206 Seiten umfasst die Studie der Unabhängigen Aufarbeitungskomission Augsburg zu sexuellem Missbrauch im Bistum Augsburg.
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206 Seiten umfasst die Studie der Unabhängigen Aufarbeitungskommission Augsburg zu sexuellem Missbrauch im Bistum Augsburg.
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Missbrauch im Bistum Augsburg: Bischof zieht Konsequenzen

Missbrauch im Bistum Augsburg: Bischof zieht Konsequenzen

Über 190 Fälle von sexualisierter Gewalt hat ein unabhängiges Gremium in einer Missbrauchsstudie im Bistum Augsburg dokumentiert. Bischof Bertram Meier zeigt sich entsetzt und zieht erste Konsequenzen.

Über dieses Thema berichtet: Regionalnachrichten aus Schwaben am .

"Mich packte das Entsetzen", erklärt der Augsburger Bischof Bertram Meier. Er bezieht sich dabei auf die "präzisen Schilderungen" von Fällen sexualisierter Gewalt durch Geistliche im Bistum Augsburg, die in der Studie der Unabhängigen Aufarbeitungskommission (UAKA) vorkommen. Neben strafbaren Berührungen, Masturbation und Penetration sind dort auch nicht strafbare sexuelle Übergriffe dokumentiert, wie halbnackte Atemübungen mit Berührungen im Religionsunterricht. Eine etwa 14-jährige Ministrantin habe auch einen "erotischen Adventskalender" bekommen.

Mehr als 190 Taten in über 80 Jahren tauchen in der Studie auf, der Großteil von ihnen ungesühnt. Hinweise wurden laut dem Bericht oft jahrzehntelang ignoriert oder nicht weiterverfolgt. "Ich musste die Studie mehrfach aus der Hand legen", so Meier.

Neue Fälle sollen öffentlich werden

Drei Wochen nach der Veröffentlichung der mehr als 200 Seiten zieht der Bischof erste Konsequenzen aus den Ergebnissen. Er will für mehr Transparenz sorgen: Kommt es zu neuen Fällen sexualisierter Gewalt im Bistum Augsburg, sollen sie künftig jedes Jahr im Amtsblatt veröffentlicht werden. Ab Januar 2026 sollen Prävention, Intervention und Hilfe für Betroffene in einer zentralen Stabsstelle gebündelt werden. Unabhängige Ansprechpersonen und eine vom Bistum unabhängige Instanz, die die Plausibilität von Vorwürfen prüft und diese dann weiterleitet, gebe es bereits, betont Meier. Zusätzlich soll eine neue Nachsorgestelle geschaffen werden.

In der Ausbildung sollen Geistliche mehr als bisher für Missbrauch sensibilisiert werden. Ob beschuldigte Kleriker Auflagen einhalten, soll in Zukunft strenger kontrolliert, die bisherige Aktenführung auf Fälschungssicherheit überprüft werden. Die Personalaktenordnung für Kleriker, die seit 2021 gilt, werde aktuell bewertet, so Meier. Die UAKA hatte in ihrer Studie kritisiert, dass Personalentscheidungen ungenügend archiviert würden und daher nicht immer nachverfolgbar seien.

Mehr Fälle an Staatsanwaltschaft weitergeleitet

Die Empfehlung der UAKA, es Klerikern generell zu verbieten, Minderjährige in Pfarrhäuser oder Privatwohnungen einzuladen, greift Meier in seiner Stellungnahme auf – allerdings noch ohne konkrete Maßnahmen zu nennen. Denn auch das ist ein Ergebnis der Studie: Viele Taten verübten Beschuldigte in ihrer Privatwohnung, ihrem Auto oder dem Pfarrhaus. Die Empfehlungen der Aufarbeitungskommission sollen laut Meier in den kommenden Monaten in diözesanen Gremien beraten und schrittweise umgesetzt werden.

Meier hob positiv hervor, dass der Anteil der an die Staatsanwaltschaft weitergeleiteten Fälle seit 2010 deutlich gestiegen sei. Dies zeige, dass das Meldesystem anders als in der Vergangenheit heute "verlässlich funktioniere".

Meier wendet sich an Betroffene

Die UAKA, ein unabhängiges Gremium mit Richtern, Theologen und Betroffenenvertretern, wurde 2021 eingerichtet, auf Grundlage der "gemeinsamen Erklärung über verbindliche Kriterien und Standards für eine unabhängige Aufarbeitung von sexuellem Missbrauch in der katholischen Kirche in Deutschland". Ihre Studie stützt sich auf die Auswertung von 1.507 Personalakten und dokumentiert die Fälle von 85 beschuldigten Klerikern. Die Kommission hatte dabei nicht nur dokumentiert, sondern auch geprüft, ob kirchliche Verantwortungsträger angemessen reagiert haben – und kam zu dem Schluss, dass dies häufig nicht der Fall war.

Auch an die Betroffenen richtet sich Bischof Bertram Meier in seiner Stellungnahme. "Ihr Leid geht mir sehr zu Herzen und die schwere Schuld des Bistums Augsburg Ihnen gegenüber lastet mir auf der Seele." Seit seinem Antritt als Bischof im Jahr 2020 sieht die Kommission keine Pflichtverletzungen.

Positive Reaktion von Betroffenen

Die UAKA bewertet die Reaktion von Meier insgesamt positiv: Der Bischof greife zentrale Empfehlungen auf oder habe sie auf die Agenda des Bistums gesetzt, lobt die Kommission in einer Stellungnahme auf eine Anfrage von BR24. Zugleich kündigt sie an, den daraus angestoßenen Umsetzungsprozess aufmerksam, kritisch und kooperativ zu begleiten. Auch der Unabhängige Betroffenenbeirat Augsburg begrüßt, dass zentrale Empfehlungen der Studie wie die jährliche Veröffentlichung neu bekannt gewordener Fälle aufgegriffen wurden.

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