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Sexblog-Affäre um Top-Diplomaten beschäftigt Österreich

Sexblog-Affäre um Top-Diplomaten beschäftigt Österreich

Ein österreichischer Top-Diplomat soll einen anonymen Sexblog betrieben und darin Vergewaltigungsphantasien geäußert haben. Er bestreitet die Vorwürfe, wurde aber auf eigenen Wunsch abberufen. In Wien fragen nun viele: Wer wusste was wann?

Über dieses Thema berichtet: BR24 im Radio am .

Der Fall um einen österreichischen Spitzen-Diplomaten beschäftigt die Politik in Wien. Dem Mann wird vorgeworfen, einen anonymen Sexblog betrieben zu haben. In den Texten werden Frauen entmenschlicht, als "Fleisch" bezeichnet, es werden Gewalt- und Vergewaltigungsphantasien geäußert. Zudem soll der Diplomat die Einträge teilweise in seiner Arbeitszeit verfasst haben.

Nach Bekanntwerden der Vorwürfe hat der Diplomat Ende Juli selbst um seine Abberufung gebeten – aus privaten Gründen, wie es offiziell heißt. Er bestreitet die Anschuldigungen.

Fall war im Außenministerium bekannt

Was den Fall jüngst noch brisanter macht: Laut einem Bericht der Zeitung "Der Standard" war der Fall im Wiener Außenministerium bekannt: Demnach habe es vergangenes Jahr ein Disziplinarverfahren wegen der Vorwürfe gegeben. Das Verfahren endete demnach mit einem Verweis – der kleinsten Form der Disziplinarstrafe.

Das österreichische Außenministerium teilte auf ARD-Anfrage mit: "Im Falle des umgehend abberufenen Botschafters wurde rasch und konsequent gehandelt. Er ist nicht mehr an der Vertretungsbehörde im Dienst."

Erste personelle Konsequenz

Außenministerin ist seit März Beate Meinl-Reisinger von den Neos. Sie habe erst vor Kurzem von den Vorwürfen erfahren, heißt es aus ihrem Ministerium. Das Disziplinarverfahren lief noch unter ihrem Vorgänger, ÖVP-Mann Alexander Schallenberg.

Wie damals mit dem Fall umgegangen wurde, hat offenbar eine personelle Konsequenz: Die Personalchefin im Außenamt verliert ihren Job und wird nach Tokio versetzt. Zwar spricht das Außenministerium von einer routinemäßigen Rotation, Beobachter vermuten aber einen Zusammenhang mit der Diplomaten-Affäre.

Experte sieht mögliches Defizit bei der IT-Sicherheit

Unabhängig davon, ob die Vorwürfe gegen den Diplomaten zutreffend sind, ergeben sich für Politikwissenschaftler Peter Filzmaier zwei zentrale Fragen. Die erste betrifft die Abläufe in Diplomatenkreisen: "Wenn zumindest Teile der hohen Beamtenschaft von den Vorwürfen wussten - warum wurde die Ministerin nicht informiert? Wurden überhaupt ausreichend Schritte unternommen?"

Die zweite Frage betrifft Meldungen, dass private Chat-Nachrichten und Bilder vom Handy des Diplomaten zirkuliert sein sollen, er also mutmaßlich ausgespäht wurde. "Die Vorwürfe sollen ja unter Umständen ruchbar geworden sein durch ein Cybersecurity-Defizit, das heißt: Man konnte auf Daten des Außenministeriums und damit auch auf Diensthandys zugreifen." Wenn das schon seit Jahren möglich gewesen sein soll, wurde das Thema offenbar nicht angegangen, vermutet Filzmaier. "Denn das betrifft ja dann nicht nur den konkreten Fall, sondern viele mögliche Fälle vertraulicher Informationen", so Filzmaier, der Professor für Demokratiestudien und Politikforschung an der Donau-Universität Krems ist.

Online-Portal brachte Fall ins Rollen

An die Öffentlichkeit gelangt sind die Vorwürfe gegen den Diplomaten durch das Online-Portal "Fass ohne Boden", das von einem Mann betrieben wird, der zuvor für die FPÖ gearbeitet hat. Die in Teilen rechtsextreme FPÖ, die die größte Oppositionspartei im Nationalrat ist, sieht in dem Diplomaten-Fall einen "unglaublichen Skandal" und "eine Staatsaffäre". "Es geht da nicht um Fifty Shades of Grey, es geht um frauenfeindliche, frauenverachtende, gewaltverherrlichende Schriften, Vergewaltigungsphantasien, wir sprechen hier von Straftatbeständen." erklärte Michael Schnedlitz, der Bundesgeneralsekretär der Partei. Er wirft der Regierung mangelnde Aufklärung und Intransparenz vor.

Was der Fall für Österreichs Ansehen bedeutet

Auch in Diplomatenkreisen soll es laut Medienberichten Unmut darüber geben, wie mit dem Fall im Außenministerium bisher umgegangen wird. Politikwissenschaftler Filzmaier sieht Außenministerin Meinl-Reisinger allerdings in einem Dilemma: "Einerseits sagt man in der Krisenkommunikation, dass die oberste Chefin - und das ist selbstverständlich die Ministerin selbst – kommunizieren müsste, andererseits würde sie damit mit dem Fall bildlich bei einem Auftritt in Verbindung gebracht werden, obwohl die Auslöserzeit ja lange vorher ihrem Amtsantritt zurückliegt."

Meinl-Reisinger hat eine Untersuchungskommission eingesetzt. Geleitet wird die von Ex-Verteidigungsminister Thomas Starlinger. "Das zeigt auch die Stimmung im Außenministerium, dass die Ministerin es für nötig hält, diese Vorwürfe von außen untersuchen zu lassen", sagt Filzmaier.

Für den Politikwissenschaftler hat der Fall aber nicht nur innenpolitische Debatten ausgelöst. Er sieht vor allem einen Schaden für das Ansehen des Landes. "Ein Kleinstaat wie Österreich ist logischerweise auf der internationalen diplomatischen Ebene vor allem auf sein Renommee, auf den Vertrauensgrad angewiesen." Dieses Renommee sei in den letzten Jahren mehrfach beschädigt worden. Der Experte nennt als weiteres Beispiel Leaks beim Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung. Jetzt gebe es diesen "bizarren Skandalfall" – für Filzmaier schwäche das "schlicht und einfach die Rolle Österreichs in der internationalen Politik".

Hinweis der Redaktion: In einer ersten Version dieses Artikels wurde der Name des Online-Portals nicht genannt, das die Vorwürfe publik gemacht hat. Wir haben die Stelle aktualisiert und die Beschreibung "FPÖ-nah" entfernt.

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