Ein Mann mit kurzen weißen Haaren und Anzug mit blauer Krawatte vor einer Karte, auf der das Staatsgebiet Israels markiert ist, das sich kreisförmig radiant ausbreitet. Der Mann ist Benjamin Netanjahu.
Ein Mann mit kurzen weißen Haaren und Anzug mit blauer Krawatte vor einer Karte, auf der das Staatsgebiet Israels markiert ist, das sich kreisförmig radiant ausbreitet. Der Mann ist Benjamin Netanjahu.
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Auf die Frage, ob er die Vision eines "Groß-Israels" teile, sagte Netanjahu: "Absolut."
Bildrechte: picture alliance / Sina Schuldt/dpa | Sina Schuldt; Colourbox; Montage: BR/Nadja von Dall'Armi
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Auf die Frage, ob er die Vision eines "Groß-Israels" teile, sagte Netanjahu: "Absolut."

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Netanjahus Vision von "Groß-Israel": Was dahintersteckt

Netanjahus Vision von "Groß-Israel": Was dahintersteckt

Der israelische Ministerpräsident bejaht in einem Interview die Vision eines erweiterten Staatsgebiets. Doch was steckt wirklich dahinter, wie realistisch ist das und welche Rolle spielt die religiöse Rechte in den USA dabei?

Über dieses Thema berichtet: Possoch klärt am .

Ein Video mit Folgen: In einem Interview mit dem israelischen Fernsehsender i24News [externer Link] bejahte Ministerpräsident Benjamin Netanjahu mehrfach, der Vision eines "Groß-Israels" anzuhängen – einem israelischen Staatsgebiet weit über die aktuellen Grenzen hinaus. Vertreter von Nachbarstaaten zeigten sich empört, Gegner Israels sahen darin einen Beleg für Annexionspläne.

Was meint Netanjahu mit "Groß-Israel"?

Politikwissenschaftler Volker Perthes von der Stiftung Wissenschaft und Politik ordnet im BR24-Interview für "Possoch klärt" ein: Netanjahu meine nicht das biblische Gebiet vom Nil bis zum Euphrat, sondern die seit 1967 besetzten Gebiete. "Ich denke, er meint das, was seit 1967 von israelischen Politikern der Rechten als Größeres Israel bezeichnet worden ist", erklärt Perthes.

Dazu gehörten die Westbank, Ost-Jerusalem, der Gazastreifen und die syrischen Golanhöhen (siehe Karte unten).

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Israel und die seit 1967 besetzten Gebiete

Eine Expansion bis in den Irak wäre selbst für Hardliner unrealistisch: Israel könne einen Raum, der ein Vielfaches seiner heutigen Fläche umfassen würde, "gar nicht beherrschen, kontrollieren", so Perthes. Auch die demografischen Verhältnisse stünden dagegen.

Günstiger Zeitpunkt für Expansion?

Dennoch sieht Perthes die aktuelle Situation als günstig für Netanjahus Pläne. Israel habe "seine große militärische Überlegenheit gezeigt. Es gibt gerade niemanden, der Israel stoppen könnte oder stoppen wollte", analysiert der Experte.

Die rechtsextremistischen Parteien in der Regierung sähen jetzt eine Gelegenheit, "das zu tun, was man eigentlich schon immer gern getan hätte". Früher sei dies durch amerikanische Opposition oder regionale Widerstände nicht möglich gewesen. Heute gebe es einen US-Präsidenten, der Israel praktisch einen Freibrief erteile.

Im Video: Netanjahus Vision von Groß-Israel: Vom Mittelmeer bis in den Irak?! Possoch klärt!

Trumps religiöse Wählerbasis als Faktor

USA-Experte Philipp Adorf erklärt die amerikanische Unterstützung mit der religiösen Rechten. Weiße Evangelikale seien ein wichtiger Wählerblock für Trump, und diese verträten den "christlichen Zionismus". Dieser besage, "dass die Wiederkehr Christi nur geschehen kann, wenn dieses Areal von der jüdischen Bevölkerung bewohnt wird, auch unter jüdischer Kontrolle steht."

Gleichzeitig beobachtet Adorf aber auch wachsende Israel-Skepsis unter Republikanern. Viele fänden nicht gut, dass Netanjahu ohne Absprache mit den USA vorpresche.

Dabei handelt Netanjahu gegen die Mehrheit der eigenen Bevölkerung, die ein Ende des Krieges will, wenn dafür die Geiseln zurückkommen können. Auch hochrangige Militärs kritisierten mittlerweile den Gaza-Krieg als nicht mehr zielführend.

Langfristig kontraproduktiv?

Perthes sieht eine Annexionspolitik als langfristig schädlich für Israel: "Letztlich hat man mehr Sicherheit, wenn man einen befreundeten Staat an seiner Seite hat, als wenn man durch Okkupation sich Gegner und Feinde schafft."

Netanjahu will nach Expertensicht als "Vergrößerer Israels" in die Geschichte eingehen – doch sein Kurs könnte Israel am Ende schwächer und unsicherer machen.

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