"Späti"-Betreiber in der Münchner Maxvorstadt
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Das Münchner Kreisverwaltungsreferat droht Späti-Betreibern im Univiertel mit einem Alkoholverkaufsverbot nach 22 Uhr
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Spätis ab 22 Uhr ohne Bier: Feiernde und Anwohner im Konflikt

Spätis ab 22 Uhr ohne Bier: Feiernde und Anwohner im Konflikt

Das Münchner Kreisverwaltungsreferat hat mehreren Spätverkaufskiosken im Münchner Uni-Viertel nach Beschwerden ein Alkoholverkaufsverbot ab 22 Uhr angekündigt. Anwohner begrüßen die Maßnahme, betroffene Betreiber fürchten um ihre Existenz.

Über dieses Thema berichtet: Abendschau - Der Süden am .

Beseh Kneitsch ist entsetzt und empört. Der Betreiber des Sina Kiosks in der Schellingstraße ist einer der fünf Späti-Pächter, die vom Kreisverwaltungsreferat (KVR) diese Woche angeschrieben wurden. Am Montag habe er die Ankündigung des KVR erhalten, dass er schon an diesem Samstag, also nur sechs Tage später, kein Flaschenbier nach 22 Uhr mehr verkaufen dürfe, regt er sich im Gespräch mit BR24 auf. Das sei wie im wilden Westen.

Späti-Betreiber: Alkoholverkaufsverbot existenzgefährdend

Die Möglichkeit, nach 22 Uhr noch Bier zu verkaufen, ist für Kneitsch nach eigenen Angaben die Haupteinnahmequelle. Auch seine ebenfalls angeschriebenen Kollegen in der Schelling- und Barerstraße fürchten Umsatzrückgänge von mehr als 50 Prozent. Nach den Schlagzeilen in der Presse würden sich seine Kunden über das drohende Verbot aufregen, berichtet der Späti-Betreiber. Zudem ärgert ihn, dass die Maßnahme nur einige wenige trifft, aber es zum Beispiel an der nahegelegenen Leopoldstraße kein entsprechendes Alkoholverkaufsverbot gebe. Kneitsch will gegen die drohende Auflagen kämpfen, auch seine benachbarten Mitstreiter haben angekündigt, sich anwaltliche Hilfe zu holen.

Kreisverwaltungsreferat: Seit Monaten Beschwerden

Anwohner würden sich seit mehreren Monaten massiv über Lärm und Verschmutzungen beschweren, erklärt das KVR auf Nachfrage von BR24. Die Belästigungen gingen demnach maßgeblich von Feiernden aus, die sich rund um Kioske aufhielten.

Das Kreisverwaltungsreferat verweist in seiner Stellungnahme auf vergebliche Vermittlungsbemühungen des "Allparteilichen Konfliktmanagements" (AKiM) und der "Moderation der Nacht" (MoNa). Bei Kontrollen der betroffenen Betriebe seien wiederholt Verstöße gegen das Gaststättengesetz festgestellt und auch Bußgelder verhängt worden. Anzeigen habe es auch gegeben.

Dieses Maßnahmenpaket habe bisher aber nicht die gewünschte Wirkung erzielt, deshalb werde nun konkret fünf sogenannten "Mischbetrieben", wie die Spätverkaufsstellen in der Behördensprache bezeichnet werden, der To-Go-Verkauf von Bier nach 22 Uhr untersagt. Zudem dürfe eine konzessierte Gaststätte in der Maxvorstadt generell nach 22 Uhr keinen Alkohol mehr verkaufen.

Anwohnern geht es um ein friedliches Miteinander

Es gehe ihnen nicht um Verbote um der Verbote willen, erklärt Holger Pachl von der "Nachbarschaftsinitiative für eine l(i)ebenswerte Maxvorstadt", sondern um ein friedliches Miteinander. Die Jugendlichen sollten feiern, aber wenn um zwei oder drei Uhr morgens noch Lautstärken von 90 Dezibel zu messen wären, sei es gut, wenn es behördliche Vorgaben gebe. Nach seinen Worten begrüßen die Anwohner die angekündigten Maßnahmen und hoffen, dass sich die Situation entspannt. Bezirksausschussvorstand Gerhard Pischl gibt zu bedenken, dass das geplante Alkoholverbot nur eine Maßnahme sei, durch die das ebenfalls für Ärger sorgende Müllentsorgungsproblem nicht gelöst werde.

Spätis nutzen regulatorische Lücke

Nach dem Bayerischen Ladenschlussgesetz müssen Einzelhandelsgeschäfte um 20 Uhr schließen. Spätverkaufsstellen bieten auch nach dieser generellen Ladenschlusszeit Produkte wie Bier und Softdrinks, Chips und Schokoriegel, sowie Tabakwaren an. Das ist möglich, weil sie rechtlich als sogenannte "Mischbetriebe" gelten, also eine Kombination aus Einzelhandelsgeschäft und Gaststätte. Damit unterliegen sie als sogenannte "erlaubnisfreie Gaststätte" dem Gaststättengesetz.

Sie dürfen Alkohol in Flaschen verkaufen, aber - im Unterschied zu einer konventionellen Gaststätte mit Konzession - nicht ausschenken. Ab 20 Uhr ist der Verkauf von Spirituosen verboten, nur Flaschenbier darf dann noch über den Ladentisch gehen. Grundsätzlich ist erlaubnisfreien Gaststätten eine tägliche Öffnungszeit von 23 Stunden erlaubt, an sieben Tagen die Woche.

In Bayerns Großstädten schießen Spätis wie Pilze aus dem Boden

Das Phänomen Späti ist nicht neu: Der Kiosk an der Reichenbachbrücke verkauft seit mehr als 20 Jahren rund um die Uhr und gilt damit als ältester Späti Münchens. Inzwischen finden sich auf Späti-Karten im Internet allein für die Landeshauptstadt Dutzende Kioske, wo Durstige auch nachts noch Bier einkaufen können.

Entsprechendes, wenn auch in geringerem Ausmaß, gilt für bayerische Großstädte wie Nürnberg, Augsburg, Würzburg, Regensburg, Erlangen. Warum der Trend zu Spätverkaufsstellen, die es ja in Berlin schon lange gibt, Bayern so spät erreicht hat, dafür hat der Bayerische Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) keine Erklärung. Eine Gesetzesänderung, die die Gründung von Spätis erst möglich gemacht hätte, gab es nicht.

Gaststättenverband sieht Trend zu Spätis gelassen

Auf die Frage zur zunehmenden Konkurrenz durch Spätis für konventionelle Wirtshäuser reagiert der bayerische Dehoga-Landesgeschäftsführer Frank John gelassen. "Wir tun uns gegenseitig nicht weh", erklärt er im BR24-Interview, die Auswirkungen auf das Geschäft seien wahrscheinlich nicht messbar. Grundsätzlich sind aus seiner Sicht nicht Spätis das Problem, sondern die damit einhergehenden Belästigungen wie Lärm und Müll.

Im Video: Ein Hauch Berlin - Späti-Kultur schwappt nach München

Kunden in einem Späti
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Spätikultur schwappt nach München

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