Gerade ist im Kettershauser Ried im Landkreis Unterallgäu die Sonne untergegangen. Das Dieselaggregat surrt, die fast zwei Meter große weiße Leinwand steht. Auf beiden Seiten installiert Klaus Heinze Glühbirnen: auf der einen Seite eine Mischlichtlampe mit 120 Watt, auf der anderen eine besonders helle Quecksilberdampflampe. Die Anordnung soll seltene Nachtfalter anlocken.
Der Aufbau steht auf einem kleinen Weg mitten im freien Feld. Weil von ihm das einzige Licht weit und breit ausgeht, soll er möglichst viele Nachtfalter anziehen. "Nachtfalter richten sich nach dem Mond aus, wenn sie fliegen", erklärt Heinze, "aber wenn die Lampen da sind, verlieren sie die Orientierung und fliegen auf dieses helle Licht zu." Egal, wie viele er in dieser Nacht anlocken kann: Heinze hat über die Jahre beobachtet, wie sie weniger werden.
Fast ein Viertel aller Schmetterlingsarten in Bayern ausgestorben
Unterstützt wird seine These durch Zahlen des Landesbunds für Vogelschutz (LBV). Der hatte zuletzt gewarnt, dass von fast 3.700 Schmetterlingsarten, zu denen auch die Falter zählen, in Bayern nur noch gut 3.000 nachgewiesen werden können.
Klaus Heinze macht das an mehreren Gründen fest. Zum einen sorge der Klimawandel für mehr Extremwetterereignisse. Starker Regen oder gar Hagel zerstöre viele Schmetterlingsnester, bevor die Tiere schlüpfen können, so Heinze. Außerdem sei der Einsatz von Pestiziden und Pflanzenschutzmitteln tödlich für die Insekten.
Der Klimawandel ist nicht das einzige Problem
Das größte Problem ist seiner Meinung nach aber die falsche Pflege der FFH-Gebiete, also der Landschaften mit besonderem Schutzstatus. Oft würde dort falsch und zu häufig gemäht, und dadurch würden die Raupen und Nester der Schmetterlinge zerstört werden.
Er fordert deshalb, dort in Streifen zu mähen, also immer zwischendurch eine Naht stehenzulassen. Nur so kann man laut Heinze eine kräftige Population erhalten und die Arten vor dem Aussterben bewahren. Immer wieder hat er auch über die Jahre mit anderen Forschern dabei geholfen, in Naturschutzgebieten die Nester der Schmetterlinge zu lokalisieren und sie so vor Mäharbeiten zu schützen.
Auch seltene Arten zeigen sich auf der Leinwand
Kurz nach dem Aufbau der Lichtfalle krabbelt und surrt es vor Heinzes Leinwand: Sie allein garantiert aber noch keinen Erfolg. Die Nachtfalterforschung ist extrem wetteranfällig. "Im schlimmsten Fall kommt plötzlich Regen", sagt Heinze. Denn bei Regen fliegen keine Nachtfalter. Außerdem muss es warm genug sein: Mehr als 20 Grad wären gut.
Und der Mond muss klein sein oder durch Wolken bedeckt, denn sonst orientieren sich die Falter weiter nach dem Mond und geraten nicht in die Lichtfalle. Eigentlich kommen die ganze Nacht über verschiedene Arten, aber die schönsten erscheinen rund um Mitternacht, erklärt Heinze. Bis dahin ist Geduld gefragt.
Nach einer Stunde ist das erste Mal ein Exemplar dabei, das Klaus Heinze in Begeisterung versetzt. Eine Domenula hat sich niedergelassen, auch Schönbär genannt. Eine kleine Sensation, denn den Falter hat Heinze hier im Gebiet in all den Jahren noch nie gefunden: "Das ist einer der schönsten Bärenfalter, die bei uns vorkommen. Da hüpft das Herz eines Schmetterlingsfreundes höher, wenn man den an der Leinwand hat."
Später gesellen sich noch weitere Arten wie die Grasglucke, der Weidenbohrer oder der Weinschwärmer dazu. Auch das besondere Gabelschwanzmännchen findet Heinze.
Heinze erhielt das Bundesverdienstkreuz
Seine Erkenntnisse aus jahrzehntelanger Forschung wollte Heinze in einem Buch für die Allgemeinheit festhalten. Am Ende wurden zwei Bücher daraus, eines über Tag-, ein zweites über Nachtfalter. Seine Bücher können entweder als Druckversion gekauft oder kostenlos online (externer Link) gelesen werden.
Eine Frucht seiner Forschung: Im April hat Heinze das Bundesverdienstkreuz erhalten - für sein "jahrzehntelanges ehrenamtliches Engagement im Naturschutz", wie es bei der Vergabe hieß. Er ist einer der wenigen Lepidopterologen, also Schmetterlingsforscher, dem diese Ehre zuteilwurde. Darauf ist Klaus Heinze besonders stolz.
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