Teilnehmer halten bei einer Demonstration gegen die Klima-Politik der Ampelregierung in Erding Schilder mit den Aufschriften "No Habeck - No cry" in die Höhe
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Die Demonstration gegen die Klimapolitik der Ampelregierung fand unter dem Motto "Stoppt die Heizungsideologie" statt.

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Aufgeheizte Stimmung bei Demo gegen Heizungsgesetz in Erding

Aufgeheizte Stimmung bei Demo gegen Heizungsgesetz in Erding

Mehrere tausend Menschen haben in Erding gegen das geplante Heizungsgesetz der Bundesregierung demonstriert. Einer der Hauptredner war Ministerpräsident Markus Söder. Und der kam bei einigen nicht besonders gut an.

Über dieses Thema berichtet: BR24 am .

Rund 13.000 Menschen sind nach Erding bei München gekommen, um unter dem Motto "Stoppt die Heizungsideologie" gegen das von der Ampelkoalition geplante Heizungsgesetz zu demonstrieren. Diese Zahl hat die Polizei inzwischen dem BR bestätigt.

  • Zum Artikel: Ausnahmen, Zeitplan, Kritik – Das Wichtigste zum Heizungsgesetz

Als Hauptredner trat CSU-Chef und Ministerpräsident Söder auf – und wurde von Buh-Rufen und Pfiffen auf dem Erdinger Volksfestplatz begrüßt. Einem Sprechchor aus der Menge, der "Haut ab" skandierte, entgegnete Söder: "Haut selber ab!" Bei der Demonstration treffe sich die Bürgerliche Mitte - und die habe nichts mit AfD oder "Anti-Demokraten" zu tun. "Von solchen Leuten grenzen wir uns ab - und zwar grundlegend", so der Ministerpräsident.

Das geplante Heizungsgesetz der Bundesregierung erhitzt die Gemüter
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Das geplante Heizungsgesetz der Bundesregierung erhitzt die Gemüter

Gruber muss zu Respekt und Ruhe aufrufen

Dass es zu einer aufgeheizten Stimmung kommen könnte, war schon im Vorfeld der Demo befürchtet worden: Denn auch AfD-Politiker hatten zu der Demonstration aufgerufen. Von der Kundgebung selbst war die Partei aber ausgeladen worden – und nur mit einem Stand neben dem Volksfestplatz vertreten.

Die Kabarettistin Monika Gruber, die die Kundgebung mit organisiert und beworben hatte, musste zu Beginn mehrfach um Ruhe bitten. "Wir leben in einer Demokratie, Freunde. Lasst bitte jeden Redner ausreden. Und wir reden hier vom bayerischen Ministerpräsidenten, ein bisschen mehr Respekt bitte."

Besonders laut wurde der Jubel, wenn es um Themen abseits des Heizungsgesetzes ging - als Gruber beispielsweise sagte, dass die Mehrheit der Menschen gegen Gendern sei. Als ein Handwerksmeister auf der Bühne die Corona-Maßnahmen kritisierte, wurde es besonders laut. Auf der Demonstration waren Schilder mit derber Kritik zur Corona-Politik zu lesen, auf anderen Transparenten wurden Medienberichterstatter angegriffen, auch das Wort "Lügenpresse" war vor Ort zu hören.

Als Hauptredner trat CSU-Chef und Ministerpräsident Söder auf
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Aufgeheizte Stimmung bei Demo gegen Heizungsgesetz in Erding

Söder wirft Bund Misstrauen gegenüber Landbevölkerung vor

In seiner Rede widmete Söder sich dann dem eigentlichen Grund seines Besuchs: der Novelle des Gebäudeenergiegesetzes, an der er scharfe Kritik übte: Es gebe ein grundsätzliches Misstrauen von Berlin gegenüber der ländlichen Bevölkerung. Klimaschutz müsse gemeinsam mit den Bürgern vorangetrieben werden und nicht gegen sie. Es stelle sich die Frage, wer all die Umrüstungskosten und Sanierungen für neue Heizungen überhaupt bezahlen solle.

"Ich habe keine Lust, Seite an Seite mit den Grünen in die Pleite zu gehen", sagte Söder. Vereinzelt gab es Applaus, gerade wenn der Ministerpräsident die Grünen angriff oder sich für die Landbevölkerung und die Landwirtschaft stark machte. Insgesamt schlug Söder aber trotzdem viel Ablehnung entgegen.

Buh-Rufe für FDP-Landeschef Hagen, Applaus für Wirtschaftsminister Aiwanger

Ähnlich erging es dem bayerischen FDP-Vorsitzenden Martin Hagen. Aufgrund nahezu durchgehender Buh-Rufe war seine Rede unterhalb der Tribüne nur schwer zu verstehen. Zur ersten Gesetzesvorlage sagte Hagen: "Das was Robert Habeck vorgelegt hat, das ist Murks, das ist Mist, das ist nicht praxistauglich."

Hagen ist Mitglied im Bundesvorstand der FDP, die als Teil der Ampel ein finales Heizungsgesetz wird mittragen müssen - jedoch nicht in seiner aktuellen Form, wie Hagen den Demonstranten versprach: "Merkt euch meine Worte und messt mich an meinen Worten: Meine FDP wird dem Entwurf in dieser Fassung im Bundestag nicht zustimmen."

Bei Twitter schrieb Hagen gegen Abend: "Linke kritisieren, dass ich bei der Demo in Erding gesprochen habe. Rechte kritisieren, dass ich dort die Notwendigkeit von Klimaschutz betont habe." Der legitime Platz des Liberalen sei zwischen allen Stühlen, resümierte Hagen.

Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) kam von den Landespolitikern am besten an. Er bekam Applaus für Sätze wie: "Ihr seid dabei Deutschland zu retten, weil ihr auf dem richtigen Weg seid." Auch er kritisierte die Pläne der Bundesregierung deutlich: "Wir können nicht weiter zuschauen, wie diese Grün dominierte Ampel Deutschland an die Wand fährt", sagte Aiwanger. Die Grünen wollten nicht das Klima retten, sondern Eigentum und Wohlstand zerstören.

Das Heizungsgesetz bezeichnete Aiwanger als "Wahnsinn", es müsse "in die Tonne getreten" werden. Zum Schluss bedankte sich der Wirtschaftsminister bei den Menschen vor Ort: In Erding sei der Stein ins Rollen gebracht worden, der diesem Gesetz den Boden unter den Füßen wegziehen werde. "Jetzt ist der Punkt erreicht, wo die große schweigende Mehrheit sich die Demokratie zurückholen muss und denen in Berlin sagen: 'Ihr habt ja wohl den Arsch offen da oben'", sagte Aiwanger.

Auch der bayerische Bauernpräsident Günther Felßner war einer der Redner auf der Demo in Erding. Er machte deutlich: die Wärmewende gehe nur mit Holz. Außerdem griff Felßner - seit Oktober im Amt - die angebliche Rationierung von Fleisch auf.

SPD und Grüne rufen zu mehr Sachlichkeit auf

Auf Twitter reagierte die Co-Vorsitzende der Bayern SPD, Ronja Endres. Sie warnte die beteiligten Parteien vor einem Spiel mit dem Feuer und rief sie auf, zur Sacharbeit zurückzukehren. "Eigene, echte Vorschläge bringen, statt destruktiven Populismus", twitterte Endres. Die grüne Landtagsabgeordnete Katharina Schulze twitterte, Söders "Heranrobben" an ein bestimmtes Milieu stärke Populisten und schade der Demokratie - seine Versuchung nach "schnellem, billigem Applaus" sei wohl zu groß gewesen. Die Bundesvorstizende der Grünen Ricarda Lanf schrieb ebenfalls auf Twitter: "Erding zeigt heute auf den Punkt, warum die Strategie, den Rechten nach dem Mund zu reden, nicht funktioniert."

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) sagte im Interview mit BR24 in Richtung von Ministerpräsident Markus Söder: "Da muss man, wenn man sich als Politiker an sowas beteiligt wie Herr Söder, auch mit konkreten Vorschlägen kommen und sich nicht nur an die Spitze von Ängsten setzen. Wir brauchen Lösungen in Deutschland und daran arbeiten wir."

Klimaschutz muss sozial sein, betonte Heil. Die Bundesregierung werde für einen sozialen Ausgleich sorgen. Er verwies aber auch darauf, dass man den Klimawandel nicht einfach weiterlaufen lassen könne und dass die Industriegesellschaft umgebaut werden müsse. "Nichts tun ist keine Option." Aber: "Wir werden dafür sorgen, dass die Menschen nicht überfordert sind." Zugleich räumte Heil ein, dass das umstrittene Heizungsgesetz nicht gut kommuniziert worden sei und viele Menschen verunsichert hätte.

Arbeitsminister Hubertus Heil im BR24-Interview
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Arbeitsminister Hubertus Heil im BR24-Interview

Auch der Landesvorsitzende der Grünen, Thomas von Sarnowski, kritisierte Söder für sein Vorgehen: "Keine eigenen Vorschläge, stattdessen Ängste schüren und erneut nach Stimmen am rechten Rand fischen: Das zahlt am Ende beim Original ein. Versteht Söder, welche Geister er da gerufen hat?" Und er forderte: Ein Ministerpräsident müsse bei der Wärmewende Verantwortung zeigen statt Fake News zu verbreiten.

Beobachter werfen Söder Populismus vor

Politik- und Kommunikationsberater Johannes Hillje interpretiert die Buh-Rufe gegen Ministerpräsident Söder auf der Kundgebung als "Scheitern". Auf Twitter schrieb er: "Söders Scheitern bei der Demo gegen ´Grüne Heizungsideologie` ist ein Lehrstück: Ein populistischer Demoaufruf mobilisiert das populistische Milieu, das allen etablierten Parteien feindlich gegenübersteht." Auf populistischem Terrain würden nur Populisten gewinnen.

In einem weiteren Tweet meint Hillje, es sei gut, dass sich Söder auf der Bühne abgegrenzt habe, "aber es war naiv zu glauben, dass diese Veranstaltung ein ´Signal aus der Mitte der Gesellschaft` wird, wie er vorher sagte."

Hinweis der Redaktion: Bei der Europawahl 2014 arbeitete Hillje als Wahlkampfmanager der Europäischen Grünen. Er ist Kommunikationsexperte mit Schwerpunkt Populismus, der unterschiedlichste Parteien berät.

Am Vortag hatte Markus Söder getwittert, dass die Demo ein "deutliches Signal aus der Mitte der Gesellschaft in Richtung Berlin" sei. "Wir rücken die Anliegen der Normalbevölkerung in den Mittelpunkt", so Söder auf Twitter.

Darum geht es beim Gebäudeenergiegesetz

Die Bundesregierung will mit dem Gebäudeenergiegesetz nächstes Jahr endgültig den Abschied von Öl- und Gasheizungen einläuten. Nach dem Gesetzentwurf der Ampel soll von 2024 an möglichst jede neu eingebaute Heizung zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden. Staatliche Förderung soll den Umstieg sozial abfedern, außerdem soll es Übergangsfristen und Härtefallregelungen geben.

Das Heizungsgesetz ist innerhalb der Ampelparteien nach wie vor umstritten. Die Koalitionäre in Berlin verhandeln weiter über Änderungen.

Mit Informationen von dpa.

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