Bischof Franz Jung äußerte sich nun zur Missbrauchsstudie, die die Würzburger Unabhängige Aufarbeitungskommission beauftragt hatte.
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Bischof Franz Jung äußerte sich nun zur Missbrauchsstudie, die die Würzburger Unabhängige Aufarbeitungskommission beauftragt hatte.

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Würzburger Missbrauchs-Studie: Erschütterung und Entschuldigung

Würzburger Missbrauchs-Studie: Erschütterung und Entschuldigung

Vor knapp einer Woche wurde in Würzburg eine Missbrauchs-Studie vorgestellt – mit über 3.000 Fällen und 51 Tatverdächtigen im Bistum. Bischof Jung nennt die Ergebnisse "beschämend und erschütternd". Zugleich gibt es Kritik an der Studie.

Über dieses Thema berichtet: Mittags in Mainfranken am .

Die Zahlen waren rund eine Woche in der Welt: Laut einer von der Unabhängigen Aufarbeitungskommission beauftragten Studie gab es im Bistum Würzburg zwischen 1945 und 2019 mehr als 3.000 Missbrauchstaten an mehr als 200 Kindern und Jugendlichen. Die Taten verteilten sich auf 51 Verdächtigte, 43 von ihnen Kleriker.

Auf die Erkenntnisse der Untersuchung des Wiesbadener Rechtsanwalts Hendrik Schneider haben sich nun auch die Verantwortlichen des Bistums dazu geäußert. Bischof Franz Jung bezeichnet die Ergebnisse als "verheerende Bilanz" und einem "unvorstellbaren Ausmaß".

"Beschämend und erschütternd"

Das Gutachten zeige das Versagen der kirchlichen Verantwortungsträger, die Missbrauchsfälle nicht konsequent verfolgt und Täter oft geschützt haben. "Wäre rechtzeitig eingeschritten worden und wäre man den vorliegenden Hinweisen auf Missbrauch konsequent nachgegangen, hätten wahrscheinlich viele Übergriffe verhindert werden können", so Jung wörtlich.

Stattdessen seien Betroffene durch die bischöfliche Behörde eingeschüchtert und Täter gedeckt worden. "Das Wohl der Kinder oder der Betroffenen kam, wenn überhaupt, nur sehr unzureichend in den Blick. Das ist beschämend und erschütternd zugleich", so der Bischof.

Er, seit 2018 im Amt, bat zugleich um Entschuldigung "für die Jahre des Schweigens, der Verleugnung und der Untätigkeit."

Vorgänger äußert sich

Zugleich meldete sich auch sein Vorgänger Friedhelm Hofmann zu Wort, der von 2004 bis 2017 Bischof in Würzburg war. Er räumte in einem verlesenen Statement Fehler ein und gab an, "die Letztverantwortung" für die Fehler bei der Bearbeitung von Missbrauchsvorwürfen zu seiner Amtszeit zu übernehmen, auch wenn er sie nicht selbst bearbeitet habe.

Altbischof Hofmann bittet um Entschuldigung

"Für die Fälle, in denen Betroffenen kein ausreichendes Gehör geschenkt wurde, Hinweisen zu Übergriffen nicht schnell genug nachgegangen wurde und Täter nicht konsequent genug zur Rechenschaft gezogen wurden, bitte ich ausdrücklich um Entschuldigung", so Hofmann wörtlich.

Bedauern kommt auch von Heinz Geist, der als Personalchef des Bistums tätig war, und von 2002 bis 2010 das Amt des Missbrauchsbeauftragten innehatte. Sein Verhalten habe, wie im Gutachten zu lesen, nicht immer den Leitlinien der Deutschen Bischofskonferenz entsprochen. Er will künftig auf das Halten öffentlicher Gottesdienste sowie seine Mitgliedschaft im Domkapitel verzichten. Dies sei mit "erheblichen finanziellen Einschnitten" verbunden, erklärte Bischof Jung die Tragweite dieses Schrittes.

Wendepunkt und Kulturwandel

Zugleich räumte der amtierende Bischof ein, dass die Wunden der Opfer nie heilen werden. Die Diözese Würzburg will nun das Gutachten als Wendepunkt nutzen und Prävention und Intervention gegen Missbrauch in der Kirche verbessern. Ein Kulturwandel werde angestrebt, der auch mit Workshops und konkreten Maßnahmen untermauert werden solle.

Christine Göbel vom Betroffenenbeirat in der Diözese Würzburg lobte die Reaktion des Bistums auf das Gutachten. "Ich glaube für die Betroffenen ist es gut, dass sie gesehen werden, gehört werden und dass sie merken, sie werden ernst genommen", sagte sie BR24. Der Betroffenenbeirat werde sich nun austauschen und in einem Gespräch mit dem Bistum zusammenkommen. Der Beirat stehe ausdrücklich weiter für alle Betroffenen offen.

Kritik an Studie

Derweil gibt es auch Kritik am Studien-Vorgehen in Würzburg. So urteilte Harald Dreßing, der Koordinator der bundesweiten MHG-Missbrauchsstudie von 2018 war, in einem kürzlichen Leserbrief an die "Frankfurter Allgemeine Zeitung", dass die Einzel-Studien der Bistümer – wie nun in Würzburg – eher zu einer weiteren Vertuschung denn zu einer systematischen Aufklärung beitragen würden.

Tatsächlich kommt etwa die Würzburger Studie zu anderen Zahlen als die 2018 erstellte bundesweite Studie für Würzburg ermittelt hat. Die aktuelle Studie kommt auf 51 Tatverdächtige zwischen 1945 und 2019, die frühere Studie ermittelte allein für den Zeitraum 2000 bis 2015 48 Beschuldigte.

Bischof nimmt Kritik an

Dies liegt wohl vor allem daran, dass die neue Studie eine engere Definition nutzte und nur Taten zählte, die in irgendeiner Form entweder straf- oder kirchenrechtlich als Tat anzusehen waren oder durch Anerkennungszahlungen oder einen Missbrauchsbeauftragten der Kirche als plausibel eingestuft wurden. Diese verschiedenen Ausgangslagen sorgen laut Ex-Studienkoordinator Dreßing dazu, dass die Studien der einzelnen Bistümer nicht vergleichbar seien.

Auch auf diese Kritik reagierte der Würzburger Bischof Jung nun. 2018 seien einzelne Bistümer nach Vorstellung der bundesweiten Studien vorgeprescht. "Ein einheitliches Vorgehen wäre sicher wünschenswert gewesen", stimmte er der Kritik zu.

Mit Material von epd und dpa

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