Ulrike Leininger wollte Diakonin werden. Edgar Büttner wollte Priester bleiben – und gleichzeitig Ehemann sein. Beides durfte nicht sein. Zwei Lebenswege, die zeigen, worum es bei der Würzburger Synode eigentlich ging: um die Hoffnung auf eine moderne Kirche, die damals zum Greifen nah schien – und dann doch wieder entglitt.
Die Frau, die sich berufen fühlte
Als sich 1971 im Würzburger Dom rund 300 Geistliche und Laien trafen, war das ein Aufbruch. Zum ersten Mal durften Frauen offiziell mitreden, wenn es um die Zukunft der katholischen Kirche ging. Eine Kirche, in der Ulrike Leininger gerne Diakonin oder gar Priesterin geworden wäre. Um sich bei der Synode dafür einzusetzen, dass auch Frauen geweiht werden dürfen, war sie noch zu jung. Die Dynamik damals aber hat sie aus der Ferne mitbekommen: "Das war damals der Aufbruch", erinnert sie sich.
Vier Jahre lang diskutierten die Synodalen über alles, was bisher Tabu war: Mitbestimmung, neue Formen von Seelsorge, die Rolle der Frau. Dass Laien – auch Frauen – in Gemeinden Verantwortung übernehmen, ist eine der größten Errungenschaften dieser Zeit.
Doch die Grenze blieb: Frauen dürfen bis heute nicht geweiht werden. Keine Diakoninnen, keine Priesterinnen. "Es ist ein Machtproblem und bleibt ein Machtproblem", sagt Leininger. "Im Gespräch hat sich viel verändert, aber in der Entscheidung nicht." Leininger wurde Gemeindereferentin in einer Münchner Pfarrei.
Der Priester, der sich verliebte
Edgar Büttner studierte damals Theologie in Würzburg. Der Geist der Synode beflügelte ihn – endlich durfte über Themen gesprochen werden, die zuvor tabu waren: über den Pflichtzölibat, über Gleichberechtigung, über die Frage, wie nah die Kirche den Menschen wirklich ist. "Uns war klar, dass der Zölibat zu unseren Lebzeiten abgeschafft wird", sagt Büttner.
Doch er täuschte sich. Die katholische Kirche hält bis heute am Zölibat fest. Edgar Büttner hielt dieses Gebot nicht durch: Er verliebte sich, heiratete und verlor so seine berufliche Existenz. Seine Berufung, Priester zu sein, konnte er wegen des Zölibats nicht leben.
Der Reformer und der Aufbruch
Ermöglicht hatte diesen offenen Austausch Julius Kardinal Döpfner, Erzbischof von München und Freising. Er war eine der treibenden Kräfte der Würzburger Synode. Nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil wollte er den Reformgeist nach Deutschland tragen. "Die Bischöfe können das nicht allein entscheiden", sagte er damals. Priester und Laien sollten gemeinsam beraten – ein Novum.
Walter Bayerlein, damals Richter und Laienvertreter in der Synode, erinnert sich an diese Zeit als Experiment mit ungewissem Ausgang. "Man hat sich ja nicht gekannt. Und plötzlich hatte jeder das gleiche Stimmgewicht", sagt er. Viel Diplomatie sei gefragt gewesen, so Bayerlein: Die Kaffeepausen seien ein nicht zu unterschätzender Faktor gewesen.
Doch der Vatikan mischte sich ein, verbot Themen, schrieb Briefe. Als Laienpredigten von der Tagesordnung gestrichen wurde, eskalierte die Situation: "Da gab's eine revolutionäre Stimmung. Manche wollten schon heimfahren."
Letztendlich blieben sie. Und bei Beobachtern entstand der Eindruck: In der katholischen Kirche kann plötzlich über alles geredet werden. Trotz aller Konflikte blieb die Synode ein Symbol für den Versuch, Kirche demokratischer zu denken – ein Versuch, der bis heute nachwirkt.
Die Bilanz nach 50 Jahren
Fünf Jahrzehnte später zieht der Würzburger Bischof Franz Jung allerdings eine ernüchternde Bilanz. "Viele Themen sind nicht weiterverfolgt worden", sagt er. Die Kirche diskutiere noch immer über dieselben Fragen wie damals: den Pflichtzölibat, die Rolle der Frau, Macht und Teilhabe.
Die Würzburger Synode hat gezeigt, dass Aufbruch möglich ist. Aber auch, wie schwer es der katholischen Kirche fällt, ihm zu folgen.
Das ist die Europäische Perspektive bei BR24.
Sie interessieren sich für Themen rund um Religion, Kirche, Spiritualität und ethische Fragestellungen? Dann abonnieren Sie unseren Newsletter. Jeden Freitag die wichtigsten Meldungen der Woche direkt in Ihr Postfach. Hier geht's zur Anmeldung.
