Das Highlight im neuen Stadtmuseum von Naila im Landkreis Hof ist der weltberühmte Ballon, mit dem 1979 die Flucht aus der DDR gelungen ist. Zur Eröffnung kamen Mitglieder der beiden Familien Strelzyk und Wetzel, die die Flucht erfolgreich wagten. Und sie zeigten sich sehr bewegt über die Ausstellung.
Per AR-Brille zurück in den Fluchtballon
Etwa Petra Wetzel. Sie erzählt, wie sie die Flucht im Museum mittels einer Augmented Reality (AR) Brille noch einmal erlebt hat. In der Brille läuft ein Film über die Flucht ab. Der Computer gibt einem das Gefühl, selbst mit dem Heißluftballon zu fahren. "Das Fauchen des Brenners, dieses Geräusch, immer wenn ich es höre, durchfährt es mich und die Erinnerungen kommen", erzählt sie.
Damals, am 16. September 1979, saß sie mit ihren beiden kleinen Kindern, zwei und fünf Jahre alt, auf der zugigen Plattform des Heißluftballons. "Dort oben in der Luft habe ich mein Testament gemacht und ich hoffte, dass wir nicht wieder in der DDR landen würden. Uns nicht die Stasi in die Hände bekommt und uns nicht die Kinder weggenommen werden. Dann lieber sterben." So beschreibt Petra Wetzel ihre Gefühle von damals.
Durch die Luft von Thüringen nach Bayern
Die Ballonflüchtlinge stehen im Museum im Mittelpunkt, genauso wie ihr Fluchtgefährt. Ganz klar das Zentrum des neuen Museums im Bürgerzentrum Naila. In zwei Abteilungen geht es um die Flucht, die Gründe, den Ballon und wie die Geschichte im Westen weiterging. Die Fragen, schon tausendmal gestellt in den letzten 48 Jahren, beantworten die Beteiligten geduldig.
Frank Riedmann und sein Bruder Andreas Strelzyk, damals noch Jungs. Petra Wetzel und ihr Ex-Mann Günter, der den Ballon maßgeblich konstruierte. Sie waren zu acht damals bei ihrer Flucht. Zwei Familien aus Pößneck in Thüringen. Vier Erwachsene, vier Kinder.
Besuchen in Naila die Ausstellung über ihre eigene Flucht aus der DDR: Frank Riedmann, geb. Strelzyk; Petra Wetzel; Andreas Strelzyk (v.l.)
Die sensationelle Ballonflucht
Den Ballon bauten sie unter strenger Geheimhaltung im Keller, kauften und sammelten die einzelnen Bauteile an unterschiedlichen Orten. Zwei Versuche scheiterten, beim Dritten stiegen sie von einer Wiese bei Oberlemnitz bis auf 2.000 Meter Höhe auf. Sie fuhren mit dem Nordwind etwa 28 Minuten in Richtung Süden. Bis sie bei Dreigrün, einem Ortsteil von Naila, landeten. Eine sensationelle Flucht. Die DDR blamiert.
Frank Stumpf, heute Bürgermeister von Naila, erlebte das damals mit, wohnte in der Nähe. "Da kamen den ganzen Tag Menschen zum Landeplatz. Zu Fuß, mit dem Auto. Und alle unterhielten sich über die Ballonflucht. Dass das überhaupt möglich war!"
Interesse an der Flucht noch immer groß
Seitdem gehen die Ballonflüchtlinge immer wieder mal, jeder für sich, auf Tour. Sie halten Vorträge, sprechen in Schulen. "Die wollen alles wissen. Wie es in der Schule war, der Drill, die politische Einflussnahme der Lehrer und natürlich die Flucht", erklärt Frank Riedmann, der Sohn von Peter Strelzyk.
Schlimme Folgen für Verwandtschaft in der DDR
Und welche Auswirkungen die geglückte Flucht auf die Verwandtschaft in der DDR hatte, davon erzählt seine Cousine Anke Strzelczyk. Die Geschwister von Peter Strelzyk wurden sofort vom SED-Regime verhaftet, ihre Tante saß zwei Jahre in Haft, ihr Vater wurde nach drei Monaten entlassen - "er war wesensverändert, traumatisiert." Ihr Vater wollte nie über seine Gefängniserfahrung erzählen. "Er meinte nur: ´Das wünsche ich nicht mal meinem ärgsten Feind`", sagt seine Tochter. Nach dem Mauerfall habe er sich mit seinem geflüchteten Bruder ausgesprochen.
Weitere Gedenkstätte in Oberfranken
Oberfranken hat nun drei prominente Erinnerungsorte an die Deutsche Teilung: Mödlareuth – Little Berlin. Den Hofer Bahnhof, wo die Züge mit den Flüchtlingen aus der Prager Botschaft 1989 ankamen und das neue Museum Naila mit dem Fluchtballon.
Im neuen Museum in Naila: Die Konstruktion der Plattform mit der die beiden Familien am Ballon hängend 1979 aus der DDR flüchteten.
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