Wie viele Gläubiger und Aktionäre der BayWa im Gasthaus Paulaner auf dem Nockherberg erscheinen, ist unklar. Viele Banken, Investoren und auch Kleinaktionäre lassen sich von Anwälten vertreten. Sicher ist: Der Termin, zu dem das Amtsgericht München eingeladen hat, ist für die BayWa entscheidend. Es geht um den Fortbestand des krisengeschüttelten Unternehmens. Stimmen die Gläubiger und Aktionäre auf der Versammlung dem Sanierungsplan nicht zu, droht die Insolvenz.
Denn dann könnten Banken und Investoren schon Ende Juni die Rückzahlung von Darlehen in Höhe von 1,4 Milliarden Euro verlangen. Und der Münchner Agrarkonzern wäre "aller Voraussicht nach zahlungsunfähig". So steht es in dem Restrukturierungsplan, den die BayWa beim Amtsgericht München eingereicht hat, und den BR Recherche einsehen konnte.
Nicht alle Gläubiger ziehen an einem Strang
Das Traditionsunternehmen BayWa ist im Sommer vergangenen Jahres in finanzielle Schieflage geraten. Seitdem stellten Banken und Eigentümer mehrmals frisches Kapital zur Verfügung. Zugleich arbeiteten Experten von der Unternehmensberatung Roland Berger einen Sanierungsplan aus. Doch die Restrukturierung der BayWa ist kompliziert. Denn nicht alle Gläubiger ziehen mit.
Drei von ihnen, sie haben der BayWa kurzfristig 125 Millionen Euro zur Verfügung gestellt, lehnen die Beteiligung an dem Sanierungsplan bislang ab. Auch einige Investoren, die der BayWa über Schuldverschreibungen Geld geliehen haben, verweigern sich. Sie fordern die Rückzahlung der Darlehen, insgesamt weitere 23 Millionen Euro. Drei Gläubiger haben deswegen sogar schon vor Gericht geklagt. Allerdings: Die wesentlichen Geldgeber der BayWa, vor allem kreditgebende Banken, haben früh klargemacht, dass alle Gläubiger gleichbehandelt werden müssen – und nicht einige wenige vorab ausbezahlt werden. Ansonsten würden auch sie Darlehen zurückfordern.
Was es mit dem StaRUG-Verfahren auf sich hat
Den Ausweg aus diesem Dilemma ermöglicht seit 2021das Gesetz über "Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen", kurz StaRUG. Angeschlagene Firmen können sich damit ohne ein Insolvenzverfahren sanieren.
Zudem besteht die Möglichkeit, Gläubiger, die bei einem Restrukturierungsplan nicht mitziehen, dazu gerichtlich zu zwingen. Voraussetzung dafür ist: 75 Prozent der Gläubiger oder betroffenen Aktionäre müssen dem Restrukturierungsplan zustimmen.
Eckpunkte der Sanierung
Laut dem amtlichen Plan zur Restrukturierung werden Banken und Investoren der BayWa bis Jahresende 2028 Zeit geben, um geschäftlich und finanziell wieder Boden unter die Füße zu bekommen. So lange werden sie Forderungen nicht fällig stellen. Anfangs war geplant, die Sanierung Ende 2027 abzuschließen.
Ein Grund für die Verzögerung: Im Februar entstand bei der Erneuerbare-Energien-Tochter BayWa r.e. zusätzlicher Finanzbedarf. Daher sollte ein Schweizer Investor, der bereits 49 Prozent der Anteile an der BayWa r.e. hält, bei der gemeinsamen Firma das Kapital erhöhen. Im Gegenzug hätte die BayWa 15 Prozent ihrer Anteile an der Solar- und Windparktochter an die Schweizer Firma abgegeben und auf die Rückzahlung eines Kredits in Höhe von 350 Millionen Euro verzichtet. Der Plan ging aber nicht auf.
Jetzt trennt sich die BayWa doch nicht von Anteilen an ihrer Erneuerbaren-Energien-Tochter. Stattdessen steckt sie selbst weitere 150 Millionen Euro in die Firma – und bekommt dafür zusätzliche Kredite von Banken. Allerdings dauert die Sanierung jetzt ein Jahr länger. Bis dahin soll die BayWa r.e. fit gemacht und für 1,8 Milliarden Euro verkauft werden.
Geplante Unternehmensverkäufe und Personalabbau
Auch den profitablen neuseeländische Obstproduzenten T&G und den holländischen Getreidehändler Cefetra will der Konzern verkaufen. Dadurch soll die Verschuldung deutlich sinken. Zugleich plant die BayWa zahlreiche Maßnahmen, um wieder profitabler zu wirtschaften. So soll der Personalbestand im Mutterkonzern bis Ende 2028 um 1600 Mitarbeiter sinken.
Zugleich will die BayWa 26 unrentable Standorte schließen und durch zahlreiche Maßnahmen wie Preisanpassungen und einem besseren Sortimentmix wieder mehr Geld verdienen. Unterm Strich wird die BayWa Ende 2028 sehr viel kleiner sein und den Umsatz im Vergleich zum Jahr 2024 halbieren.
Auch Aktionäre von der Restrukturierung betroffen
Bisher kam das StaRUG-Verfahren zur Unternehmenssanierung erst in wenigen Fällen zur Anwendung. Schlagzeilen machten die Fälle Varta und Leoni, weil die Aktionäre dabei jeweils faktisch enteignet wurden. Auch bei der BayWa sind sie grundsätzlich betroffen.
Allerdings will der Agrarkonzern die Aktionäre schonen und sie nicht entschädigungslos aus dem Unternehmen drängen. Vielmehr können sich die Anteilseigner an einer geplanten Kapitalerhöhung beteiligen.
Zustimmung zur Sanierung reine Formsache?
Der Vorstand der BayWa rechnet laut Sanierungsplan damit, dass bei den betroffenen Finanzgläubigern mehr als die erforderlichen 75 Prozent der Restrukturierung zustimmen. Dann wären auch die nicht kooperationswilligen Gläubiger an den Sanierungsplan gebunden. Um die Unterstützung der Gläubiger zu sichern, verzinst die BayWa ausstehende Darlehen mit 3 Prozent und gewährt neue Sicherheiten. Diese umfassen vor allem verpfändete Tochtergesellschaften und Grundstücke.
Ob auch die Aktionäre heute dem Restrukturierungsplan in der erforderlichen Zahl zustimmen, ist unklar. Denn viele Anteilseigner dürften nicht vor Ort sein. Allerdings gilt hier laut Gesetz: Wenn die Gläubiger zustimmen und die Aktionäre wirtschaftlich durch die Sanierung nicht schlechter gestellt werden als ohne den Plan, dann ist die Zustimmung trotzdem erteilt. Ob dies der Fall ist, muss das Amtsgericht München feststellen. Experten rechnen damit, dass die zuständige Richterin das Ergebnis der Prüfung in vierzehn Tagen verkündet.
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