In etwa dreieinhalb oder vier Jahren könnte Russland Fachleuten zufolge in der Lage sein, die Nato anzugreifen. Warum genau 2029? Das basiert auf Erkenntnissen des Bundesnachrichtendienstes und auf einem nicht öffentlichen Nato-Papier. Dort ist angeblich nachzulesen, wie weit die Militärindustrie bis dahin in Russland hochgefahren ist. Ob es tatsächlich zum Angriff kommt, da sind sich Experten uneins.
Aylin Matlé von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik betont, man müsse im Konjunktiv sprechen, aber man müsse mit einer Konfrontation rechnen, um eine solche zu verhindern. Ähnlich sieht es Sarah Pagung, Politologin und Russlandexpertin: "2029 ist vor allen Dingen ein Kommunikationsmittel, um das greifbarer zu machen." Die möglichen Szenarien reichen von kleinen Sticheleien bis zu Drohnenangriffen.
Im Video: Was passiert, wenn Russland die Nato angreift? Possoch klärt!
Die "Nato testen"
Es gebe unterschiedliche Möglichkeiten, erklärt Sarah Pagung: von der Körber-Stiftung. Einen groß angelegten Angriff auf die Nato, wie es in der Ukraine passiert ist, hält sie für unwahrscheinlich. Russland könnte auch mit Sabotageakten angreifen oder einen Cyberkrieg starten. Die dritte Möglichkeit ist, nach Einschätzungen von Matlé und Pagung, dass Russland einen Angriff auf das Baltikum versucht oder auf Polen: "Also von der russischen Grenze aus ein Ziel suchen und testen, ob die Nato und die Beistandsverpflichtung funktioniert."
Ein Szenario wäre ein Angriff auf die Nato mit einzelnen Gebiete im Baltikum, beispielsweise in Estland um die Stadt Narwa herum. Oder es wäre auch möglich, dass es die Landbrücke zwischen Belarus und der russischen Exklave Kaliningrad trifft.
Wie würde die Nato reagieren?
"Wäre die Nato, wären andere Nato-Staaten wirklich bereit, wegen eines so kleinen Landstriches einen möglichen Krieg gegen Russland zu riskieren?" Diese Frage stellt Aylin Matlé in den Raum. Mit einem Angriff auf ein Nato-Land würde Artikel 5 des Nato-Vertrages greifen: Ein Angriff auf ein Nato-Land zählt wie ein Angriff auf alle Nato-Länder, militärische Unterstützung ist somit garantiert durch die Beistandspflicht. Stand heute.
Aber werden die 32 Mitgliedstaaten eine Einheit bilden, werden einzelne Staaten sich auf die Seite Russlands stellen, wie womöglich Ungarn oder die Türkei, können sich die Europäer auf die USA verlassen? Was in den nächsten Jahren passiert, werde sich Russland genau anschauen, sagt Matlé im Gespräch mit BR24. Und der Kreml werde überlegen, ob es nicht dann vielleicht doch einen Versuch wert sein könnte, mit dem Ziel, die Nato auseinander zu dividieren und zu spalten.
Welche Rolle spielt Deutschland?
Auf Deutschland hätte ein solches Szenario in mehrerer Hinsicht einen Einfluss. Zum einen sind bereits jetzt Bundeswehrsoldaten in Litauen stationiert. Die ersten Freiwilligen sind bereits umgezogen. Und Deutschland ist ob seiner geographischen Lage in Europa eine Drehscheibe, betont Gustav Gressel. Und damit für den Nachschub an einer Front verantwortlich.
Heute liegt Deutschland im Zentrum des NATO-Gebiets
Gustav Gressel, Militärexperte stellt klar: "Deutschland ist in Europa der wichtigste Rüstungsproduzent vor allen Dingen, was Fahrzeuge angeht, aber auch im Luftfahrtsektor und im Sektor Fliegerabwehr. Das heißt, Deutschland ist voller wichtiger strategischer Ziele für russische Marschflugkörper, Raketen- und auch Drohnenangriffe."
Gressel sieht Deutschland in keinster Weise vorbereitet, auch das befeuere das Angriffsszenario für 2029. Für dieses Jahr sieht der Militärexperte im BR24-Interview schwarz.
Experten fordern klare Politik und Kommunikation
Wichtig sei, so sind sich alle Experten einig, Russland als Gefahr zu sehen. Auch weil die Weltlage sich mit einem US-Präsidenten Trump und potenziellen Nachfolgern ändern könnte. Sarah Pagung sieht die Politik in der Pflicht, schon jetzt die Bevölkerung aufzuklären. Auch dass Sicherheit Geld koste, Geld das in wirtschaftlich guten Zeiten nicht ausgegeben wurde.
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