Rumpelnd fährt der historische Straßenbahnwagen "Zeppelin 144" über Nürnbergs Tramgleise. Es ist ein verregneter Julitag. Ulrich von Stockhausen und Tobias Schneider stehen in der Straßenbahn, die Hände an der Steuerung, die Augen auf die Gleise gerichtet. Die Anspannung ist groß, denn es ist die erste Fahrt dieses speziellen Wagens auf Nürnbergs Straßenbahnnetz. Passt der Wagen durch? Funktionieren die Bremsen?
Tobias Schneider ist zuversichtlich: "Das ist jetzt unheimlich aufregend natürlich, ob das alles funktioniert. Wir haben auf dem Gelände hier Bremsversuche gemacht, alles getestet und sind uns sicher, dass es klappt", erzählt er.
Fünf Jahre Arbeit, viel Expertise und große Liebe zum Detail
Seit fünf Jahren arbeiten Ulrich von Stockhausen und Tobias Schneider an diesem besonderen Projekt – der Restaurierung des historischen Zeppelinwagens 144. Er ist eine technische Meisterleistung, die viel Tüftelei und Liebe zum Detail erfordert.
Die beiden Nürnberger sind Werkstattleiter bei den Nürnberger Verkehrsbetrieben. Für den Zeppelinwagen aber sind sie ehrenamtlich unterwegs. Denn die Restaurierung wurde nur mit Spendengeldern finanziert und fand zum Großteil in der Straßenbahn-Werkstatt von Krakau in Polen statt. Dort haben sie aus der einen historischen Tram zwei gemacht. Denn beide Städte sollten am Ende des Projekts einen fahrenden Zeppelinwagen besitzen.
Fast vergessen: der Zufallsfund in Krakau
Ab 1909 waren mehrere Zeppelinwagen in Nürnberg im Einsatz. Mit einer Länge von elf Metern waren sie die längsten Wagen ihrer Zeit in Nürnberg. Aufgrund ihres eleganten Aussehens und der abgerundeten Front erhalten sie den Beinamen "Zeppelinwagen" in Anlehnung an eines der Luftschiffe von Graf Zeppelin.
1941, als Polen von den Deutschen besetzt war, wurden diese Zeppelinwagen nach Krakau verkauft. Dort wurden sie mehrfach umgebaut und modernisiert. Bis Anfang der Siebziger alle nach und nach verschrottet wurden.
Alle, bis auf einen: der Wagen mit der Nummer 144. Den bauten die Krakauer um und nutzen ihn als Oberleitungs-Reparaturwagen. Er war ziemlich heruntergekommen, als ihn schließlich Ende der Siebziger ein Vereinsmitglied der Nürnberg-Fürther Straßenbahnfreunde dort entdeckte. Das war ein großes Unterfangen für den damals jungen Verein. "Die Städtepartnerschaft, die wir heute zwischen Nürnberg und Krakau haben, die haben wir auch wegen des Zeppelinwagens", erzählt Tobias Schneider. Schon damals wurde der Wagen schön hergerichtet, eine Fahrerlaubnis in Deutschland aber bekam er nie. Er stand im Museum.
Im Video: Eine historische Straßenbahn für Nürnberg und Krakau
BR24 vor Ort: Eine historische Straßenbahn für Nürnberg und Krakau
Restaurierung als Völkerverständigung
Doch die Straßenbahnfreunde hegten schon lange den Wunsch, aus dem Museumsstück einen voll einsatzfähigen Wagen zu machen. Seit 2020 arbeiteten die Krakauer und Nürnberger nun wieder gemeinsam an dem Projekt. Aus einem Wagen wurden zwei, die alle technischen Anforderungen erfüllen und fahren dürfen. Jeder Wagen besteht dabei zur Hälfte aus alten, zur Hälfte aus nachgebauten, neuen Teilen. Es gab regelmäßige Besprechungen in der Krakauer Werkstatt, zu denen Tobias Schneider und Ulrich von Stockhausen immer wieder anreisten.
Passt die Bahn durch den Tunnel?
Zurück zur Probefahrt in Nürnberg: Mehr als 7.500 ehrenamtliche Arbeitsstunden steckten die Nürnberger schon in ihren Zeppelinwagen. Nun zeigt sich, ob Tobias Schneider und Ulrich von Stockhausen gut geplant haben. Der Bremstest steht an, es regnet noch immer. "Ich bin bisschen vorsichtig, weil die Schienen bisschen rutschig sind bei dem Wetter", so Ulrich von Stockhausen. Jemand ruft "Sand!" – dadurch wird etwas Sand auf die Gleise gestreut, für mehr Reibung. Der Zeppelin 144 kommt bei Tempo 30 sicher zum Stehen.
Der nächste Test ist besonders kritisch. Hier kommt es auf die Höhe des Stromabnehmers von 1941 an, mit dem der Wagen durch den niedrigen Steinbühler Tunnel passen muss. "Am Anfang ist da noch viel Platz, aber dann wird es immer niedriger", sagt Tobias Schneider. Jetzt kommt es auf jeden Zentimeter an: Der Wagen kriecht quasi voran. Reicht der Platz nach oben, um den Stromabnehmer im Notfall auch von der Leitung oben zu trennen? Ein kritischer Blick – es passt!
Regelmäßige Sonderfahrten geplant
Fertig sind sie aber noch nicht. Am Ende der ersten Probefahrt zeigt sich: Die Straßenbahnfreunde haben noch einige Stunden ehrenamtlicher Arbeit vor sich. Ab Ende des Jahres soll der Zeppelinwagen für Sonderfahrten auf die Nürnberger Gleise geschickt werden.
Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.
"Hier ist Bayern": Der BR24 Newsletter informiert Sie immer montags bis freitags zum Feierabend über das Wichtigste vom Tag auf einen Blick – kompakt und direkt in Ihrem privaten Postfach. Hier geht’s zur Anmeldung!