Kleiner Zwischenstand im Wettlauf zweier Regierungschefs: Markus Söder lud im Sommer die Raumfahrtbranche ein, zum "bayerischen Mondgipfel" in Oberpfaffenhofen. Wenige Monate zuvor hatte Hendrik Wüst erstmals die Raumfahrtkonferenz "SpaceTech.NRW" in Köln ausgerichtet. Punkt für Wüst? Jedenfalls scheint beiden Ministerpräsidenten viel zu liegen am Weltraum.
- Zum Artikel: Söder träumt beim "bayerischen Mondgipfel" vom Mars
"Ich bin und bleibe Raumfahrt-Fan und werde politisch alles dafür tun, dass die Raumfahrt in Deutschland und Europa vorangebracht wird", sagte CSU-Chef Söder beim Mondgipfel. Der Hauptsitz des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) liegt im Westen der Republik: "Jeder europäische Astronaut kommt bei uns vorbei", so CDU-Ministerpräsident Wüst. "Die werden hier vorbereitet – in Köln, in Nordrhein-Westfalen – vor ihren Missionen." Der Weg ins All führe über NRW.
Also mal genauer hingeschaut: Welches Bundesland verfolgt seine Raumfahrt-Ambitionen konsequenter? Wer ist besser bei Investitionen, Forschung und Wirtschaft – Bayern oder NRW?
Budget von Bayerns Wirtschaftsministerium etwa doppelt so hoch
Beim Budget gibt es deutliche Unterschiede. Das bayerische Wirtschaftsministerium hat nach eigenen Angaben im Doppelhaushalt 2024/25 insgesamt rund 323 Millionen Euro für Luft- und Raumfahrt eingeplant, im Schnitt also gut 160 Millionen Euro pro Jahr. Das NRW-Wirtschaftsministerium beziffert seine Ausgaben 2025 auf rund 80 Millionen Euro.
Die Behörden beider Länder betonen, dass es darüber hinaus jeweils weitere Fördermaßnahmen gebe. In Bayern sind die Investitionen in Luft- und Raumfahrt zum Beispiel Teil der "Hightech-Agenda". Für die ist neben dem Wirtschafts- auch das Wissenschaftsministerium zuständig.
Ex-Astronaut sieht Bayern vorn – ESA-Chef hebt auch NRW hervor
Bayerns Raumfahrtprogramm startete 2018 – als Söder Ministerpräsident wurde – unter dem Namen "Bavaria One". Eine Milliarde Euro sollen bis 2030 fließen. Professor Ulrich Walter hatte Söder bei dem Programm beraten. Walter war jahrelang Inhaber des Lehrstuhls für Raumfahrttechnik an der Technischen Universität München (TUM) und 1993 selbst für knapp zehn Tage als Astronaut im All.
Walter sieht Bayern im Vergleich vorn, er spricht NRW sogar ab, ernsthafte Konkurrenz zu sein: "Aktive Raumfahrtpolitik machen nur Bremen, Baden-Württemberg und Bayern, ein bisschen noch Berlin", sagt Walter. "Bavaria One" habe Investoren einen Impuls gegeben. Die Dichte von Risikokapitalgebern sei "in München so groß wie nirgendwo anders". Diese Sogwirkung sei der Grund, "warum München über zehn Jahre wirklich sehr stark an Raumfahrt-Bedeutung gewonnen hat". Allerdings sei das über lange Zeit gewachsen. Man könne in NRW nicht einfach "aus dem Kohlenpott jetzt Hightech" machen. Dennoch sagte Josef Aschbacher, Generaldirektor der Europäischen Weltraumorganisation ESA, auf dem Kongress in Köln: "NRW hat sich als bedeutendes Luft- und Raumfahrtzentrum in Deutschland etabliert."
Vergleich Forschung: Große Kluft bei Zahl der Studierenden
Trotzdem zeigt sich an Hochschulen und Universitäten eine große Kluft. Laut Wissenschaftsministerium gab es 2024 in NRW gut 1.400 Studierende im Fach Luft- und Raumfahrttechnik. Die Zahl der Professorinnen und Professoren liege bei 21. In Bayern sind es laut Ministerium aktuell rund 4.000 Studierende im Bereich Luft- und Raumfahrt und etwa 90 Professorinnen und Professoren.
Bereits seit einigen Jahren baut die TUM eine Raumfahrt-Fakultät auf, inklusive neuem Campus in Ottobrunn. Damit soll Bayern "das Space Valley in Deutschland werden", sagte Söder. Laut Ulrich Walter hat die neue Fakultät international "eingeschlagen wie eine Bombe". Allerdings sei die Umsetzung noch ein Problem. Beispiel: Weil sich mehrere Gemeinden wegen des Grundstücks stritten, gebe es bislang nur ein Interimsgebäude. "Ich kann Ihnen jetzt schon sagen, dieses Interimsgebäude wird mindestens zehn Jahre stehen."
Vergleich Wirtschaft: Mehr Start-ups in Bayern
In NRW gibt es laut dortigem Wirtschaftsministerium aktuell rund 400 Branchenunternehmen. Ein 2022 gestartetes ESA-Programm für Neugründungen habe rund 40 Start-ups gefördert. "Nordrhein-Westfalen ist der Hidden Champion, was all die Stärken im Bereich Luft- und Raumfahrt angeht", sagte Ministerpräsident Wüst.
In Bayern waren es 2024 laut Wirtschaftsministerium rund 550 Unternehmen. Deren Umsatz habe ich sich seit 2014 von 7,8 Milliarden Euro auf 13,7 Milliarden Euro gesteigert. Ein vom Ministerium unterstütztes ESA-Gründungszentrum gibt es in Bayern seit 2009. Dieses habe bis dato gut 260 Unternehmensgründungen begleitet.
ESA-Chef formuliert deutlich
ESA-Chef Aschbacher lobte Söder beim "bayerischen Mondgipfel" ausdrücklich. Die europäische Raumfahrt müsse stärker und unabhängiger werden. Der Mondgipfel sei deshalb genau das, was Europa brauche. Aschbachers Einschätzung: "Bayern ist wirklich das Epizentrum der Weltraumfahrt, zumindest in Deutschland, wenn nicht gar in Europa."
Kooperation von BR und WDR
BR und WDR beleuchten immer wieder gemeinsam die Politik in Bayern und Nordrhein-Westfalen – den beiden bevölkerungsreichsten und wirtschaftsstärksten Bundesländern: Wie läuft es im Süden, wie im Westen? Wer hat wo die Nase vorn? Im Rahmen dieser Kooperation der landespolitischen Redaktionen sind bisher folgende Beiträge erschienen:
- Thema Krippen-Ausbau: Andere Länder machen mehr Tempo als Bayern
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- Thema Brücken-Infrastruktur: Bayern fitter als NRW
- Thema Erneuerbare Energien: NRW hängt Bayern bei Wind ab – bei Solar liegt Bayern vorn
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