Sieben Jahre lang gab es in Bayern das "Familiengeld". Eine Unterstützung von mindestens 6.000 Euro pro Kind. Ende 2024 kündigte die Staatsregierung an, die Summe zu halbieren. Zum ersten Geburtstag sollte es ein Kinderstartgeld von einmalig 3.000 Euro geben. Seit zwei Wochen ist klar: Familien, deren Kinder ab 2025 geboren wurden, gehen leer aus. Das Geld fließt direkt an die Kita-Träger, als Ausgleich für gestiegene Betriebskosten.
Nach Kinderstartgeld-Aus: Wo steht Bayern?
Mit der finanziellen Unterstützung für jedes Kleinkind hatte Bayern ein familienpolitisches Alleinstellungsmerkmal. Nur Sachsen zahlt Familien ein "Landeserziehungsgeld". Allerdings nur, wenn die Kinder keine Kita in Anspruch nehmen, bis sie drei Jahre sind. In allen anderen Bundesländern gibt es - so wie jetzt in Bayern – kein Extrageld. Wo steht Bayern ohne Familiengeld im Ländervergleich bei der Familienfreundlichkeit?
Kita-Gebühren: Freistaat im hinteren Mittelfeld
Bei den Kosten für einen Kitaplatz ergibt sich bundesweit ein heterogenes Bild: Kostenfrei ist die Kita für alle in Mecklenburg-Vorpommern, Berlin und in Hamburg (bis zu fünf Stunden). In fast allen anderen Ländern sind Eltern teilweise (zwischen einem und drei Jahren) komplett von Kita-Gebühren befreit. In Niedersachsen kann ein Kind drei Jahre lang kostenfrei eine Kita besuchen, in Nordrhein-Westfalen zwei Jahre. Schleswig-Holstein hat einen landesweiten "Gebührendeckel". In Sachsen-Anhalt profitieren Geschwisterkinder von einer Beitragsfreiheit.
In Sachsen, Baden-Württemberg und Bayern gibt es keine generelle Befreiung oder Deckelung von Kita-Gebühren. Bayern überweist aber für die Kindergartenzeit einen Zuschuss von 100 Euro pro Monat und Kind direkt an die Einrichtungen. Je nach Kommune müssen Eltern unterschiedliche Beträge zuzahlen. In einigen Städten und Gemeinden übernehmen die Kommunen den Restbetrag.
Der Familienpolitik-Experte vom Institut der deutschen Wirtschaft (IW), Wido Geis-Thöne, sieht Bayern im Vergleich der Flächenländer damit auf einem Platz im hinteren Mittelfeld.
Betreuungsqualität: Forscher sehen Luft nach oben
Den Stand der Kinderbetreuung in den unterschiedlichen Ländern lässt die Bertelsmann Stiftung regelmäßig untersuchen. Positiv wertet Anette Stein, Stiftungsdirektorin des Programms Bildung und Next Generation, dass Bayern die Kinderbetreuungsangebote zuletzt massiv ausgebaut hat. Trotzdem gebe es bei den Unter-Dreijährigen eine Betreuungslücke von 14 Prozentpunkten. Trotz Rechtsanspruch auf frühkindliche Förderung in einer Kindertageseinrichtung oder in Kindertagespflege.
Großen Nachholbedarf sieht die Wissenschaftlerin bei der Betreuungsqualität in Krippen und Kindergärten. So liegt Bayern laut einer aktuellen Studie bei der "Fachkraft-Quote" auf dem letzten Platz im Ländervergleich. Der Anteil der mindestens zur Erzieherin ausgebildeten Fachkräfte liegt im Freistaat bei knapp 55 Prozent - Spitzenreiter Thüringen kommt auf 94, der bundesweite Schnitt liegt bei 72 Prozent.
Eine Forderung von Bund und Ländern ist, dass in den Kitas mittelfristig acht von zehn pädagogisch Tätigen mindestens eine mehrjährige Ausbildung zur Erzieherin absolviert haben. Fachkräfte, so Stein, entscheiden "jeden Tag in jeder Situation, ob das Kind gut betreut, gut gefördert wird oder ob es gegebenenfalls auch nicht optimal läuft".
Hamburg liegt vorne
Nimmt man Kosten, Anzahl der Plätze und Qualität der Betreuung zusammen, hat laut IW-Familienexperte Geis-Thöne Hamburg die Nase vorn. Neben der Kostenfreiheit lobt er, dass Hamburg sich gute Betreuung gerade in Brennpunkten etwas kosten lasse und so Kinder aus ärmeren oder bildungsfernen Familien frühzeitig gefördert werden. Allerdings lassen sich Stadtstaaten und Flächenländer nur bedingt miteinander vergleichen. Bayern "schwimmt da irgendwo mit", sei "sicher nicht das Land, wo es am schlechtesten aussieht", aber definitiv niemand, "der sich mit dem Bereich Familienpolitik brüsten sollte", so Geis-Thöne.
Ifo-Institut: Bayern Familienland Nummer eins
Doch woher kommt der bayerische Nimbus, "Familienland Nummer eins" zu sein? Familienministerin Ulrike Scharf verweist auf eine Studie des ifo-Instituts aus dem Frühjahr. Darin schneidet Bayern bei einem Ranking der Länder am besten ab. Studienmacherin Kyra Riederer hat sich bei dieser Erhebung verschiedene Faktoren angeschaut: Wirtschaft, Gesellschaft, Klima, Umwelt, Bildung und Kinderbetreuung. Große Unterschiede habe sie nicht festgestellt, erklärt Riederer. Bayern konnte vor allem bei Klima und Umwelt punkten. "Da zeigt sich einfach, dass die Berge und die Verfügbarkeit von großen Grünflächen hier die Bewertung nach oben ziehen", so das Fazit der Wissenschaftlerin.
Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!
