Zwei Jugendliche stehen sich im Türrahmen gegenüber. Keiner weiß, was er sagen soll. Der eine fragt ChatGPT: "Wie soll ich Hallo sagen?" Der andere tippt: "Der Typ hat mir gerade Hallo gesagt, was soll ich zurücksagen?" Eine Minute lang können sie nicht miteinander sprechen, ohne die KI zu befragen.
Das Video ist ein Sketch fürs Internet – auf der Plattform TikTok (externer Link). Doch es trifft einen Nerv. Tatsächlich nutzen immer mehr Menschen Chatbots wie ChatGPT für alltägliche Entscheidungen. Ob Verkehrsmittel-Wahl, Essens-Planung oder Karriere-Fragen – die KI wird zum digitalen Berater für die vielen Entscheidungen, die wir täglich treffen müssen.
Wenn ChatGPT "aus dem Bauch" entscheidet
Doch wie trifft ChatGPT eigentlich Entscheidungen? Die Antwort ist ernüchternd: gar nicht systematisch. Generative KI-Systeme wie ChatGPT funktionieren als hoch entwickelte Textgeneratoren, die das wahrscheinlichste nächste Wort vorhersagen. Sie entscheiden nicht durch sorgfältige Datenanalyse, sondern eher "aus dem Bauch heraus" – ähnlich wie Menschen.
Das zeigt sich in einem simplen Experiment: Bittet man ChatGPT um eine Zufallszahl zwischen 1 und 10, kommt überdurchschnittlich oft die "7" – genau wie bei Menschen auch. Die KI reproduziert menschliche Denkverzerrungen, statt sie zu überwinden.
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Decision Intelligence: Wenn Daten wirklich rechnen
Anders funktionieren spezialisierte Decision Intelligence-Systeme. Diese Systeme analysieren strukturiert riesige Datenmengen und werten automatisiert aus, anstatt nur "aus dem Bauch" zu entscheiden.
Für den privaten Alltag ist das weniger relevant – wohl aber in großen Unternehmen. Dort funktioniert Decision Intelligence vor allem dann, wenn die Künstliche Intelligenz mit der menschlichen kombiniert wird: "Decision Intelligence beschreibt für mich das Zusammenspiel von Mensch und Maschine", sagt Thorsten Heilig, Gründer des Decision Intelligence-Unternehmens Paretos. "Also die Entscheidung zu treffen, mit Hilfe von der Technologie, gepaart mit dem Expertenwissen des Menschen".
Solche Systeme kommen bereits erfolgreich in Lieferketten zum Einsatz. Ein Supermarkt kann heute Hunderte von Datenpunkten einbeziehen: Kaufhistorie, Saisonalität, Urlaubszeiten, Wetter – und daraus präzise berechnen, was er bestellen sollte.
Wo Menschen und Maschinen ihre Stärken haben
Oft sind Daten dabei schneller im Erkennen neuer Trends als ein Mensch ist. Heilig nennt ein Beispiel aus der Praxis: "In unserer Firma nennen wir das das Radieschenbeispiel, weil das bei einem Kunden so war. Das war ein Großhändler, der meinte: 'So viele Radieschen werden nie bestellt.' Er hat dann weniger bestellt, weniger nachgekauft – und am Ende wurden doch sehr viele geordert. Er musste teuer nachbestellen."
Umgekehrt können Menschen bei unvorhersehbaren Ereignissen die Nase vorn haben: "Es gibt aber auch das Gegenteil", so Heilig. "Das große Beispiel ist ja immer der Suezkanal: Wenn da ein Schiff quer steht – sogenannte Black-Swan-Events – dann haben solche Ereignisse einen enormen Einfluss", so Heilig. "Und da ist es oft die Intuition, die hilft, und da ist der Mensch manchmal besser und kann gut reagieren."
ChatGPT als Entscheidungshilfe der Zukunft?
Die Zukunft könnte in einer Kombination beider Ansätze liegen: Spezialisierte Systeme treffen datenbasierte Entscheidungen, während generative KI diese komplexen Prozesse für Menschen verständlich macht. So würde ChatGPT nicht zum Entscheidungsträger, sondern zum Übersetzer zwischen Mensch und Maschine.
Bis es so weit ist, bleibt die Erkenntnis: KI kann Menschen bei Entscheidungen unterstützen – aber ersetzen sollte sie nicht. Zumindest nicht beim Hallo sagen.
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