Symbolbild: Menschen im Anzug stoßen mit Champagner an.
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Warum trinken vor allem gebildete Menschen zu viel Alkohol?

Warum trinken vor allem gebildete Menschen zu viel Alkohol?

"Möge es dir nutzen" ist die wörtliche Bedeutung des Trinkspruchs "Prost". Doch von Nutzen kann keine Rede sein: Jeder Schluck Alkohol schadet laut Studien der Gesundheit. Und doch greift jeder Dritte zu oft zum Glas - vor allem gebildete Menschen.

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Während in München auf der Wiesn - beim größten Volksfest der Welt - rund sieben Millionen Maß Bier geleert werden, hat das Robert-Koch-Institut (RKI) eine aufsehenerregende Studie (externer Link) veröffentlicht. Nahezu jeder dritte Erwachsene in Deutschland konsumiert demnach Alkohol in gesundheitsschädlichem Ausmaß. Schon drei bis sechs alkoholische Getränke pro Woche können laut RKI ein moderates oder sogar hohes Krankheitsrisiko zur Folge haben. Warum ist Trinken noch immer gesellschaftlich anerkannt - und welche Gruppen greifen besonders häufig zur Flasche?

Ein Glas Wein am Tag ist schon länger nicht mehr "okay"

"Früher war es so, dass man gesagt hat: 'Ungefähr ein Glas Wein pro Tag ist okay.' Aber das hat man jetzt schon ziemlich lange zurückgenommen, seit ungefähr fünf Jahren", sagt Gabriele Koller im Gespräch mit BR24. Sie leitet die Suchtambulanz des LMU Klinikums in München. Mittlerweile sagt auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO): Es gibt keinen für die Gesundheit unbedenklichen Alkoholkonsum (externer Link). Mit jedem Schluck steigt das Risiko zum Beispiel für Krebserkrankungen, Herz-Kreislauf-Probleme, Leberschäden und nicht zuletzt für eine Abhängigkeit.

Alkohol - verankert in Kultur und Geschichte

All das ist bekannt. Und dennoch können sich die Wiesn-Wirte derzeit nicht über mangelnde Kundschaft beklagen. "Gerade der Alkohol ist etwas, was sehr in unserer Kultur verankert ist", erklärt Suchtmedizinerin Koller. Der Griff zum Bierkrug beim Feiern ist also gewissermaßen gelerntes soziales Verhalten. Es zeigt sich aber auch: Bei jüngeren Menschen ist Alkohol weniger angesagt. Ist in der Zukunft eine Gesellschaft denkbar, die gar nicht mehr trinkt? Die Expertin zweifelt: "Das glaube ich nicht - wenn man sich überlegt, wie lange der Alkohol die Menschen schon begleitet." Überlieferungen zufolge wurde bereits beim Bau der Pyramiden Bier zur Motivation ausgeschenkt.

Studie: Gebildete Menschen trinken mehr

Die RKI-Studie, für die mehr als 22.000 Erwachsene telefonisch befragt wurden, wie oft und wie viel Alkohol sie trinken, bringt noch weitere Erkenntnisse zutage: Demnach trinken Menschen mit einem höheren Bildungsstand mehr als Menschen, die einer niedrigeren Bildungsschicht angehören. Sollten sie es nicht besser wissen? "Das ist kein typischer Befund für Deutschland, wir sehen das auch in anderen Ländern", ordnet RKI-Medizinerin Julika Loss ein. Interessant sei aber, dass dieser Zusammenhang nur für Alkohol gilt. Erhöhter Tabakkonsum oder anderes Risiko-Verhalten lasse sich eher mit weniger gebildeten Menschen in Verbindung bringen.

Mehrere Gründe für Alkoholkonsum unter Gebildeten

Der Forscher David Batty und seine Kollegen von der University of Glasgow, die 2008 in einer Studie zu ähnlichen Ergebnissen gekommen sind (externer Link), bieten eine Erklärung an: Gebildete Menschen haben demnach eher erfolgreiche Jobs und dies wiederum erfordere eine Bereitschaft, oft bei geselligem Beisammensein zu trinken. Trunksucht, das zeigt die Studie ebenfalls, ist besonders weit verbreitet unter Frauen in Führungspositionen. Der Machtkampf in einer Männerdomäne, so die Forscher, könnte bei ihnen dazu beitragen, dass häufiger zur Flasche gegriffen wird. Das US-Meinungsforschungsinstitut Gallup hat noch weitere Erklärungen: Menschen mit höherem Bildungsgrad können sich Alkohol schlichtweg eher leisten. Zudem nehmen sie häufiger an Aktivitäten teil, bei denen getrunken wird.

Was muss sich ändern?

Was muss also passieren, damit weniger Menschen sich den gesundheitlichen Risiken von Alkohol aussetzen? Wichtig sei es, die Verantwortung nicht nur auf jeden Einzelnen abzuschieben, sagt RKI-Medizinerin Loss. "Ich finde, auch die Politik ist gefragt, dass wir zum Beispiel Warnhinweise auf Etiketten oder auf Verpackungen drucken, wie wir das vom Tabak her kennen", schlägt sie vor. Ihrer Ansicht nach sollte man auch darüber nachdenken, Werbung stärker zu regulieren: "Die Alkoholindustrie gibt pro Jahr ungefähr eine halbe Milliarde Euro für Marketing aus."

Und wie steht die Expertin zum Oktoberfest? "Es ist natürlich schwierig, Dinge zu verteufeln, die kulturell verankert sind", räumt Loss ein. "Ich denke aber, dass wir als Gesellschaft mal überlegen sollten, wie stark bei uns Dinge wie Gemeinschaft, Geselligkeit und Ausgelassenheit mit dem Konsum von Alkohol verknüpft sind und ob das eigentlich so sein muss."

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