Die Grenzkontrollstelle Kiefersfelden
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Verschärfte Grenzkontrollen: Dobrindt zieht erste Bilanz

Verschärfte Grenzkontrollen: Dobrindt zieht erste Bilanz

Bundesinnenminister Dobrindt (CSU) und Bayerns Ministerpräsident Söder haben den Grenzübergang Kiefersfelden besucht. Seit einer Woche werden mehr Menschen an Deutschlands Grenzen zurückgewiesen - die europäischen Nachbarn sind nicht begeistert.

Über dieses Thema berichtet: Regionalnachrichten aus Oberbayern am .

Am Grenzübergang Kiefersfelden kontrolliert die Bundespolizei Rosenheim Personen bei der Einreise. Immer wieder nehmen die Beamten zum Beispiel gesuchte Straftäter oder mutmaßliche Schleuser fest. Vor einer Woche sind die Grenzkontrollen verschärft worden. Innenminister Alexander Dobrindt (CSU) und Ministerpräsident Markus Söder (CSU) haben am Donnerstag die Grenzkontrollstelle an der bayerisch-österreichischen Grenze besucht.

45 Prozent mehr Zurückweisungen als in Vorwoche

Seit der Verschärfung der Grenzkontrollen vor einer Woche ist die Zahl der Zurückweisungen laut Dobrindt um fast die Hälfte gestiegen. In den vergangenen sieben Tagen habe die Bundespolizei 739 Menschen an der Grenze zurückgewisen, so Dobrindt. Das seien 45 Prozent mehr als in der Woche zuvor. Da habe es 511 Zurückweisungen gegeben.

Unter den Zurückgewiesenen seien auch solche, die Asyl gesucht hätten: Von 51 Menschen, die ein Asylgesuch geäußert hätten, seien 32 zurückgewiesen worden, sagte Dobrindt. Ministerpräsident Markus Söder sagte bei der Pressekonferenz, mehr Polizei führe definitiv zu mehr Sicherheit. Bayern und Deutsche seien gute Europäer, den Schutz der Grenze müsse aber jedes Land für sich erfüllen. Am Ende würden die neuen Maßnahmen Europa nutzen, so Söder.

Intensivere Grenzkontrollen seit letzter Woche

Innenminister Alexander Dobrindt hatte vergangene Woche – wenige Stunden nach seinem Amtsantritt – stärkere Grenzkontrollen angeordnet. Gleichzeitig verfügte er, dass künftig auch Asylsuchende schon direkt an der Grenze abgewiesen werden können - abgesehen von Angehörigen vulnerabler Gruppen, wie Schwangere und Kinder.

Zuvor waren lediglich Menschen, die kein Asylgesuch vorbrachten, sowie Ausländer, für die eine temporäre Einreisesperre (zum Beispiel wegen einer früheren Abschiebung) galt, zurückgewiesen worden.

Opposition kritisiert neue Grenzkontrollen

Jamila Schäfer, Bundestagsabgeordnete der Grünen aus München, kritisierte die strengeren Grenzkontrollen und sagte, sie halte davon nichts. Man habe in einer Studie des Deutschen Zentrums für Integrations- und Migrationsforschung gesehen, dass die neuen Maßnahmen weder mehr Sicherheit noch eine geringere Migration bringen würden.

Die Kontrollen würden außerdem auf Kosten von Ermittlungskapazitäten der deutschen Beamtinnen und Beamten gehen, "und wie wir gerade auch sehen: auf Kosten unseres europäischen Verhältnisses zu unseren Mitgliedsländern - und natürlich auch auf Kosten der Menschlichkeit". Schutzsuchende an den Grenzen zurückzuweisen, sei europarechtswidrig, so Schäfer.

Grenzkontrollen in Kiefersfelden schon länger intensiver

Die Bundespolizei Rosenheim berichtet schon seit längerem von Zurückweisungen. 2024 hätten die Beamten 1.900 Mal die Einreise verweigert. Und zwar immer dann, wenn die Betroffenen weder Schutz noch Asyl in Deutschland suchten, sondern andere Aufenthaltsgründe bei der Befragung in der Inspektion in Rosenheim nannten, so die Bundespolizei. Bei der Abschiebung setzen die Beamten die Reisenden in den nächsten Zug nach Kufstein in Tirol.

