"14 Tage, 15 Stunden, 59 Minuten" – Dieser Countdown war am Dienstagmorgen zum Start der SPD-Mitgliederbefragung zum Koalitionsvertrag mit der Union auf der Online-Plattform der Sozialdemokraten zu sehen. Bis zum 29. April, 23.59 Uhr können die knapp 360.000 Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten abstimmen, ob sie den 144 Seiten langen Koalitionsvertrag mit dem Titel "Verantwortung für Deutschland" annehmen.
Wie verläuft die Abstimmung?
Dafür ist nicht nur eine Mehrheit der Stimmen erforderlich, es müssen auch insgesamt mindestens 20 Prozent der Mitglieder an der rein digitalen Abstimmung teilnehmen. Das entspricht etwa 71.600 Personen.
Alle Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten haben per Post ein Passwort zugeschickt bekommen, mit dem sie – in Kombination mit ihrer Mitgliedsnummer – online ihre Stimme verschlüsselt abgeben können. Wer keinen Internetzugang hat, kann in einer SPD-Geschäftsstelle wählen. Am 30. April soll das Ergebnis bekanntgegeben werden.
Wie wahrscheinlich ist ein "Ja" zum Koalitionsvertrag?
Eine Zustimmung gilt als wahrscheinlich. SPD-Generalsekretär Matthias Miersch zeigte sich zuversichtlich, hält ein "Ja" aber nicht für selbstverständlich. Im BR-Interview sagte er: Es sei kein Selbstläufer und noch Überzeugungsarbeit nötig. Miersch zufolge wurde in dem Vertrag aber viel Sozialdemokratie durchgesetzt. In den kommenden zwei Wochen wird seinen Worten nach wohl noch viel über die Inhalte diskutiert. Er sei aber sicher, dass sich am Ende eine Koalition bilde, weil viele SPD-Mitglieder die Verantwortung spüren würden.
Parteichefin Saskia Esken sagte der Nachrichtenagentur dpa, dass sie "Licht und Schatten" im Koalitionsvertrag sehe. Sie hob aber die Lockerung der Schuldenbremse für Verteidigungszwecke, das Sondervermögen für Investitionen und die Maßnahmen zur Stärkung der Wirtschaft als gute Grundlage für eine Zusammenarbeit zwischen Union und SPD hervor. "Ich gehe davon aus und hoffe, dass wir eine gute Zustimmung bekommen."
Wie geht die SPD mit dem Gegenwind von den Jusos um?
Mit dem Mindestlohn von 15 Euro und der Steuersenkung für geringe und mittlere Einkommen hat die SPD einige ihrer Wahlkampfversprechen im Koalitionsvertrag verankert. Umstritten sind allerdings die geplanten Verschärfungen der Migrations- und Sozialpolitik. Die Führung der Jusos lehnt den Vertrag deswegen ab und fordert Nachverhandlungen. Die Parteijugend stellt etwa zwölf Prozent der SPD-Mitglieder.
Parteichef Lars Klingbeil machte am Montagabend bei einer Auftakt-Konferenz zum Mitgliederentscheid in Hannover klar: Ein Ablehnen des Koalitionsvertrages werde nicht zu Nachverhandlungen führen, sondern dazu, dass die Stimmen in der Union stärker würden, die sich für Alternativen zu den Sozialdemokraten aussprechen. Daher sind nach Klingbeils Worten Nachverhandlungen nur eine theoretische Möglichkeit. Scheitere der Koalitionsvertrag, "dann wird es Neuwahlen geben, oder dann wird es vielleicht eine Minderheitsregierung geben", sagte Klingbeil. "Ich möchte, dass wir uns nicht wegducken, und ich möchte, dass wir die Zukunft dieses Landes gestalten."
Was, wenn die SPD-Mitglieder doch nicht zustimmen?
Sollte der Koalitionsvertrag am Votum der SPD scheitern, gibt es vier Optionen. Erstens: Es könnte nachverhandelt werden, die Bereitschaft dürfte bei der Union aber gering sein. Zweitens: Die Union könnte mit der AfD koalieren, hat das aber kategorisch ausgeschlossen. Drittens: Die Union könnte allein regieren, Minderheitsregierungen gelten allerdings als instabil. Viertens: Es könnte neu gewählt werden.
Wie sieht es mit der Zustimmung der Unions-Parteien aus?
Bisher hat nur die CSU den Koalitionsvertrag angenommen. Die CDU entscheidet am 28. April auf einem kleinen Parteitag. Wenn alle Parteien zustimmen, ist die Kanzlerwahl im Bundestag und die Vereidigung des gesamten Kabinetts ist für den 6. Mai geplant – etwa zweieinhalb Monate nach der Bundestagswahl. Offen ist noch, wann verkündet wird, wer welches Ministerium übernimmt.
Mit Informationen von dpa, Reuters und AFP
Im Video: SPD stimmt über Koalitionsvertrag ab
Der schwarzrote Koalitionsvertrag steht - fehlt nur noch ein Ja-Wort von der SPD-Basis.
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