielle Situation"
Womöglich komme die angespannte Wirtschaftslage in gewisser Weise dem Kreml sogar zugute, argumentiert einer der größten (389.000 Fans) anonymen russischen Telegram-Kanäle [externer Link]: "Mehr als 60 Prozent der Russen konnten drei Jahre in Folge keine Ersparnisse beiseitelegen, was zu einer erhöhten Verschuldung führt und sich negativ auf die Demografie auswirkt. Für Männer aus solchen Familien ist ein Söldnervertrag mit Sozialleistungen eine der wenigen Möglichkeiten, ihre finanzielle Situation zu verbessern. Die erhöhte Steuerlast erweitert somit gleichzeitig den potenziellen Teilnehmerkreis an Spezialoperationen."
Fachleute wie Wladimir Klimanow vom Zentrum für Regionalpolitik sagten bei einer Umfrage eines russischen Fachportals [externer Link] vorsichtig: "Es wird immer schwieriger, das Defizit des Bundeshaushalts in akzeptablen Grenzen zu halten."
"Wie bei einem starken Trinker"
Für die Amsterdam erscheinende "Moscow Times" analysierte Wladimir Ruwinski ironisch [externer Link]: "Es ist wie bei einem starken Trinker. Er geht regelmäßig zum Arzt, der ihm Medikamente verschreibt, die ihm vorübergehend helfen. Er entgiftet regelmäßig, um am Leben und leistungsfähig zu bleiben. Doch der Patient durchbricht den Teufelskreis nicht, und der Arzt kann ihm weder das Trinken ausreden, noch kann er etwas Positives darüber sagen – dasselbe lässt sich in Russland über die exzessiven Finanzspritzen für den Krieg sagen. Es ist nicht schwer zu erraten, wie diese Geschichte ausgeht."
Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!