Ein Portraitfoto des FDP-Politikers Gökhan Akkamis vor einem Foto der Bremischen Bürgerschaft, deren Abgeordneter er ist.
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Gökhan Brandt sitzt für die FDP in der Bremischen Bürgerschaft
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Gökhan Brandt sitzt für die FDP in der Bremischen Bürgerschaft

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Abgeordneter in Teilzeit: Lohnt sich Politik neben dem Job?

Abgeordneter in Teilzeit: Lohnt sich Politik neben dem Job?

Gökhan Brandt sitzt in der Bremischen Bürgerschaft - in Teilzeit. Bezahlt wird weniger, gearbeitet wird trotzdem viel. 60 Stunden kommen in einer Sitzungswoche locker zusammen. Lohnt sich ein Mandat in einem sogenannten Feierabendparlament?

Über dieses Thema berichtet: Lohnt sich das? am .

Ex-FDP-Chef Christian Lindner fuhr früher gerne mal mit dem Porsche vor. Das ist bei Lindners Parteifreund Gökhan Brandt nicht drin. Stattdessen fährt er heute mit dem Auto seiner Frau zur Bremischen Bürgerschaft, seinem "Teilzeitarbeitgeber". Der 27-jährige Liberale ist einer der jüngsten Abgeordneten des Stadtparlaments für Bremen und Bremerhaven – und damit Teilzeitpolitiker in einem der wenigen sogenannten Feierabendparlamente in Deutschland. Das bedeutet für ihn: öffentliche Verantwortung, viel Arbeit, aber weniger Geld als andere Abgeordnete.

Warum nur in Teilzeit?

Ein Grund für diese Organisationsform: Bremen ist für ein Vollzeitparlament zu klein. Nur knapp 600.000 Menschen wohnen in Deutschlands kleinstem Bundesland. Die Bürgerschaft wurde daher bewusst so konzipiert, dass normale Berufstätige die Politik des Stadtstaats mitgestalten können. Als Abgeordneter erhält Gökhan Brandt seit einer Anhebung im Juli 2025 eine Diät in Höhe von 6.369 Euro brutto im Monat und damit deutlich weniger als seine Kolleginnen und Kollegen in anderen Bundesländern. In Bayern liegt die Abgeordnetenentschädigung bei knapp 10.178 Euro, zuzüglich einer steuerfreien Kostenpauschale in Höhe von gut 4.333 Euro.

60 Stunden sind normal

In seiner Fraktion ist Gökhan Brandt hauptverantwortlich für die Bereiche Wirtschaft, Arbeit, Gleichstellung und Hafenpolitik. Wenn er sich nicht gerade mit den Ausschussunterlagen auseinandersetzt oder im Plenum Reden vorbereitet, telefoniert er, besucht Demonstrationen oder trifft Menschen, um ihre Perspektiven zu verstehen. In einer Sitzungswoche können das schnell 60 Stunden werden. Wer glaubt, Teilzeit bedeute halbe Kraft, täuscht sich: "Man muss alles machen – und davon ganz viel", meint Brandt. Die Unterlagen für Ausschüsse kommen oft erst einen Tag vorher, dazu Pressearbeit, Social Media und politische Strategie. Und als Oppositionspolitiker sei man oft auch der "Bösewicht", der unbequem nachfragt, so der FDP-Mann. Er sehe es als seine Aufgabe, die Regierung – in Bremen aktuell Rot-Rot-Grün – zu kontrollieren, Missstände aufzuzeigen und unbequeme Fragen zu stellen. "Das ist zwar scheiße, aber einer muss es ja machen."

Politik ohne Sicherheit

Eine langfristige Sicherheit bietet das Mandat nicht. Fliegt die FDP bei der nächsten Wahl in zwei Jahren aus der Bürgerschaft, ist auch Gökhan Brandt draußen. Und weil Bremen kein Übergangsgeld zahlt, steht er dann von heute auf morgen ohne Einkommen da. "Als Politiker fällt man hart", gibt er offen zu. Deshalb arbeitet er zusätzlich als selbstständiger IT-Berater – mit überschaubarem Erfolg. Im April hat er 1.500 Euro Umsatz gemacht, nach Abzug aller Kosten bleiben ihm rund 525 Euro. Viel ist das nicht, aber es hilft. "Ich brauche das Geld Gott sei Dank nicht", sagt er, "aber es ist ein Ausgleich."

Hohe Verantwortung – viel Sinn

Trotz aller Belastungen liebt Gökhan Brandt seinen Job. Er kommt selbst aus einfachen Verhältnissen, seine Mutter war Fabrikarbeiterin. Themen wie Arbeitslosigkeit oder Strukturwandel sind für ihn keine fremde Theorie. Bei einer Demo für die Transformation eines Bremer Stahlwerks wird er emotional: "Ich kann total nachvollziehen, was das für die Leute bedeutet." Politik ist für ihn kein Selbstzweck, sondern eine Chance, konkret etwas zu verändern. Manchmal zweifelt er an sich, an seiner rhetorischen Stärke oder seiner fachlichen Kompetenz im Vergleich zu anderen. Aber er nimmt die Verantwortung an. "Den Job habe jetzt ich – und ich versuche, ihn so gut wie möglich zu machen."

Fazit: Lohnt sich das?

Gökhan Brandt verdient mit Politik weniger als viele Kolleginnen und Kollegen in anderen Landtagen. Dafür trägt er viel Verantwortung – und das bei unsicherer Perspektive. Trotzdem ist für ihn klar: Der Job lohnt sich. Für ihn persönlich. Für seine Themen. Und für seine Wählerinnen und Wähler.

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