Bayerisches Landesamt für Verfassungsschutz
Bayerisches Landesamt für Verfassungsschutz
Bild
Bayerisches Landesamt für Verfassungsschutz
Bildrechte: Jürgen P. Lang / BR
Schlagwörter
Bildrechte: Jürgen P. Lang / BR
Videobeitrag

Bayerisches Landesamt für Verfassungsschutz

Videobeitrag
>

75 Jahre: So hat sich der Bayerische Verfassungsschutz verändert

75 Jahre: So hat sich der Bayerische Verfassungsschutz verändert

Keine 30 Mitarbeiter, kein eigenes Dienstgebäude: Das war der Beginn des bayerischen Verfassungsschutzes. Im Fokus: Spionage aus der DDR. 75 Jahre später hat er mehr Personal, mehr Aufgaben – und ein neues Selbstverständnis.

Über dieses Thema berichtet: BR24 TV am .

Die Feier wird zur Warnung: Die Demokratie steht unter Druck. Im Landtag sind Vertreter von Sicherheitsbehörden, Politik und Wissenschaft zusammengekommen. Sie feiern das 75-jährige Bestehen des Bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz. Aber als der Präsident der Behörde, Manfred Hauser, auf dem Podium das Wort ergreift, geht es weniger ums Feiern. Es sei so, sagt er: Der Verfassungsschutz erlebe eine Situation, in der die Aufgabenfelder "in einem Maße zugenommen haben, wie es in den letzten 75 Jahren nicht der Fall war".

Das Ziel: Eine wehrhafte Demokratie

Das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz wird im November 1950 gegründet. Es soll Informationen sammeln, "über Bestrebungen, die eine Aufhebung, Änderung oder Störung der verfassungsmäßigen Ordnung (…) zum Ziele haben". So steht es im damaligen Gesetz. Der Gedanke: Die Demokratie soll sich gegen ihre Feinde wehren können – eine Lehre aus dem Ende der Weimarer Republik und dem Aufstieg der Nationalsozialisten.

In Bayern starten damals 26 Verfassungsschützer. Sie haben noch kein eigenes Dienstgebäude, nur Büros in der Münchner Fußgängerzone. Und dort kümmern sie sich hauptsächlich darum, Spionage abzuwehren – und zwar aus der DDR.

Verfassungsschutzpräsident: "Gleichzeitigkeit aller Bedrohungen"

Diese Zeiten haben sich geändert. Über die Jahre stehen für die Verfassungsschützer immer neue Themen im Fokus: der Linksextremismus ab den 70er Jahren mit dem Terror der RAF. Nach den Anschlägen vom 11. September wird der islamistische Terrorismus ein Schwerpunkt, nach Bekanntwerden der NSU-Morde verstärkt auch der Rechtsextremismus.

Heute, sagt Verfassungsschutzchef Hauser, gebe es eine "gewisse Gleichzeitigkeit aller Bedrohungen" und die sogenannten Phänomenbereiche würden immer stärker verschwimmen. "Es geht mehr so in Richtung Staatshass und Hass auf die Demokratie, ohne eigentlich was Neues mit einer geschlossenen Ideologie zu wollen." Das zu bearbeiten, sei sehr viel schwieriger.

Bayerns Innenminister wirbt für weitere Befugnisse

Im Landesamt arbeiten mittlerweile fast 600 Personen – so viele wie in keinem anderen Landesverfassungsschutz. Außerdem haben die Verfassungsschützer in Bayern mehr Möglichkeiten. Sofern ein Richter zustimmt, dürfen sie zum Beispiel auch "Online-Durchsuchungen" (externer Link) durchführen, also etwa einen Trojaner auf dem Handy einer Person hinterlassen. In anderen Bundesländern gibt es diese Möglichkeit nicht.

Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sieht trotzdem noch Verbesserungsbedarf, um "mit seinem nachrichtendienstlichen Gegenüber stets Schritt zu halten". Er wirbt etwa für den Einsatz von KI-gestützten Analyseinstrumenten, um Datenmengen im Internet auszuwerten. Zudem will er, dass Verfassungsschützer auch auf verschlüsselte Messengerdienste Zugriff erhalten können. Er verteidigt: Der Verfassungsschutz sei weder "Datenkrake" noch "Gesinnungsschnüffler". Es gelte, "die Bedeutung des Verfassungsschutzes für den Schutz unserer Demokratie ins rechte Licht zu rücken".

Imageproblem des Verfassungsschutzes?

Das Image des Verfassungsschutzes hat in der Vergangenheit immer wieder Schrammen abbekommen. So stellte das Landesamt in seinen Anfangsjahren laut einer Studie ehemalige Beamte der Nationalsozialisten ein. Und nach Bekanntwerden der NSU-Mordserie wurde dem Landesamt vorgeworfen, bei der Beobachtung des Rechtsextremismus nicht kompetent genug gewesen zu sein. Außerdem soll ein V-Mann dazu beigetragen haben, die rechtsextreme Szene zu professionalisieren.

Zwar wurde seitdem der Umgang mit V-Leuten neu geregelt und auch der Datenaustausch zwischen den Verfassungsschutzbehörden verbessert. Auch der Einsatz von nachrichtendienstlichen Mitteln hat einen klareren Rechtsrahmen bekommen. Skepsis hält sich trotzdem. Laut einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov (externer Link) aus dem Mai haben 57 Prozent der Befragten "eher" oder "voll und ganz" Vertrauen in das Bundesamt für Verfassungsschutz. 34 Prozent haben "kein" oder "wenig Vertrauen". Für die Landesbehörden dürfte sich ein ähnliches Bild ergeben.

Das neue Selbstverständnis des Verfassungsschutzes

Für den Verfassungsschutz stellt sich also auch die Frage, wie er die Menschen erreicht. "Wir haben gesehen, dass Radikalisierung stark internetbasiert ist", sagt der Rechtswissenschaftler Jan-Hendrik Dietrich von der Universität der Bundeswehr. "In diesen Internetblasen spielt ein Verfassungsschutzbericht keine Rolle." Der Verfassungsschutz müsse neue Formate finden.

Tatsächlich hat das Landesamt schon reagiert. Die Mitarbeiter bieten Schulungen für Lehrkräfte, machen Workshops mit Schülern.

Verfassungsschutzpräsident Hauser sagt beim Festakt: Das Selbstverständnis des Verfassungsschutzes habe sich gewandelt: vom Informationssammler zu einer "Demokratieschutzbehörde".

Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.

"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!