Markus Söder sieht die CSU in zwei Rollen – und damit auch sich selbst: "Schrittmacher in Bayern und Stimme Bayerns in Berlin", sagte der CSU-Chef kürzlich. Diese Woche sei ein typisches Beispiel genau dafür: "Dienstag Regierungserklärung mit Landespolitik pur und am Donnerstag Koalitionsausschuss in Berlin. Mit, wie ich finde, einem hohen Entscheidungsdruck."
So geräuschlos die bayerische Koalition aus CSU und Freien Wählern aktuell zusammenarbeitet, so laut scheppert es im Bund: nicht nur zwischen CDU und SPD, sondern auch innerhalb der Union. Nachdem es im Streit über das Rentenpaket weiter keine Lösung gibt, sind die Erwartungen vor dem Treffen der Spitzen von CDU, CSU und SPD hoch. Welchen Plan Söder für den Koalitionsausschuss im Gepäck hat, ist dabei völlig offen. Die Signale, die er in den vergangenen Tagen aussandte, waren widersprüchlich.
Söder punktet bei Junger Union
Beim Deutschlandtag der Jungen Union in Rust punktete Söder Mitte November mit Verständnis für das Nein des Parteinachwuchses. "Ihr habt schon gute Argumente", rief der Gast aus Bayern. "Man muss sie auch beachten." Es dürfe kein "SPD-Basta" geben, sondern es müsse verhandelt werden.
Mit Blick auf den CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz, der bei der JU zuvor das Rentenpaket verteidigt hatte und dafür harsche Kritik zu hören bekam, sagte Söder: Er falle Kanzler Merz definitiv "nicht in den Rücken". Aber tat er mit seiner Rede nicht genau das? JU-Bundeschef Johannes Winkel jedenfalls zeigte sich dankbar für Söders Signal, dass er die Bedenken der JU mitnehme.
Politologe: Söder erhöht Druck auf Merz
Will Söder im Gegensatz zu Merz und der SPD-Spitze das vereinbarte Paket noch mal aufschnüren und neu verhandeln? Es sei sicher noch ein Stück Bewegung drin, bekräftigte Söder am Tag nach seinem JU-Auftritt. Mehr Zeit aber gesteht er der Koalition dafür nicht zu: Eine Verschiebung der Abstimmung im Bundestag halte er für "grundlegend falsch".
Zwar betonte Söder am Wochenende nach einer CSU-Vorstandsklausur: "Wir stärken auch Friedrich Merz den Rücken." Nach Einschätzung des Politikwissenschaftlers Thomas Klotz von der Hochschule für Politik in München hat Söder aber den Druck auf den Kanzler erhöht, "weil er diese Deadline vor Weihnachten einhalten möchte". Darüber hinaus seien mögliche Lösungsansätze durch Söders Festhalten an der Mütterrente stark begrenzt. Das bringe den Bundeskanzler in eine schwierige Lage.
JU-Kritik an Mütterrente
Sollte die Union von der SPD Zugeständnisse verlangen, müsste sie auch selbst zu einem Opfer bereit sein. Hier könnte die von Söder in den Koalitionsvertrag hineinverhandelte Mütterente ins Spiel kommen. Doch Söder winkt ab, pocht auf den Koalitionsvertrag. Bei der Jungen Union habe es "kein einziger" zum Thema gemacht. Im ZDF sagte er am Mittwochabend: "Die Mütterrente ist jetzt im Moment das Unumstrittenste."
Fakt ist: Es gab in Rust in Söders Anwesenheit mehrere kritische Wortmeldungen. "Es wäre, glaube ich, deutlich einfacher, sich auch gegenüber der SPD durchzusetzen in diesem Thema, wenn wir nicht Prestigeprojekte wie die Mütterrente weiterhin verteidigen würden", sagte eine JU-Delegierte. Bundeschef Winkel bekräftige: "Es ist doch klar, dass die Junge Union nicht für die Mütterrente ist." Anfang Oktober hatte Bayerns JU gegen den Willen der Verbandsspitze eine Erklärung beschlossen, in dem ein "Stopp teurer Wahlgeschenke wie der Mütterrente" gefordert wird.
Söder, der Vermittler?
Dennoch: Der Fokus in der Rentendebatte ruht aktuell auf anderen Punkten als der Mütterrente. Politologe Klotz erläutert, Söder habe es geschafft, sich in der öffentlichen Wahrnehmung in eine Vermittlerrolle zu bringen. Im Gegensatz zu Merz und zur SPD-Spitze habe er sich noch auf keine Position festgelegt.
In dieser Rolle könne Söder auf eine Einigung drängen und damit demonstrieren, dass er seine staatspolitische Verantwortung ernst nehme und die Koalition zusammenhalten wolle. Sollte die Regierung doch am Rentenpaket scheitern, könne Söder sagen, dass er es immerhin versucht habe. Derzeit könne der CSU-Chef noch kein Interesse am Aus für Schwarz-Rot haben, auch wegen der Kommunalwahl in Bayern 2026.
Insgesamt aber sieht der Politologe bei Söder einen gewissen Gefallen daran, wenn es in Berlin "nicht ganz so geschmiert läuft". Schließlich habe die CDU eine Kanzlerkandidatur Söders verhindert. Beerdigt habe der CSU-Chef seine bundespolitischen Ambitionen nicht: "Er ist, glaube ich, noch nicht am Ende seiner politischen Karriere."
Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!
