Symbolbild Gentechnik im Essen und in der Landwirtschaft
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Demo gegen Gentechnik
Bildrechte: picture-alliance/IPON | Stefan Boness
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EU lockert Vorschriften für genveränderte Lebensmittel

EU lockert Vorschriften für genveränderte Lebensmittel

Der Einsatz von Gentechnik in der Landwirtschaft ist auf EU-Ebene streng geregelt, jetzt soll der Einsatz neuer genomischer Techniken erleichtert werden. Kritiker warnen vor den Risiken, während die Wissenschaft die Chancen der neuen Techniken sieht.

Über dieses Thema berichtet: BR24 Radio Nachrichten am .

Mit modernen Gentechnikverfahren veränderte Lebensmittel sollen in der EU künftig ohne spezielle Kennzeichnung im Supermarkt verkauft werden können. Unterhändler der EU-Staaten und des Europaparlaments haben sich in Brüssel darauf geeinigt, entsprechende Züchtungen in vielen Fällen von bislang strengen EU-Gentechnikregeln auszunehmen, wie beide Seiten in der Nacht zu Donnerstag mitteilten.

Die Bedenken der Kritiker von gentechnisch veränderten Lebensmittel werden damit nicht kleiner. Maria Lena Hohenester von der Landesvereinigung für den ökologischen Landbau in Bayern bringt die Sorge vieler Bauern auf den Punkt: "Wir können es nicht regulieren, weil wir die Natur nicht in der Hand haben und das Saatgut weitergetragen werden kann."

1. Was sind die Sorgen der Kritiker?

Es ist die Angst vor unkalkulierbaren Risiken und vor unkontrollierter Ausbreitung von gentechnisch veränderten Pflanzen, die die Gentechnik-Kritiker umtreibt. Außerdem die potenzielle Patentierung durch große Konzerne und keine Kennzeichnungspflicht für die neuen genomischen Verfahren.

2. Welches Potenzial sieht die Wissenschaft ?

Experten wie der Agrarwissenschaftler Professor Matin Qaim vom Zentrum für Entwicklungsforschung der Universität Bonn sehen das anders. Überall, wo Landwirtschaft betrieben werde, mache es auch Sinn, Pflanzen so zu entwickeln, dass sie "gute Erträge liefern und gut an die Umweltverhältnisse angepasst sind."

Und das ist mit den Neuen Genomischen Techniken – kurz NGT – möglich. Deshalb setzt die Wissenschaft auch auf Potenziale und Chancen der Neuen Grünen Gentechnik. Das geht etwa aus einer Stellungnahme der Wissenschaftsakademie Leopoldina [externer Link, möglicherweise Bezahlinhalt] hervor.

Durch Werkzeuge wie die Gen-Schere CRISPR/Cas sei es möglich, tatsächlich Pflanzen zu entwickeln, die produktiv sind, "also gute Erträge liefern und gleichzeitig umweltfreundlich und klimaangepasst sind", erklärt Matin Qaim, Mitglied der Leopoldina. Man könne etwa Pflanzen entwickeln, die gegen Schädlinge resistent sind – dann brauche es weniger Einsatz von Pestiziden. Beispiel: Die Kartoffelfäule – verursacht durch einen Pilz. Roland Peter leitet den Forschungsbereich Pflanzenzüchtung bei Agroscope [externer Link, möglicherweise Bezahlinhalt], dem schweizerischen Kompetenzzentrum für landwirtschaftliche Forschung, einer staatlichen Einrichtung.

Roland Peter erklärt, wie die Gen-Schere CRISPR/Cas in aktuellen Forschungsprojekten bei Kartoffeln eingesetzt wird. Sein Team möchte klären, wie mit CRISPR/Cas Resistenzen in der Kartoffelpflanze gezüchtet werden können, "damit man nicht mehr spritzen muss, keine Fungizide mehr, damit die Kartoffel nachhaltig wachsen kann."

3. Unterschiede zwischen konventioneller Züchtung und NGT?

Solche mit neuer Gentechnik entwickelten Produkte wären nicht mehr von herkömmlich gezüchteten zu unterscheiden. Durch Werkzeuge wie die Gen-Schere ist es möglich, Pflanzen so zu verändern, dass es dafür kein fremdes genetisches Material braucht. Die DNA der Pflanze wird punktuell verändert, also neu editiert. Ohne fremdes genetisches Material, etwa Bakterien, die in der klassischen Gentechnik eingesetzt wurden.

4. Warum ist die Kennzeichnung ein Streitpunkt?

Dass dann auch eine Kennzeichnungspflicht wegfiele, erzürnt Naturschützer wie Harald Ulmer vom Bund Naturschutz in Bayern. Aus seiner Sicht wäre es intransparent gegenüber dem Verbraucher, der dann nicht selber entscheiden könne, was er essen möchte und was in Lebensmitteln enthalten sei. Aus seiner Sicht wäre das "eine Katastrophe für den Verbraucherschutz".

Agrarwissenschaftler Matin Qaim erklärt hingegen, genau weil das Produkt am Ende identisch ist, gebe es keinen Grund für eine Andersbehandlung in der Regulation. Schließlich werden Produkte aus konventioneller Züchtung auch nicht gekennzeichnet.

5. Sind die Sorgen vor Patenten berechtigt?

Die Landwirte sorgen sich darum, dass einige große Saatguthersteller sich an NGT-Pflanzen die Patente sichern und sie dadurch von einzelnen Herstellern abhängig wären, so artikulierte auch der Deutsche Bauernverband seine Vorbehalte. Und erhält dabei Unterstützung aus der Wissenschaft. Agrarwissenschaftler Matin Qaim bekräftigte, dass die Frage nach dem Patentrecht auf jeden Fall diskutiert werden müsse. Eine Technologie zu nutzen und sie zuzulassen, heißt nicht, dass alles patentiert sein muss. Patentrecht müsse man "auch bei neuen technologischen Entwicklungen immer hinterfragen".

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