So viel Bewegung im Russland-Ukraine-Krieg gab es lange nicht mehr: Gespräche in Istanbul, die neue deutsche Regierung unter Kanzler Merz macht gemeinsam mit europäischen Partnern diplomatisch Druck. Und US-Präsident Trump sorgt mit seiner unkonventionellen Art ebenfalls für Bewegung. Doch führt all das tatsächlich zu einem baldigen Ende des Krieges?
Trump und Merz: Neue Dynamik für den Friedensprozess?
Die neue europäische Initiative von Bundeskanzler Friedrich Merz gemeinsam mit Emmanuel Macron, Keir Starmer und Donald Tusk in Kiew mit einem klaren Ultimatum an Russland hat für Aufsehen gesorgt: 30 Tage Waffenstillstand oder weitere Sanktionen plus stärkere militärische Unterstützung der Ukraine. "Das ist etwas, was wir in den letzten drei Jahren nicht gesehen haben", erklärt Politikwissenschaftler Thomas Jäger. Während der früheren Regierung unter Olaf Scholz sei "die ganze Zeit gebremst" worden.
Friedensforscher Jonas Driedger sieht in der Drohkulisse eine wichtige Rahmenbedingung: "Das Signal an Moskau ist, dass bei Ablehnung der Krieg in einer sehr schmerzhaften Weise weitergeführt wird." Dies könnte das Putin-Regime zum Umdenken bewegen.
Doch der Kreml reagiert ablehnend: "Die Sprache der Ultimaten ist für Russland inakzeptabel", lässt Putin ausrichten, der gleichzeitig die Bereitschaft zu Verhandlungen betont.
Im Video: Bekommen Selenskyj und Putin jetzt endlich den Frieden hin? Possoch klärt!
"Trump hat keinen Plan"
Donald Trump setzt auf sein Verhandlungsgeschick, um den Konflikt zu lösen. Laut Politikwissenschaftler Jäger ist dieser Ansatz jedoch problematisch: "Trump hat keinen Plan, was er wirklich will. Er denkt, das ist eine Art intuitiver Diplomatie: Selenskyj fährt nach Istanbul, dann fahre ich vielleicht auch hin, vielleicht kommt Putin, und dann setzen wir uns zusammen."
Friedensforscher Driedger beschreibt Trumps Stil noch drastischer: "Es gibt in der amerikanischen Außenpolitik einen Spruch: 'To carry a big stick and speak softly' – einen großen Knüppel tragen und ganz sanft sprechen. Bei Trump ist es eher so, dass er laut rumbrüllt und mit einem großen Schläger überall hinprügelt, aber seine Aufmerksamkeit ist leicht abgelenkt." Dies sei ein Problem für nachhaltige Friedensverhandlungen.
Papst Leo XIV. und der moralische Faktor
Eine neue Rolle im Friedensprozess kommt auch Papst Leo XIV. zu. Im Gegensatz zu seinem Vorgänger Franziskus bezieht der neue Papst klar Position. "Mit Papst Leo XIV. ist jemand an der Spitze des Vatikans, der eine klare Sprache in diesem Krieg spricht, der den Aggressor deutlich benennt", so Jäger. Franziskus habe immer im Vagen geredet und von "beiden Seiten" gesprochen, während Leo diese falsche Äquivalenz sofort beendet habe.
Diese klare moralische Haltung könnte vor allem in der internationalen Öffentlichkeit und in den USA Gewicht haben.
Aussichten für einen nachhaltigen Frieden
Trotz aller diplomatischen Aktivitäten bleibt die Grundproblematik bestehen: Putin will die Kapitulation der Ukraine, während die Ukraine auf ihrer Souveränität besteht. "Das wird nicht funktionieren, weil der russische Präsident überhaupt kein Interesse daran hat, irgendetwas anderes zu akzeptieren als die Kapitulation der Ukraine, und die wird Selenskyj nicht unterschreiben", analysiert Jäger.
Dennoch sieht Friedensforscher Driedger die Chancen für einen Waffenstillstand derzeit "vielleicht am höchsten seit Kriegsbeginn". Allerdings warnt er: "Wir müssen uns vor Augen führen, dass wir in einer Situation sind, wo Russland weite Teile der Ukraine zu annektieren versucht. Das sind Konflikte, die auch nach einem Waffenstillstand häufig sehr aktiv bleiben."
Der Weg zum Frieden bleibe "lang, dornig, schwierig und alternativlos". Erst die kommenden Wochen werden zeigen, ob die neuen diplomatischen Initiativen tatsächlich Früchte tragen können.
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