(Archivbild) Polizisten kontrollieren einen Mann in Königsbrunn bei einer Feier einer Großfamilie.
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(Archivbild) Die Polizei hat Kenntnisse, dass auf einer Veranstaltung einige Gäste Waffen dabei gehabt haben sollen.
Bildrechte: picture alliance/dpa | Stefan Puchner
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Nach Razzia: Clan-Strukturen und Paralleljustiz im Fokus

Nach Razzia: Clan-Strukturen und Paralleljustiz im Fokus

Selbstjustiz auf Familienfest? Nach einer Großrazzia in Königsbrunn laufen Ermittlungen gegen einen Clan, der eigene Strafen verhängt haben soll. Die Polizei warnt vor Paralleljustiz – auch über Bayerns Grenzen hinaus.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Schwaben am .

Königsbrunn, Mitte Juli: Eine Silberhochzeit wird zum Schauplatz eines massiven Polizeieinsatzes. Mit 280 Beamten riegelt die Polizei eine Eventhalle ab, kontrolliert 300 Gäste – der Verdacht: Ein rumänisch-stämmiger Familienclan wollte bei dem Fest eigene Urteile vollstrecken. Friedensrichter heißen die Männer in den Clans, die solche "Tribunale" leiten. Doch was nach Schlichtung klingt, entpuppt sich immer wieder als brutale Paralleljustiz.

"Bewusste Abschottung vom Rechtsstaat"

Für Kripo-Kommissar Hans-Peter Chloupek von der Münchner Polizei steht fest: "Die Beteiligten wissen, was unser Gesetz verlangt, lehnen es aber bewusst ab." Friedensrichter innerhalb der Clans sprächen Urteile, die von allen akzeptiert werden müssten – wer sich widersetzt, riskiert harte Strafen bis hin zu Gewaltverbrechen. Es gehe um Ehre, Macht und Kontrolle, nicht um Rechtsprechung im eigentlichen Sinne, so der langjährige Ermittler. Er ist zuständig im Bereich "organisierte Kriminalität".

Denn genau darum geht es. "Dort gibt es klare Rollenverteilungen. Gewalt und Abschottung sichern die Macht und die Einnahmen des Clans. Das ist genau das, was wir unter organisierter Kriminalität verstehen und da geht es nicht nur um einzelne Taten, es geht um das ganze System, das dahinter steckt", so Chloupek.

Clan agiert europaweit – Polizei deckt Strukturen auf

Die Ermittlungen zeigen: Der betroffene Clan ist europaweit vernetzt, mit Verbindungen nach Italien und Frankreich. Die Verlegung der Feier von München nach Königsbrunn war möglicherweise kein Zufall, sondern sollte Berichten zufolge möglicherweise polizeiliche Zugriffe erschweren. Laut Polizei operieren solche Clans mit festen Strukturen, klarer Rollenverteilung und patriarchalischer Ordnung. In Bayern seien ähnliche Fälle bekannt, aber das Problem betreffe die ganze Bundesrepublik.

Razzia als Signal gegen Paralleljustiz

Der Zugriff in Königsbrunn war mehr als reine Gefahrenabwehr – er war ein strategisches Signal, sagt Chloupek. "Ein Schuss vor den Bug, dass wir so etwas nicht dulden." Auch wenn die zwölf vorläufig Festgenommenen inzwischen wieder auf freiem Fuß sind, ermittelt die Polizei weiter – wegen Verdachts auf Körperverletzung, Menschenhandel, Erpressung und Betrug. Bei weiteren Hinweisen auf geplante "Tribunale" wolle man konsequent eingreifen. Die Münchner Polizei sieht sich gut vorbereitet, betont jedoch, dass solche Ermittlungen langwierig und komplex sind.

Der Fall in Königsbrunn sei dabei nur die Spitze des Eisbergs. Die jüngsten Zahlen des Bundeskriminalamts stammen aus dem Jahr 2023. Demnach wurden 642 Ermittlungsverfahren gegen Gruppierungen der organisierten Kriminalität geführt. Im selben Zeitraum gab es in Bayern 79 Ermittlungsverfahren. Die Zahlen waren in den Jahren zuvor ähnlich hoch.

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