Noch vor dem Jahreswechsel soll im Landtag ein Gesetz verabschiedet werden, um das in Bayern lange gerungen wurde. Eine neue Version des Wassergesetzes – zentraler Bestandteil ist eine Abgabe für Wasserentnahmen aus dem Grundwasser. Der sogenannte Wassercent. Allerdings kritisieren Fachleute die Ausnahmen, die der Gesetzesentwurf vorsieht. "Gut gedacht, aber schlecht gemacht", bewertet etwa Andreas Hoffmann, Professor für Gewässerkunde an der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf.
Am Beispiel von Unterfranken zeigt eine Datenanalyse der Main-Post [Link zur Main-Post, möglicherweise Bezahlinhalt] und des BR näherungsweise, welche Wassermengen am Ende ohne Abgabe bleiben könnten.
Daten von Main-Post und BR geben eine Idee vom Umfang der Ausnahmen
Zehn Cent pro Kubikmeter Wasser (1.000 Liter) sollen ab Juli 2026 von allen Privatpersonen, aber auch von Industrieunternehmen, Landwirten und Winzern mit eigenem Brunnen gezahlt werden. Welcher Anteil des entnommenen Grundwassers am Ende gebührenfrei bleibt, kann nicht genau berechnet werden. Im Gegensatz zu anderen Bundesländern gibt es in Bayern noch kein digitales Wasserbuch, in dem alle Wasserrechte nachvollzogen werden können.
Allerdings haben Main-Post und BR vor knapp drei Jahren gemeinsam Daten zu Wasserentnahmen in Unterfranken angefragt und zusammengetragen. Der entstandene Datensatz gibt einen Überblick über die Wasserrechte und die Entnahmemenge, die im Jahr 2022 in Unterfranken für Industrie, Landwirtschaft und weitere Zwecke mindestens genehmigt waren. Die Trinkwasserversorger sind nicht enthalten.
Wendet man den Gesetzentwurf auf diese Daten an, entsteht eine Idee vom Umfang der vorgesehenen Ausnahmeregelungen:
In den Daten finden sich 1.400 Wasserrechte für Grundwasser. Davon hatten mehr als zwei Drittel eine genehmigte Entnahmemenge, die 5.000 Kubikmeter nicht übersteigt. Sie müssten also nach dem neuen Gesetz nicht bezahlen. Jeder Dritte davon ist Landwirt oder Winzer.
Hinzu kommt: Auch große Entnehmer zahlen nur für die Menge, die 5.000 Kubikmeter übersteigt. So führt in der Auswertung allein die Freimenge dazu, dass für fast zehn Prozent der gesamten genehmigten Wassermenge keine Abgaben entrichtet werden müssten.
Liegt die Hauptlast der Gebühren bei Privathaushalten?
"Das ist eine sehr, sehr große Menge, die man sich weiterhin gerade auch in der Landwirtschaft als Freimenge erlaubt", sagt der Augsburger Hydrologe Harald Kunstmann. "Andere Bundesländer sind da viel restriktiver."
Ähnliche Kritik an der Höhe der Entnahmemenge äußern auch seine Kollegen Andreas Hoffmann und Jörg Drewes, Professor für Wasserwirtschaft an der TU München. "Die Hauptlast der Gebühren tragen letztendlich die Privatleute", sagt Hoffmann. Denn: Die Trinkwasserversorger legen ihre großen Mengen auf die Verbraucher um. Bei der Wassernutzung zu Hause am Wasserhahn zahlt man ab dem ersten Liter.
Ausnahmen reichen von Fischzucht bis Kühlung
Der Gesetzesentwurf enthält noch viele weitere Ausnahmeregeln, die sich zum Teil auch in den Daten wiederfinden. Zum Beispiel: Fischzucht, Kühlprozesse oder bestimmte Nutzungen in der Landwirtschaft. In Unterfranken müssten demzufolge mindestens 1.000 Entnehmer keine Abgabe zahlen. Die finanzielle Belastung solle die Nutzer nicht überfordern, heißt es beim Bayerischen Staatsministerium für Umwelt und Verbraucherschutz.
Doch auch die Großentnehmer könnten, zumindest zum Teil, geschont werden. Das größte Grundwasserrecht in Unterfranken gehört der Firma Mainsite – sie verwaltet die Wassernutzung eines großen Industriegebietes. Auf Anfrage schreibt die Firma: Bei dem genutzten Grundwasser handele es sich mehrheitlich um Oberflächenwasser, das die Firma zuvor selbst versickert hat. "Für den verbleibenden Teil rechnen wir damit, dass es mit dem Wassercent beaufschlagt wird."
Wasser- und Bodenverbände sind ebenfalls ausgenommen – damit bleiben potenziell auch große Wasserrechte aus der Landwirtschaft gebührenfrei.
Gesetzesentwurf sieht keine Messverpflichtung vor
Welcher Anteil der insgesamt genehmigten Wassermenge nach Anwendung aller Ausnahmen abgabenfrei bleibt, kann anhand der Daten nicht abschließend beantwortet werden. Beim Versuch der Berechnung entstehen viele Fragen. Ein Beispiel: Für Wasser, mit dem sie ihr Vieh tränken, müssen Landwirte nicht bezahlen – für die Bewässerung von Feldern und Gewächshäusern allerdings schon. Wie soll das kontrolliert werden?
Laut Gesetzesentwurf richtet sich die Abgabe entweder nach der im Wasserrecht genehmigten Menge oder nach der Menge, die die Entnehmer selbst den Behörden melden. Es ist keine Messverpflichtung vorgesehen, dem Ministerium zufolge gelte der "Grundsatz von Vertrauen und Selbstverantwortung".
Experten: Bürokratieabbau durch Digitalisierung – nicht durch fehlende Kontrolle
Fachleute kritisieren das geplante Vorgehen. "Wenn man nicht kontrolliert, dann fragt man sich, warum man überhaupt ein Gesetz einführen muss", sagt Harald Kunstmann. Das Umweltministerium verweist allerdings darauf, dass man den Verwaltungsaufwand für alle Beteiligten gering halten wolle. Jörg Drewes hält dagegen. "Wir machen das nicht als zusätzliche Bürde für unsere Landwirte oder Industrie und Gewerbeunternehmen, sondern wir machen es, um besser Bescheid zu wissen, wo wir Engpässe bekommen." Bürokratie ließe sich anders vermeiden. Laut Andreas Hoffmann gibt es längst Wasseruhren und digitale Lösungen, die eingesetzt werden könnten.
Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!
