Die bayerische Kultusministerin Anna Stolz (Freie Wähler) tritt auf die Bremse. Während CSU-Fraktionschef Klaus Holetschek die schnelle Einführung einer Hymnenpflicht beispielsweise bei wichtigen Anlässen an Schulen fordert und vor "langwierigen Debatten" warnte, kündigt Stolz zunächst einen Austausch mit Lehrern an: "Wir wollen die Hymnen an unseren Schulen noch ein Stück weit präsenter machen. Wie und auf welchen Wegen, möchte ich gerne mit der Schulfamilie diskutieren."
Die CSU hatte am Samstag auf einem Parteitag beschlossen, dass ihre Abgeordneten im Landtag und Bundestag sich "für ein verpflichtendes Spielen der Nationalhymne und der Europahymne sowie in Bayern der Bayernhymne zu gesellschaftlich relevanten Anlässen wie der Verleihung von Schul- und Berufsabschlüssen" einsetzen sollen. CSU-Fraktionschef Holetschek sagte daraufhin dem BR: "Der Beschluss des CSU-Parteitages ist wichtig, wir wollen ihn schnell umsetzen." Es gehe darum, ein identitätsstiftendes Zeichen für unsere Gemeinschaft zu setzen.
Ministerin: "Letztlich nicht entscheidend"
Stolz betonte, gerade für junge Menschen sei es wichtig, dass sie sich den Werten der Gesellschaft verbunden fühlen und Zusammenhalt erleben. Bisher dürften die bayerischen Schulen selbst entscheiden, ob sie bei festlichen Anlässen wie etwa Zeugnisverleihungen die Bayern- oder Deutschlandhymne spielen. "Davon wird reichlich Gebrauch gemacht und das ist auch immer ein besonderer Gänsehautmoment."
Für die Zukunft könne sie sich vorstellen, die Auseinandersetzung mit Hymnen in die Verfassungsviertelstunde oder in Wettbewerbe einzubetten. "Letztendlich ist es aber nicht entscheidend, dass die Hymnen zu bestimmten Anlässen immer verpflichtend gesungen werden, sondern dass die jungen Leute die Werte, um die es geht, verstehen und verinnerlichen." Zuerst hatte die Deutsche Presse-Agentur darüber berichtet.
Die Freie-Wähler-Ministerin war in den vergangenen Monaten und Jahren bereits mehrfach durch Ansagen von Ministerpräsident Markus Söder (CSU) oder Vorstößen der CSU überrascht worden: beispielsweise bei der Grundschul-Reform, beim Festhalten an Exen, der Sprachtestpflicht und bei Arbeitszeitregelungen für Lehrer.
Lehrerverbände sehen Verpflichtung skeptisch
Der Bayerische Realschullehrerverband, der Philologenverband und der Verband der Lehrer an beruflichen Schulen kritisierten Anfang der Woche den Versuch, "durch eine von oben gesetzte Verpflichtung Fakten zu schaffen". Zwar sei es lohnenswert, eine Debatte über gemeinschaftsstiftende Rituale zu starten. Es müssten aber die Herzen der Adressaten erreicht werden. "Traditionen, die über Jahrzehnte leer geworden und verloren gegangen sind, können nur schwer 'von heute auf morgen' durch verpflichtende Setzungen wiederbelebt werden." Vielmehr gelte es, junge Menschen einzubeziehen und mitzunehmen.
Auch die Präsidentin des Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverbands Simone Fleischmann äußerte Zweifel daran, dass sich ein Wir-Gefühl durch staatlichen Zwang erreichen lasse. Nötig sei Tiefgang in der politischen Bildung.
BR-Anfragen an den Bayerischen Landesschülerrat und die Bundesschülerkonferenz blieben bisher unbeantwortet.
Hymne als "Symbol der nationalen Identität"
Eingereicht hatte die Forderung beim CSU-Parteitag die Junge Union: Die Bedeutung der Nationalhymne werde einem bewusst, wenn man an große Sportereignisse wie zum Beispiel den Superbowl in den USA denke, heißt es in dem Antrag. "Sie ist Symbol der nationalen Identität, der Zusammengehörigkeit und des Patriotismus und repräsentiert die Nation, ihre Geschichte, ihre Werte und ihren Stolz."
Angesichts der zunehmenden Kinder- und Jugendgewalt sei eine Stärkung des Zusammengehörigkeitsgefühls nötig. Zudem versprechen sich die Antragsteller vom Spielen der Hymnen mehr Patriotismus und damit mehr Bewerber bei der Bundeswehr. Auch könne die Integration insbesondere minderjähriger Asylbewerber "kostengünstig und ohne größeren Aufwand" weiter gefördert werden. Es sei immer wichtiger, "unsere Nationalsymbole nicht den rechten Randgruppen zu überlassen".
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