In Schwaben wird Eishockey auf Plastik-Eis gespielt
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Im Günzburger Legoland ersetzt Plastik die herkömmliche Eisfläche.
Bildrechte: BR / Annika Thommes
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Plastik statt Eis: Neue Kunsteis-Technologie in Schwaben

Plastik statt Eis: Neue Kunsteis-Technologie in Schwaben

Die Winter werden wärmer – Schlittschuhfans suchen nach Alternativen zum gefrorenen See. Können künstliche Laufflächen das Eis ersetzen? In Schwaben ziehen Schlittschuhfahrer auf einer Kunststofffläche ihre Bahnen. Doch es gibt auch Kritik.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Schwaben am .

Vor ein paar Tagen hat das Legoland in Günzburg seine Wintersaison eröffnet. Das Highlight ist allerdings kein Fahrgeschäft, sondern eine Schlittschuhbahn. Sie besteht aus Kunststoff und nicht – wie noch in den Vorjahren – aus Eis. "Um die alte Bahn einige Wochen zu kühlen, brauchten wir so viel Strom wie 13 Einfamilienhäuser im ganzen Jahr. Jetzt haben wir eine nachhaltigere Lösung gefunden", sagt Manuela Stone, Geschäftsführerin des Legolands. Doch herkömmliche Kunststoffplatten hatten bis dato ein Problem – das Fahrgefühl konnte nicht ansatzweise mit dem großen Vorbild mithalten. Für die neue Bahn verspricht der Schweizer Hersteller "Glice" dagegen ein Gleiten wie auf normalem Eis.

Inspiration aus der Natur

Entwickelt wurde die Technologie zusammen mit dem Fraunhofer-Institut in Karlsruhe. Matthias Scherge ist Professor für Tribologie, einer Wissenschaft, die sich mit Reibung und Verschleiß auseinandersetzt. Er hatte schon das Schweizer Bobteam oder Skeletonfahrer in wissenschaftlichen Fragen beraten. Bei der neuen Technik war es das Ziel, die Natur so gut wie möglich nachzuahmen, beispielsweise den Wasserfilm, auf dem man beim normalen Eis gleitet. "Ein Schmierstoff an der Oberfläche wäre nach einer gewissen Zeit abgetragen. Also haben wir ihn zusammen mit dem Hersteller in das Material eingearbeitet, damit er Schritt für Schritt freigesetzt wird und so einen Effekt bewirkt", sagt Scherge.

Doch auch andere Parameter waren wichtig, wie die Kufe des Schlittschuhs. Sie darf keine zu große Kontaktfläche zum Kunststoff haben, sonst erhöht sich die Reibung. Und sie soll auch nicht zu sehr einsinken. Das war in der Vergangenheit bei Kunststoffplatten häufiger der Fall und sorgte für ein eher ruckeliges Fahrerlebnis. Das neue Verfahren mit einem härteren Materialkern und einer beweglicheren Oberfläche verspricht nach Tests des Fraunhofer-Instituts einen noch geringen Widerstand als gewöhnliches Eis.

Kritik am künstlichen Eis

Schlittschuhfahren auf Kunststoff hat allerdings auch negative Aspekte. Die Umweltorganisation WWF betont, man müsse im Hinblick auf den Energieverbrauch die Herstellung der Platten bedenken. Auch der Abrieb dürfe nicht vernachlässigt werden. "Durch die Kufen wird Mikroplastik aus den Platten gelöst, also Partikel, die dann in die Umwelt gelangen", sagt Eva Badem, Projektmanagerin für den Bereich "Mehrweg". Am Ende ihres Lebenszyklus würden Paneele zudem oft als Plastikmüll enden und nicht weitergenutzt, also recycelt werden, so Badem weiter.

Viktor Meier, Chef der Firma "Glice" will kritische Punkte nicht schönreden, betont aber, auch einiges für den Umweltschutz zu tun. "Mit unserer neuen Technik konnten wir den Abrieb um rund 80 Prozent reduzieren. Wir forschen daran, ihn weiter in Richtung Null zu senken", so der Geschäftsführer. Er verspricht, dass die Platten 20 bis 30 Jahre lang halten. Aufgrund der erforderlichen Gleiteigenschaften könne man zwar keinen recycelten Kunststoff nutzen. Ausrangierte Paneele kommen laut Glice-Webseite aber beim Bau von Flüchtlingsunterkünften zum Einsatz.

Lob von den Nutzern

Im Legoland ist die neue Schlittschuhfläche an einem sonnigen Tag gut gefüllt. Hobby- und Profiläufer testen den Untergrund. "Es fühlt sich zu 95 Prozent wie richtiges Eis an", sagt DEL-Spieler Jean-Francois Boucher, der mit Ingolstadt schon die deutsche Meisterschaft gewann. "Viel besser als auf anderen Plastikbahnen" oder "Nach ein bisschen Eingewöhnen wie normales Eis", lautet das Fazit einiger Kinder. Auch im Legoland sind nach einem langen Tag Plastikfäden am Boden zu sehen, die allerdings sorgsam aufgekehrt werden. Die Polymerplatten, in denen auch Know-How aus der Raumfahrt steckt, haben einen Vorteil. Man kann darauf nicht nur bei kalten Temperaturen fahren, so dass sich die Bahnen auch für den globalen Süden eignen, wo Eislaufen bislang schwer möglich ist. Die neuen synthetischen Platten sollen kein Sonderfall bleiben, die Serienproduktion laufe schon, heißt es beim Hersteller.

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