Unter Druck: Bayerns Sozialministein Ulrike Scharf, CSU
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Missbrauchs-Petition: Landtag macht Druck auf Sozialministerin

Missbrauchs-Petition: Landtag macht Druck auf Sozialministerin

Bayerns Sozialministerium hatte eine Petition von Missbrauchsbetroffenen gegen das Landtags-Votum abgelehnt, sah keinen Handlungsbedarf. Vier Landtagsfraktionen, auch CSU und FW, halten mit einem Antrag weiter dagegen. Nun bewegt sich die Ministerin.

Über dieses Thema berichtet: BR24 Radio am .

Es ist ein eher ungewöhnlicher Vorgang: Obwohl das zuständige Sozialministerium eine Petition von Missbrauchsbetroffenen in zwei Stellungnahmen klar abgelehnt hat, kämpft der Sozialausschuss des Bayerischen Landtags weiter für die Anliegen der Petenten. Unter dem Titel "Gewalt an Kindern und Jugendlichen entschlossen entgegentreten", fordern die Missbrauchsbetroffenen und ihre Unterstützer neue Strukturen zur Aufarbeitung von Missbrauchsfällen in allen gesellschaftlichen Bereichen: etwa einen Landes-Missbrauchsbeauftragten und die Beteiligung von Betroffenen. Analog zur Bundesebene. Das Sozialministerium hatte bislang argumentiert, Strukturen und Hilfsangebote in Bayern seien ausreichend.

CSU, Freie Wähler, SPD und Grüne stellen gemeinsamen Antrag

Hinter die Petition hat sich auch der CSU-Sozialpolitiker Thomas Huber gestellt, und damit gegen seine Parteifreundin, Sozialministerin Ulrike Scharf (CSU). Huber will nun aus dem Parlament heraus, Teile der Petition doch noch umsetzen. "Wir möchten die Staatsregierung beauftragen, aufbauend auf dem, was wir heute schon haben, einen strukturierten Prozess zur Weiterentwicklung von Kinderschutzkonzepten (...) unter Beteiligung der Betroffenen aufzusetzen", so Huber. Einen entsprechenden gemeinsamen Antrag von CSU, Freien Wählern, Grünen und SPD wollen die Abgeordneten heute verabschieden. Damit muss die Ministerin handeln, die Abgeordneten haben eine Art Berichtspflicht des Ministeriums hineingeschrieben.

Mit dem Ausschussvotum bleibt das Thema auf der Agenda

Die SPD-Sozialpolitikerin Doris Rauscher unterstützt den gemeinsamen Antrag, weil dieser "der Versuch" sei, das Thema und die Petition "offen zu halten". Ganz zufrieden ist sie nicht, einiges sei "zu soft" formuliert. Sie hätte sich weniger Lob für bestehende Angebote und statt dessen klare Forderungen an die Staatsregierung erhofft. Das Signal aus dem Landtag an die Staatsregierung sei dennoch eindeutig: "Letztlich muss die Exekutive den Auftrag der Legislative ausführen", so Rauscher. Sie vermutet, "dass das der Sozialministerin nicht so wirklich schmeckt".

Ministerin: "Trage Votum des Landtags mit"

Ulrike Scharf schlägt in dieser Woche etwas andere Töne als zuvor an. Hatte sie die Petition zunächst abgelehnt, sagt sie nun im BR24 Gespräch: "Ich begrüße das Votum und trage es auch mit, was der Bayerische Landtag mit der Petition verabschiedet hat". Sie habe viele Gespräche geführt. Kinderschutz sei eine ressortübergreifende Aufgabe, sagt Scharf. Die Petition habe einen "wichtigen Anstoß zur Weiterentwicklung gegeben". Betroffene würden jetzt beteiligt. Neue Strukturen aufzusetzen lehnt Scharf aber weiterhin ab - mit Verweis auf "etablierte Strukturen".

Richard Kick, der die Petition gemeinsam mit anderen Betroffenen - unterstützt von Wissenschaftlern und Juristen - eingereicht hatte, tut sich mit den jüngsten Ausführungen der Ministerin schwer. "Ich sag' mal so. Ich hab' ein Problem damit, wenn das nicht mit Inhalten gefüllt wird." Seit Jahren kämpft Kick darum, dass die Staatsregierung sein Anliegen ernst nimmt und aus einer Fürsorgepflicht heraus Verantwortung übernimmt. Die Petition habe er gestartet, weil die Betroffenen zu wenig Gehör gefunden hätten.

Enttäuschung über Agieren des Ministeriums

Der Druck auf die Ministerin ist über die letzten Monate hinweg stärker geworden. Fraktionsübergreifend wurde die Petition als "besonders fundiert" eingeschätzt. "Enttäuschend" nannte deshalb etwa der Freie Wähler Fraktionschef Florian Streibl die ablehnenden Schreiben aus dem von Ulrike Scharf geführten Sozialministerium. Die unabhängige Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Kerstin Claus (Grüne), bezeichnete die Schreiben als "irritierend". Für Doris Rauscher (SPD) sind diese gar "erbärmlich". Sie hätte sich "bei diesem sensiblen Thema" einen "anderen Umgang" mit den Betroffenen gewünscht. Scharfs Parteifreund Thomas Huber will das Agieren der Ministerin nicht bewerten. Er sagt, das jüngste Papier, mit dem das Sozialministerium die Petition de facto abgelehnt hatte, sei "eine Bestandsaufnahme" und eine "gute Grundlage für die weitere Vorgehensweise".

Strukturen für Kinderschutz: Bayern hinkt hinterher

Der interfraktionelle Antrag im Sozialausschuss ist ein Kompromiss, der kleinste gemeinsame Nenner. Einige Fraktionen wären gerne weiter gegangen. Sie sehen, dass in anderen Bundesländern Betroffenenbeiräte installiert wurden oder Kinderschutzkonzepte für Schulen verpflichtend sind. Etwa in Rheinland-Pfalz, Hessen und Nordrhein-Westfalen. In Bayern gibt es all das nicht. Das kritisierte unlängst auch die Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Kerstin Claus. Sie sagt: "Nur mit verpflichtenden Standards kommt man hier voran".

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