CSD Street Parade in Berchtesgaden
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Im kleinen Berchtesgaden fand am Wochenende der erste Christopher Street Day statt.
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Im kleinen Berchtesgaden fand am Wochenende der erste Christopher Street Day statt.

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Erster CSD in Berchtesgaden: Drag und Brauchtum kein Widerspruch

Erster CSD in Berchtesgaden: Drag und Brauchtum kein Widerspruch

In Berchtesgaden hat am Wochenende der erste Christopher Street Day stattgefunden. Der Verein "Die Queer-Steiger" will damit mehr Sichtbarkeit für queere Menschen auf dem Land schaffen. Im Vorfeld sorgte ein queerfeindlicher Leserbrief für Ärger.

Über dieses Thema berichtet: Abendschau - Der Süden am .

Am Samstagmittag herrscht geschäftiges Treiben auf dem Weihnachtsschützenplatz in Berchtesgaden. Etwa zehn Männer und Frauen bauen Info-Stände auf. In nur zweieinhalb Stunden soll hier der erste CSD-Umzug von Berchtesgaden ankommen. Daran soll ein kleines Straßenfest anschließen. 26 Jahre nach dem ersten Christopher Street Day in Deutschland gibt es die Pride Parade nun also auch in der kleinen Marktgemeinde.

Teilnehmer: Berchtesgaden konservativer als andere Städte

Am Rande des Platzes steht eine ältere Dame in Dirndl. Anna Gloßner ist Mitglied des katholischen Frauenbundes. Gegen eine kleine Spende verteilt sie gesegnete Sträuße – ein alter Brauch zu Mariä Himmelfahrt. Soeben hat sich einer der queeren Helfer vom Platz bei ihr vorgestellt. Man habe lange davon geträumt, dass es einen örtlichen CSD gibt, sagt er: "Berchtesgaden ist konservativer als andere Städte. Und deswegen ist es besonders wichtig, dass die queeren Leute, die hier trotzdem noch leben, zeigen, dass es sie gibt." Gloßner lächelt ihm zu. "Für gute Sachen sind wir immer zu haben", sagt sie. "Warum sollte man sich verschließen?"

Queerfeindlicher Leserbrief im Vorfeld

Doch nicht für alle ist das Nebeneinander von queerer Vielfalt und bayerischem Brauchtum so selbstverständlich. Anfang August druckte der Berchtesgadener Anzeiger einen Leserbrief, in dem der CSD als "peinliches Spektakel" bezeichnet wurde. Der Tenor: Man müsse das örtliche Brauchtum vor den queeren Demonstranten schützen. Es klang, als würde der Schreiber für die Brauchtumsvereine in der Region sprechen. Doch offenbar sahen viele im Landkreis das anders: Fünf Tage später druckte die Zeitung fünf Gegenmeinungen ab. Es folgten Gespräche zwischen den Organisatoren des CSD und Vorständen örtlicher Trachtenvereine: Letztere distanzierten sich von dem Leserbriefschreiber.

So erzählt es Moritz Maschinsky, das bekannteste Gesicht hinter dem CSD. Dennoch ist er merklich angespannt, als er am Nachmittag zuhause aufbricht – in Highheels, Dirndl und mit regenbogenfarbener Perücke. Maschinsky ist auch als "Morita Maschinella" bekannt – die erste Drag Queen Berchtesgadens. Er verstehe sich im Alltag als Mann, sagt er: Aber gelegentlich in Frauenkleider zu schlüpfen, erlaube ihm, seine weibliche Seite auszudrücken.

Das Ziel: Mehr Sichtbarkeit für queere Menschen auf dem Land

Vor anderthalb Jahren hat Maschinsky die "Queer-Steiger" gegründet, den ersten queeren Verein im Landkreis. Queere Menschen im Umkreis sollten wissen, dass sie nicht alleine sind – etwas, was ihm in seiner Jugend hier gefehlt hat. Wenn alles glatt läuft, dann soll es den CSD jetzt jedes Jahr geben. Mehrere Monate lang haben Maschinsky und seine Mitstreiter darauf hingearbeitet.

Der Druck ist hoch: Werden genug Leute kommen? Wird es Anfeindungen geben? Doch die Anspannung löst sich schnell auf, als Maschinsky am Versammlungsplatz in der Nähe des Bahnhofs ankommt. Deutlich mehr als die erhofften 300 Teilnehmer sind gekommen, die örtliche Polizei wird später von 400 Teilnehmenden sprechen. Sie alle sind bunt gekleidet und gut gelaunt. Morita weist noch einmal alle auf die Verhaltensregeln hin und steigt dann in ein türkises Cabrio, das den Zug anführen wird. Als dieser in der Innenstadt ankommt, winken ihnen unzählige Passanten zu, machen Fotos, applaudieren zum Teil. Die befürchtete Gegendemonstration bleibt aus.

"Schwuhplattler" sorgen für Stimmung

Stattdessen liefern die "Queer-Steiger" beim anschließenden Straßenfest noch den Beweis dafür, dass auch ihnen das Brauchtum am Herzen liegt: Gleich zu Beginn treten die "Schwuhplattler" auf – ein schwuler Plattler-Verein. Die Gruppe ist zwar in München ansässig, doch die Teilnehmer kommen auch aus dem ländlichen Umland.

Das Gespräch kommt noch einmal auf den Leserbriefschreiber vom Anfang zurück. Was sie Trachtlern entgegneten, die so denken? "Ich komm’ auch vom Land", sagt einer der Plattler. Er zeigt auf seinen Brustschild, das mit Namen und Logo eines Trachtenvereins bestickt ist: "Morgen rück ich mit dem Heimatverein aus. Wir sind Teil der Gesellschaft, auch in den Trachtenvereinen." Sekunden später spielt neben ihm das Akkordeon auf. Er muss auf die Bühne.

Im Video: Vorbereitungen zum ersten CSD in Berchtesgaden

Moritz Maschinsky hat zusammen mit anderen den Verein "Die Queersteiger" gegründet, um mehr Sichtbarkeit für queere Menschen zu schaffen.
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Moritz Maschinsky hat zusammen mit anderen den Verein "Die Queersteiger" gegründet, um mehr Sichtbarkeit für queere Menschen zu schaffen.

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