Die Fußball-EM der Frauen in der Schweiz sorgt für Begeisterung. Alleine vergangenen Samstag verfolgten rund 10,7 Millionen Menschen den dramatischen Sieg der deutschen Nationalmannschaft im Viertelfinale gegen Frankreich. UEFA-Direktorin Nadine Keßler fordert deswegen mehr Spiele in großen Arenen und prognostiziert, dass die Transfersummen für Top-Spielerinnen schon bald explodieren könnten. Die EM zeigt, wie viel Potenzial der Frauenfußball hat - auch in Bayern.
U17-Juniorinnen freuen sich über weibliche Vorbilder
Auf dem Kunstrasenplatz der SG Amicitia/Post-SV in München trainieren die U17-Juniorinnen und sind voll im EM-Fieber. Die 15-jährige Nathalie etwa spielt seit sechs Jahren. Ihr Papa ist Bayern-Fan und hat sie schon als Kind ins Stadion mitgenommen. "Irgendwann wollte ich es einfach mal selbst probieren", sagt Nathalie. Ihre Vorbilder sind die Verteidigerinnen der Nationalelf wie Giulia Gwinn, von der Nathalie sogar einen signierten Fußball zu Hause hat. "Ich finde ihren Spielstil toll - dass sie auch als Verteidigerinnen nach vorne arbeiten und Tore schießen", erklärt Nathalie.
Auch Mathilda, gerade 16 geworden, trainiert in München. Spielerinnen wie Klara Bühl oder Giulia Gwinn geben ihr Selbstvertrauen, sagt sie. Als Mathilda früher mit den Nachbarn gespielt hat, seien immer Namen wie Messi oder Ronaldo gefallen. "Ich dachte immer so: Das sind ja alles Typen. Aber ich bin ja kein Typ. Es ist cool, dass es jetzt auch extrem gute Spielerinnen gibt, die man als Vorbilder haben kann. Das ist motivierend."
So viele aktive Fußballerinnen in Bayern wie seit zehn Jahren nicht
Der Bayerische Fußball-Verband (BFV) verzeichnet unterdessen ein Rekordhoch: Mehr als 34.800 aktive Fußballerinnen seien registriert - so viele wie seit über zehn Jahren nicht. 100 weibliche Teams mehr nehmen aktiv am Spielbetrieb teil als noch in der Vorsaison 23/24. "Wir konnten den Abwärtstrend stoppen. Vor allem bei den C- und D-Juniorinnen steigen die Mädchen-Mannschaften extrem an", sagt BFV-Vizepräsidentin Silke Raml.
Sie sieht darin eine direkte Folge der Kampagne "Lasst sie spielen", die 2022 im Anschluss an den EM-Finaleinzug der DFB-Frauen gestartet wurde. Inzwischen wurden bayernweit 300 Trainerinnen ausgebildet, weitere 300 Personen erhielten ein Kindertrainer-Zertifikat. Insgesamt hat der Verband nun über 1,7 Millionen Mitglieder.
Vereine kämpfen mit fehlender Infrastruktur
Beim Bayerischen Fußball-Verband rechnet man damit, dass der Frauen- und Mädchenfußball in Bayern nach der Europameisterschaft weiter wächst. BFV-Vizepräsidentin Silke Raml hofft, dass es die deutsche Nationalmannschaft ins Finale schafft. Das würde erfahrungsgemäß weiter Aufschwung geben, und die Mitgliederzahlen könnten dann voraussichtlich im Herbst nochmal deutlich ansteigen, sagt Raml auf Anfrage von BR24.
Ein Problem der bayerischen Fußballvereine in den städtischen Regionen sei allerdings die fehlende Infrastruktur. "Die Vereine sind teilweise gar nicht in der Lage, Mädchen aufzunehmen", sagt Raml. Daran arbeite man weiter. Zudem gebe es in den ländlichen Regionen vereinzelt Vereine, die Probleme hätten, sich dem Frauenfußball zu öffnen. "Unsere Aufgabe ist es, die Vereine vom Frauen- und Mädchenfußball zu überzeugen", erklärt Raml.
Trainer: Problem ist die Konstanz
Auch Florian Albrecht, Trainer von Nathalie und Mathilda bei der SG Amicitia/Post-SV in München, freut sich über das gestiegene Interesse. Es gebe viele Vereine, die inzwischen eigene Mädchen-Mannschaften haben. "Das Problem ist eher die Konstanz. Mal hat man einen guten Jahrgang, und dann gibt es wieder eine Lücke, weil man zum Beispiel keine Trainer findet", sagt Albrecht. Im vergangenen Jahr habe man beim Post-SV in München entscheiden, den brachliegenden Mädchenbereich wiederzubeleben, und sich dafür mit der Spielgemeinschaft Amicitia zusammenzuschließen.
Die beiden Spielerinnen Mathilda und Nathalie schauen fast jedes EM-Spiel mit Freundinnen oder mit der Familie. Nathalie war sogar in Zürich live dabei, als Deutschland gegen Schweden gespielt hat. Trotz klarer Vorbilder: Eine Profikarriere peile sie deshalb nicht unbedingt an, sagt Mathilda: "Mein Hauptziel ist, dass ich einfach weiterhin meinen Spaß am Sport behalte. Den will ich auf keinen Fall verlieren."
Bei BR24 um 16:00 Uhr haben wir mit dem BR-Sportreporter Bernd Schmelzer über die Faszination Frauenfußball gesprochen. Außerdem war Karin Danner zu Gast. Sie war selbst aktive Spielerin und fast 30 Jahre lang die Abteilungsleiterin der FC Bayern Frauen. Das Video zur Sendung finden Sie oben eingebettet über diesem Artikel.
Audio: Frauenfußball erlebt gerade einen Boom
In München trainieren die U17-Juniorinnen der SG Amicitia/Post SV
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