EU-Nachbarn teilweise verärgert

Die Nachbarländer kritisieren die neuen Maßnahmen. Donald Tusk, Ministerpräsident von Polen, sagte: Schärfere Kontrollen könne man nachvollziehen. Aber der Schengen-Raum müsse erhalten bleiben. Österreichs Außenministerin Beate Meinl-Reisinger begrüßte einen "neuen Weg", um "gemeinsam gegen illegale Migration vorzugehen". "Aber natürlich können wir das nur am Boden des europäischen Rechts machen." Und das habe man den deutschen Kollegen auch deutlich gemacht. Auch die Schweiz zeigt sich verärgert.

Rechtsgrundlage für Abschiebung

Bei seinem Antrittsbesuch am Freitag in Brüssel hatte Bundeskanzler Merz klargemacht, die Zurückweisungen stünden im Einklang mit europäischem Recht. Andere Juristen sagen dagegen, dass Zurückweisungen von Asylsuchenden gegen Europarecht verstoßen. Nach den EU-Bestimmungen der Dublin-Verordnung darf die Bundespolizei Asylbewerber nicht einfach an der Grenze zurückweisen.

Die Notlage macht Zurückweisungen möglich

Es gibt eine Art Notlageklausel, von der die EU-Mitgliedsstaaten für sich Gebrauch machen können. Sie findet sich in Artikel 72 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV). Danach sind den Staaten Zurückweisungen an den Grenzen ausnahmsweise gestattet, wenn dies für "die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und den Schutz der inneren Sicherheit" erforderlich ist.

Rechtswissenschaftler: Notlage muss nicht ausgerufen werden

Von Notlage zu sprechen oder eine auszurufen, sei nicht nötig, um sich auf Artikel 72 zu berufen, schreibt Migrationsexperte Daniel Thym auf der Online-Plattform X. Zu den Zurückweisungen von Asylbewerbern sagt Thym im Podcast "Ronzheimer" (externer Link): "Das macht man einfach. Und wenn dann jemand dagegen klagt, muss man vor Gericht." Dort komme dann die rechtliche Begründung auf den Prüfstand. Gut sei, auch vor diesem Hintergrund, dass es Ausnahmen für vulnerable Gruppen gebe. Dass Dobrindts Zurückweisungen vor Gericht geklärt werden, gilt den meisten Experten jedenfalls als sicher.

GdP-Vorsitzender: Grenzkontrollen Belastung für Bundespolizei

Die verschärften Grenzkontrollen sind laut Andreas Roßkopf von der Gewerkschaft der Polizei (GdP) für die Bundespolizei eine hohe personelle Belastung. Roßkopf, GdP-Vorsitzender für den Bereich Bundespolizei und Zoll, sagte bei BR24 im BR Fernsehen, es seien weit über 1.000 Bereitschaftspolizisten in die Grenzregionen entsandt worden. Auch seien die Dienstpläne vor Ort umgestellt worden, zum Teil auf Dienstzeiten von zwölf Stunden. Um den hohen Personalaufwand zu decken, könnten derzeit Fortbildungen und der Abbau von Überstunden nicht stattfinden. Ein solcher Einsatz sei nur über begrenzten Zeitraum durchhaltbar. Roßkopf geht von vier bis sechs Wochen aus.

"Danach müssen Veränderungen eintreten, denn dann ist die Bundespolizei letztendlich auch am Ende dessen, was sie in diesem Einsatz in dieser personellen hohen Auslastung leisten kann." Die Bereitschaftspolizisten würden an den Grenzen wochenweise eingesetzt, sieben Tage am Stück. Untergebracht seien sie während dieser Zeit in Hotels. Nach einer Woche ginge es für sie für eine kurze Freizeit in ihre Heimatregionen. Anschließend kehrten sie zurück.

Die Grenzpolizei versuche zwar, mit den Kontrollen den Pendler- sowie Waren- und Güterverkehr so wenig wie möglich zu beeinträchtigen. Roßkopf geht jedoch davon aus, dass es dennoch während der Ferienzeit zu Staus kommen wird.

Denn die Kontrollstellen verlangsamten den Verkehr, damit die Polizisten die langsam vorbeifahrenden Autos in Augenschein nehmen könnten. "Allein diese Verzögerung behindert den Verkehrsfluss, und somit wird es sicherlich zu Staus kommen, in der Hoffnung, dass diese erträglich bleiben", so Roßkopf.

Mit Informationen von dpa

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