Bei einem sogenannten "Stromnetzgipfel" in der Bayerischen Staatskanzlei haben Vertreter von Staatsregierung, Wirtschaft und Netzbetreibern darüber beraten, wie der Stromnetzausbau in Bayern schneller und effizienter werden kann. Das ist dringend nötig, denn die bayerischen Betreiber kommen beim Ausbau ihrer Stromnetze der Nachfrage kaum hinterher.
Bayernwerk: "Wir werden überrannt von Anschlussanfragen"
Zum Beispiel bei großen Rechenzentren: Im Netz des Bayernwerks gibt es nach Angaben des Unternehmens bisher vier davon. Drei weitere Rechenzentren sind im Bau und mindestens 13 weitere beantragen einen Netzanschluss. Diese stehen in Konkurrenz mit einer Art Lawine an Speicherprojekten, die auch ans bayerische Stromnetz wollen. "Wir werden überrannt von Anfragen", konstatiert Bayernwerk-Chef Egon Westphal.
Bisher ist bei Netzanschlüssen ganz einfach der zuerst dran, der als erster anfragt. Was in der Praxis bedeutet, dass die meisten Anschlusskapazitäten von Batteriespeichern blockiert würden und die Rechenzentren zurückstehen müssten.
Batteriespeicher sollen für Rechenzentren zurückstehen
Nicht sinnvoll, findet CSU-Ministerpräsident Markus Söder: "Wir wollen ja auch Rechenzentren bei uns haben. Und bei der Bewerbung um verschiedene internationale Rechenzentren kann die Knappheit bei den Anschlüssen dann ein Wettbewerbsnachteil sein." Der Bund soll eine Priorisierung der Netzanschlüsse statt des bisherigen Windhundverfahrens regeln, fordern Netzbetreiber, Staatsregierung und Vereinigung der bayerischen Wirtschaft (vbw).
Beschleunigungsmaßnahmen wirken
Die Netzbetreiber Tennet und Bayernwerk versichern, neue Leitungen zu bauen, so schnell sie können. Die bisherigen Verfahrenserleichterungen durch die Ampelregierung im Bund und die Staatsregierung zeigten Wirkung, betont Tennet-Chef Tim Meyerjürgens: "Wir sehen gute Fortschritte im Netzausbau in Bayern."
Gleichzeitig machte er aber deutlich, dass noch viel zu tun bleibt: Rund 100 Kilometer neue Leitungen hat Tennet in Bayern bereits in Betrieb genommen und etwa 265 Kilometer derzeit im Bau. In Genehmigung und Planung stecken jedoch noch weitere 1.200 Kilometer. Darunter auch ein weiterer Netzanschluss für das oberbayerische Chemiedreieck. Nach den Worten des Tennet-Chefs "eine ganz entscheidende Leitung, die wir brauchen hier in Bayern, um die Arbeitsplätze und die Industrie zu sichern."
Dass das jüngste Energiewende-Monitoring des Bundeswirtschaftsministeriums für 2030 einen etwas geringeren Strombedarf vorhersieht als bisherige Prognosen, ist nach Ansicht der Netzbetreiber kein Grund, beim Ausbau nachzulassen.
Grüne: "Ohne CSU wären viele Probleme nicht entstanden"
Bertram Brossardt von der Vereinigung der bayerischen Wirtschaft (vbw) findet "besonders gut", dass laut Koalitionsvertrag im Bund Gleichstromtrassen künftig wieder überirdisch gebaut werden, weil das die Kosten deutlich senkt.
Die Erdverkabelung hatte vor zehn Jahren der damalige bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) durchgesetzt, der die Notwendigkeit des Netzausbaus grundsätzlich in Frage gestellt hatte. Daran erinnert der Grünen-Landtagsabgeordnete Martin Stümpfig: "Der Netzausbau wurde jahrelang von der CSU blockiert – ohne diese Blockadepolitik wären viele heutige Probleme gar nicht entstanden."
Aiwanger: Netz besser ausnutzen
Inzwischen unterstützt die Staatsregierung den Netzausbau jedoch ausdrücklich. Der Freistaat verspricht noch einfachere Genehmigungsverfahren, zum Beispiel für Ersatzneubauten bestehender Strommasten. Dafür seien Seriengenehmigungen oder sogar Verfahrensfreiheit denkbar. Im bayerischen Umweltministerium soll eine Clearingstelle eingerichtet werden, die naturschutzrechtliche Genehmigungen von Stromleitungen begleiten und beschleunigen soll. Und Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (FW) wirbt dafür, dass sich Windräder und Solarparks Netzanschlusspunkte teilen, weil sie wetterbedingt ohnehin meistens abwechselnd einspeisen. "Wir müssen die Netze optimieren", betont er, und bestehende Leitungen möglichst gut ausnutzen.
Im Video: München - Stromnetzgipfel in der Staatskanzlei
München: Stromnetzgipfel in der Staatskanzlei
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